OGH 12Os77/17s

OGH12Os77/17s12.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Nikica J***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 25. April 2017, GZ 603 Hv 1/17p‑78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00077.17S.1012.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nikica J***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 „Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall“ (richtig: § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall [iVm Abs 1 erster Fall], vgl 14 Os 35/17d) StGB (A./) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ von 17. bis 18. Dezember 2013 im einverständlichen Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern „gewerbsmäßig“ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch (I./ und II./) weggenommen, und zwar:

I./ in E***** den Fahrschul‑LKW Iveco des Martin L***** im Wert von 27.000 Euro, indem er das Einfahrtstor des Firmengeländes sowie das Eingangstor zur Werkstätte aufbrach und in das „Transportmittel, nämlich den LKW, mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, welchen er aus dem offenen Schlüsselkasten dem Berechtigten wegnahm, eindrang;“

II./ in G***** Stanislaw B***** dessen Hydraulikbagger Takeuchi TB290 samt Baggerschaufel im Wert von 71.000 Euro, indem er die Sperrvorrichtung gewaltsam aufbrach;

III./ in A***** Gewahrsamsträgern der M***** D***** GmbH einen Hydraulikbagger Takeuchi TB290 im Wert von 85.000 Euro, indem er den Bagger mit einem Universalschlüssel öffnete;

B./ am 25. April 2017 in K***** Mustafa B***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, (zu ergänzen:) mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des (als Bestimmungstäter verübten) Mordes, falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist, indem er behauptete, der Genannte habe ihn Ende 2011 bzw Anfang 2012 aufgefordert, seine Ehefrau zu ermorden oder Berufskiller aufzutreiben, um seine Ehefrau zu ermorden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, Z 4, Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht im Hinblick auf die behauptete fehlende Übersetzung „sämtlicher Aussagen der vernommenen Zeugen“ durch den beigezogenen Dolmetscher einen Verstoß gegen § 56 StPO geltend. Sie übersieht jedoch, dass diese Vorschrift nicht zu den mit ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung versehenen Bestimmungen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 3 StPO zählt (vgl RIS-Justiz RS0099118). Insoweit wäre es am (vertretenen) Angeklagten gelegen, einen (aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO bewehrten) Antrag auf entsprechende Übersetzungshilfe zu stellen.

Da in Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung keine Zeugenvernehmungen stattgefunden haben (vgl ON 77 S 8 bis 25), geht die in diesem Zusammenhang erstatte Kritik an der Verletzung des „§ 250“ StPO ins Leere.

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens für spurenkundige DNA‑Untersuchungen zum Beweis dafür, dass die laut den vorliegenden Gutachten ON 14 und ON 15 möglicherweise vorhandenen Spuren des Angeklagten auf den beiden Joysticks der Bagger insbesondere aufgrund ihrer Stärke, Dichte und sonstigen Beschaffenheit auch durch mittelbare Aufbringung durch Verwendung anderer Gegenstände, Kleidungsstücke oder Ähnliches des Angeklagten dorthin gelangt sind und dorthin gelangt seien können und, dass insbesondere auf Grund des Musters der vorhandenen Mischspuren eine derartige Aufbringung äußerst wahrscheinlich ist“ (ON 77 S 27 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn der (im Übrigen nur mit Bezug auf hypothetische Schlussfolgerungen gestellte) Beweisantrag legte nicht dar, weshalb der beantragte Sachverständigenbeweis das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und richtete sich solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (vgl RIS-Justiz RS0099453, RS0099353).

Gleiches gilt für den – sich in einer bloßen Behauptung erschöpfenden – weiteren Antrag auf „Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Kraftfahrzeuge und Baumaschinen zum Beweis dafür, dass mit dem gegenständlichen Lkw Iveco und mit dem angeblich auch dazu verwendeten Anhänger die beiden Bagger, die unter Anklagepunkt II./ und III./ angeführt sind, nicht transportiert werden konnten“ (ON 77 S 28).

Das im Rechtsmittel zur Fundierung des Beweisantrags nachgetragene Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (siehe RIS-Justiz RS0099618).

Soweit der Beschwerdeführer (nominell auch aus Z 5) die Begründung des abweislichen Beschlusses bemängelt, übersieht er, dass diese nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (vgl RIS-Justiz RS0116749), auch wenn sie (wie hier – US 9) überflüssig in die schriftliche Urteilausfertigung übernommen wurde.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die lediglich auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen bezweifelt, dass die dem Angeklagten angelasteten Diebstähle mit dem im Urteil beschriebenen modus operandi verübt wurden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Auf das als „Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 25. April 2017“ bezeichnete Schreiben des Angeklagten war im Hinblick auf die von seinem Verteidiger eingebrachte Rechtsmittelschrift keine Rücksicht zu nehmen, weil nach dem Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist (RIS‑Justiz RS0100046).

Bleibt im Übrigen anzumerken, dass das angefochtene Urteil unbeanstandet gebliebene Fehler aufweist:

Das angefochtene Urteil enthält in Bezug auf die Annahme von Gewerbsmäßigkeit auch im Sinn des § 130 Abs 2 zweiter Fall StGB keine ausreichenden Feststellungen zu den Kriterien des § 70 Abs 1 Z 1 bis Z 3 StGB. Urteilsannahmen im Sinn der Z 1 und Z 2 der genannten Bestimmung hat das Erstgericht nicht getroffen. Z 3 erster Fall leg cit scheidet schon deshalb aus, weil hier bloß zwei durch Einbruch qualifizierte Diebstähle (A./I./ und II./) vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0130965), während dem Angeklagten zu A./III./ ein (nur) nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB qualifizierter Diebstahl zur Last liegt. „Zwei Vortaten“ im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 StGB (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/7) liegen daher nicht vor (aA Kohlreiter, ÖJZ 2017, 812). Ob der Angeklagte zur Tatzeit (Dezember 2013) schon – und weiterhin (vgl § 70 Abs 3 StGB) – mit einer Verurteilung wegen einer „solchen Tat“ belastet war, geht aus dem Urteil ebensowenig hervor. Dieses referiert konkret nur eine (Vor‑)Verurteilung wegen eines im Jahr 2015 verübten Einbruchsdiebstahls durch das Landesgericht Korneuburg am 11. Oktober 2016 (AZ ***** dieses Gerichts). § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB stellt aber ausschließlich auf Verurteilungen ab, die der Täter vor der Begehung der aktuellen Tat erlitten hat (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/10).

Ein Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist jedoch – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht gegeben, weil bloß unrichtige Subsumtion einen solchen nicht ohne weiteres zur Folge hat (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23) und sich der aufgezeigte Fehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der Strafbemessung (vgl US 14: Wertung des „Zusammentreffens von zwei Verbrechen“ als erschwerend) angesichts der zutreffenden Annahme von einem Verbrechen im Sinn des § 130 Abs 2 erster Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB (A./) und einem solchen nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) nicht effektiv auswirkte. Das Oberlandesgericht ist angesichts dieser Klarstellungen an den insoweit unrichtigen Schuldspruch nicht gebunden (vgl RIS‑Justiz RS0118870).

Weiters war die Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 11. Oktober 2016, AZ *****, im Hinblick auf den nunmehrigen Schuldspruch wegen einer nach diesem Urteilszeitpunkt begangenen Verleumdung (B./) verfehlt. Denn die genannte Bestimmung setzt voraus, dass alle nunmehr gegenständlichen Straftaten im früheren Verfahren gemeinsam abgeurteilt hätten werden können (vgl RIS-Justiz RS0090813). Diese Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) wirkte sich zum Vorteil des Angeklagten aus, sodass amtswegiges Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht geboten war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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