European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00096.17G.1024.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der nachträglich zugelassene (§ 63 AußStrG) Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Der Vater vertritt die Ansicht, bis zur Ausdehnung des Unterhaltserhöhungsbegehrens des Kindes mit Schreiben vom 10. 3. 2016 habe das Kind alleine eine Indexanpassung des im Vergleich vereinbarten Unterhaltsbetrags angestrebt, für die keine Einkommenssteuerbescheide und kein Sachverständigen-gutachten erforderlich gewesen seien. Er selbst habe in Bezug auf seinen eigenen Herabsetzungsantrag keine Mitwirkungspflicht gehabt, weshalb seine vermeintliche Nichtmitwirkung jedenfalls keinen Anlass gegeben habe, dem Finanzamt nach § 102 Abs 2 letzter Satz AußStrG die Einkommenssteuerbescheide abzuverlangen. Von dieser Ansicht ausgehend erachtet es das Rekursgericht in seinem Beschluss über die Zulassungsvorstellung als erhebliche Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG, „ob den Unterhaltsschuldner auch hinsichtlich seines eigenen Vorbringens eine 'Mitwirkungspflicht' treffe und ob die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage überhaupt in die Teilbereiche 'Unterhaltserhöhung' und 'Unterhaltsherabsetzung' gesplittet werden kann“.
Rechtliche Beurteilung
All dies wären allein Vorfragen dazu, ob für das Beischaffen der Einkommenssteuerbescheide beim Finanzamt die Voraussetzungen des § 102 Abs 2 letzter Satz AußStrG vorlagen. Das Rekursgericht verneinte aber in der Rekursentscheidung, dass das auf § 102 Abs 2 letzter Satz AußStrG gestützte Ersuchen des Erstgerichts an das Finanzamt um Vorlage der Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2013 und die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters Verfahrensfehler gewesen wären. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – keinen Revisionsrekursgrund bilden (RIS‑Justiz RS0050037; zum Unterhaltsverfahren RS0050037 [T5]). Folglich können auch Vorfragen hierzu nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Im Übrigen kann ein Verfahrensmangel nur in einem „zu wenig“, niemals in einem „zu viel“ an Beweisverfahrensergebnissen liegen (RIS‑Justiz RS0125622; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 57 Rz 25).
2. Die Frage, ob das Gericht § 34 AußStrG anwenden darf, ist wie bei § 273 ZPO, dem § 34 AußStrG nachgebildet ist, eine verfahrensrechtliche (RIS‑Justiz RS0040282 [T14]). Hat – wie hier – das Rekursgericht bereits verneint, dass das Erstgericht zu Unrecht § 34 AußStrG anwendete, kommt demnach eine Anfechtung in diesem Punkt im Revisionsrekurs als verneinter Verfahrensmangel erster Instanz nicht mehr in Betracht (9 Ob 49/10m mwN).
3. Wie bei § 273 ZPO ist auch bei § 34 AußStrG mit Rechtsrüge nur überprüfbar, ob das
Ergebnis der Anwendung der Vorschrift richtig ist
(RIS‑Justiz RS0040341 [T14]). Weil es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die als solche von den Umständen des Einzelfalls abhängt und daher grundsätzlich nicht revisibel ist, können nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (
vgl RIS‑Justiz
RS0007104 [T2] zu § 273 ZPO). Ein Fehler solcher Qualität wird im Revisionsrekurs nicht releviert und ist auch nicht ersichtlich.
4.
Die Auslegung des Parteivorbringens ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet somit regelmäßig keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG
erhebliche Rechtsfrage.
Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens entweder eine grobe Fehlbeurteilung oder mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstößt (
1 Ob 172/14x [in Punkt 4.];
RIS‑Justiz RS0042828 [T11, T31]).
Die Ansicht des Rekursgerichts, dass sich die Minderjährige bereits in ihrem Antrag vom 10. 3. 2016, womit sie ihren Unterhaltserhöhungsantrag ausdehnte, durch die Bezugnahme auf die vom Sachverständigen für die Jahre 2011 und 2012 ermittelten Durchschnittseinkommen des Vaters von monatlich 7.662 EUR auf eine – ins Gewicht fallende – Änderung der Verhältnisse in Relation zu dem im Unterhaltsvergleich genannten Einkommen des Vaters von monatlich 2.900 EUR berief, ist jedenfalls vertretbar. Dem Vater wurde rechtliches Gehör zum Antrag vom 10. 3. 2016 gewährt. Zumal das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 7. 4. 2016 nach der vertretbaren Ansicht des Rekursgerichts weder einen Antrag noch ein neues Vorbringen enthielt, musste dem Vater nicht neuerlich Gehör gewährt werden.
5. Zumindest im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren ist mangels einer einschränkenden Regelung eine Änderung des Begehrens (Antragsänderung) nach Rechtsprechung (5 Ob 93/07y wobl 2007/135 [Call]; LG Salzburg 21 R 338/07p EFSlg 118.664; 21 R 108/11w EFSlg 132.967) und Lehre (Frauenberger-Pfeiler, Das neue Außerstreitgesetz – Allgemeine Bestimmungen [Teil 1], JAP 2004/2005, 245 [248]; Fucik/Kloiber, AußStrG § 11 Rz 11; Rechberger in Rechberger, AußStrG2 § 9 Rz 3 und § 11 Rz 7; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 11 Rz 77; Klicka/Oberhammer/Domej, Außerstreitverfahren5 Rz 134) unbeschränkt zulässig. Die Ausdehnung des Unterhaltsbegehrens bedurfte daher nicht der Zustimmung des Vaters.
Der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)