European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00056.17V.1129.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass aufgrund der Generalklausel in § 4 Abs 3 TirBezKraGVG der Gemeindeverbandausschuss sowohl für die Beschlussfassung über die Anstaltsordnung für den inneren Betrieb (§ 10 Abs 1 TirKAG) als auch für die Entscheidung in personellen Angelegenheiten einschließlich der Aufnahme sowie der Kündigung und Entlassung von Gemeindeverbandsbediensteten zuständig sei. Dieses Organ habe mit gesetzlicher Deckung aufgrund der (durch die Landesregierung genehmigten) Anstaltsordnung einen Teil der Personalangelegenheiten an die Anstaltsleitung (kollegiale Führung) delegiert. Bei der Anstaltsordnung handle es sich um eine allgemein verbindliche Organisationsvorschrift. Da es sich bei der Klägerin um keine Person in leitender Funktion handle, sei die Auflösung ihres Dienstverhältnisses der Anstaltsleitung zugekommen. „Mitspracherecht“ iSd § 6 Abs 1 bzw § 8 Abs 2 der Anstaltsordnung bedeute ein Mitbestimmungs- bzw Mitentscheidungsrecht. Die Entlassung der Klägerin habe daher den einvernehmlichen Beschluss des Kollegialorgans „Anstaltsleitung“ erfordert. Im Anlassfall habe die kommentarlose Kenntnisnahme der Ankündigung des Verwaltungsdirektors, das Dienstverhältnis der Klägerin zu beenden, durch die beiden anderen Direktoren keine einvernehmliche Beschlussfassung über die Entlassung der Klägerin dargestellt. Eine Beschlussfassung durch eine Personenmehrheit erfordere die rechtzeitige Verständigung von der geplanten Beschlussfassung und von deren wesentlichen Inhalt sowie die Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme dazu. Bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses gehöre dazu auch die Art der Beendigung (Entlassung oder Kündigung).
2. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt oder zu einer bestimmten Norm oder Rechtsfrage fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt. Hat das Berufungsgericht die für die Rechtssache einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen richtig ausgelegt und auf den konkreten Fall in vertretbarer Weise angewendet, so ist die Revision im Allgemeinen nicht zulässig. Der Revisionswerber muss daher auch in einem solchen Fall eine für die Lösung der konkreten Rechtssache erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.
3. Die Ausführungen des beklagten Gemeindeverbands, dass auch eine konkludente Willenserklärung für eine einvernehmliche Beschlussfassung im Kollegialorgan ausreiche, betrifft die Frage, ob ein kommentarloses Zur‑Kenntnis‑Nehmen (nach der Diktion des Erstgerichts eine allgemeine Zustimmung) der Ankündigung des Verwaltungsdirektors im Jour fixe vom 5. 7. 2016, das Dienstverhältnis der Klägerin zu beenden, für eine einvernehmliche Beschlussfassung genügt. Diese Frage hat das Berufungsgericht allerdings mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich unbeantwortet gelassen. Auf diese Frage kommt es auch nicht an. Maßgebend ist letztlich, dass keine ordnungsgemäße Verständigung zur Beschlussfassung im zuständigen Organ erfolgte.
Auch das weitere Argument des beklagten Gemeindeverbands, dass die konkrete Art der Auflösung des Dienstverhältnisses (Kündigung oder Entlassung) in der Sitzung der kollegialen Führung nicht thematisiert werden müsse, betrifft nicht die Verständigung zur Beschlussfassung, sondern die Willensbildung durch Beschlussfassung, also die Frage, was in der Sitzung der Anstaltsleitung, in der die Entscheidung getroffen wird, thematisiert bzw worüber beraten und entschieden werden muss.
4. Die Ansicht des beklagten Verbands, dass die Art der Entscheidung (hier Kündigung oder Entlassung) dem Verwaltungsdirektor alleine obliege, kann nicht geteilt werden. Die Art der Auflösung des Dienstverhältnisses kann auch kompetenzrechtlich nicht von der Entscheidung über die Beendigung des Dienstverhältnisses abgespalten werden.
Die Erklärung über die Auflösung des Dienstverhältnisses muss eindeutig und bestimmt erfolgen. Da die Rechtsfolgen der Auflösung maßgebend von der Art der Beendigung abhängen, muss die Auflösungserklärung auch die Art der Auflösung klar erkennen lassen. So entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine aus wichtigem Grund erfolgte Auflösungserklärung eindeutig erkennen lassen muss, dass das Arbeitsverhältnis – durch einseitige Erklärung – vorzeitig aufgelöst und ein wichtiger Lösungsgrund in Anspruch genommen wird (8 ObA 52/12y; siehe auch RIS‑Justiz RS0029015).
Gegenstand der Beschlussfassung in einem Kollegialorgan über die Auflösung eines Dienstverhältnisses ist die Auflösungserklärung, die auch die Art der Beendigung beinhalten muss. Der ausgedrückte Wille der Beendigung und die Auflösungsart sind somit einheitliche Bestandteile einer ordnungsgemäßen Auflösungserklärung.
5. Der beklagte Verband teilt die Ansicht des Berufungsgerichts, dass für die Beschlussfassung einer Personenmehrheit bei sonstiger Unwirksamkeit allen an der Mitwirkung bei der Willensbildung berufenen Personen die Tatsache der beabsichtigten Beschlussfassung rechtzeitig mitgeteilt und ihnen Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme gegeben werden muss, sowie dass die Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme zur geplanten Maßnahme nicht nur die Verständigung von (der Tatsache) der geplanten Beschlussfassung, sondern auch eine Information über den wesentlichen Inhalt der geplanten Maßnahme voraussetzt.
Entgegen der Ansicht des beklagten Verbands gehört zu den „essentiala negotii“ der Verständigung aber nicht nur der „Akt“ der Beendigung, sondern die beabsichtigte Auflösungserklärung in ihrer Gesamtheit. Da die Art der Beendigung bereits Gegenstand der Verständigung sein muss, genügt es nicht, dass die Mitglieder des entscheidenden Kollegialorgans „nachfragen oder sich informieren“ können.
6. Unrichtig ist weiters die Ansicht des beklagten Verbands, „Mitspracherecht“ (im Sinn von § 6 Abs 1 bzw § 8 Abs 2 der Anstaltsordnung) bedeute, dass man über eine Angelegenheit informiert werden müsse und dann „im Sinn einer Erlaubnis“ mitsprechen dürfe.
Nach § 5 Abs 2 Z 3 der Anstaltsordnung obliegt die Begründung und Auflösung von Dienstverhältnissen (außer bei Personen in leitender Funktion) der Anstaltsleitung. Diese hat nach § 5 Abs 3 leg cit einvernehmlich („ohne gegensätzliche Auffassungen“) zu entscheiden, widrigenfalls der Obmann des Gemeindeverbands die Entscheidung zu treffen hat. Diese Kautelen gelten dann nicht, wenn der Verwaltungsdirektor die endgültige Entscheidung treffen kann.
Bei der endgültigen Entscheidung des Verwaltungsdirektors handelt es sich um eine von der Grundregel abweichende Spezialkompetenz, weshalb diese in der Anstaltsordnung ausdrücklich angeordnet sein muss. Eine solche endgültige Entscheidung des Verwaltungsdirektors ist nach § 6 Abs 1 und § 8 Abs 2 der Anstaltsordnung für die Einstellung von Personal vorgesehen; dazu ist ausdrücklich angeordnet, dass dem fachlich zuständigen Direktor (ärztlicher Direktor oder Pflegedirektorin) ein Vorschlagsrecht zusteht. Die endgültige Entscheidungskompetenz des Verwaltungsdirektors steht nach der Anstaltsordnung also mit einem Vorschlagsrecht in Verbindung.
Davon unterscheidet die Anstaltsordnung das Mitspracherecht, das bei Kündigungen und Entlassungen besteht. Aufgrund dieser Gegenüberstellung ist klargestellt, dass das Mitspracherecht gerade nicht die Spezialkompetenz des Verwaltungsdirektors nach § 5 Abs 3 der Anstaltsordnung begründet und dieser daher nicht alleine entscheiden kann. „Mitspracherecht“ bedeutet daher Mitentscheidungsrecht im Sinne einer vollen Einbindung in den Entscheidungsprozess und die Entscheidungsfindung. Das Ergebnis kann nur eine gemeinsame Entscheidung sein. Dem Beklagten ist daher nicht darin zuzustimmen, dass auch das Mitspracherecht gleich wie das Vorschlagsrecht zu verstehen sei.
7. Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, gehen die Ausführungen des beklagten Verbands zur Konversion (der Entlassungserklärung in eine Kündigungserklärung) ins Leere, weil die Auflösungserklärung nur vom Verwaltungsdirektor und damit von einem nach der Anstaltsordnung unbefugten Organ abgegeben wurde.
8. Insgesamt vermag der beklagte Verband nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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