OGH 12Os122/17h

OGH12Os122/17h16.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Paulo D***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 8. August 2017, GZ 601 Hv 3/17b‑48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00122.17H.1116.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Paulo D***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er am 2. April 2017 in W***** Marta K***** durch Versetzen eines Stiches mit einem Messer von ca 20 cm Länge in ihre Oberbauchseite, wobei die Messerklinge die Magenwand und den Zwölffingerdarm erreichte und im Verlauf des Stichkanals das Magenband, die Bauchspeicheldrüse, die Leber und der Zwölffingerdarm verletzt wurden, zu töten versucht.

Die Geschworenen bejahten die anklagekonforme Hauptfrage nach Mord (§§ 15 Abs 1, 75 StGB) und ließen demzufolge die in Richtung absichtliche schwere Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) sowie schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 4 und Abs 5 Z 1 StGB) gestellten Eventualfragen unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Mit seiner Fragenrüge (Z 6) kritisiert der Rechtsmittelwerber, dass – entgegen seinem Antrag in der Hauptverhandlung (ON 47 II. Bogen S 1) – die Stellung einer Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB) unterblieb.

Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen des die begehrte Eventualfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0119417; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23). Der Rechtsmittelwerber darf den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung insgesamt gelöster Teile davon führen, sondern hat vielmehr dieses für die vermisste Fragestellung ins Treffen geführte Verfahrensergebnis in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0120766).

Fallbezogen erschöpft sich die Rüge jedoch in der weitwendigen Wiederholung zum Teil aus dem Zusammenhang gelöster Passagen der Aussage des – zudem einen Tötungsvorsatz leugnenden (ON 47 S 4, 6, 11) – Angeklagten. Mit dem Verweis auf diese Verantwortung, wonach es bereits seit Wochen zwischen dem Angeklagten und dem Opfer Streit gegeben habe, Marta K***** ihn trotz aller seiner finanziellen Zuwendungen hätte aus dem Haus haben wollen, er sich und seine Tochter schlecht behandelt und sich „schon fast wie ein Tier“ gefühlt habe, er zum Tatzeitpunkt „außer sich“ gewesen sei und „die Kontrolle verloren“ habe, spricht die Beschwerde kein hinreichendes Indiz in Richtung eines nicht nur heftigen, sondern auch allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekts zur Tatzeit (RIS‑Justiz RS0092271, RS0092087, RS0092259, RS0099233) an. Damit erweist sie sich mangels Substantiierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten Tatsachen die begehrte Fragenstellung indiziert gewesen sein soll, als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119417 [T1]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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