OGH 2Ob165/16b

OGH2Ob165/16b28.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** B*****, vertreten durch Dr. Stephan Wijnkamp, Imst, im Einvernehmen mit Dr. Christopher Fink, Rechtsanwalt in Imst, gegen die beklagten Parteien 1. Ö***** GmbH & Co KG und 2. Ö***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, wegen 33.348,06 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Juni 2016, GZ 2 R 47/16b‑58, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Jänner 2016, GZ 66 Cg 67/13z‑53, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00165.16B.0928.000

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der Klägerin teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der bestätigten und in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten haben:

„1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 14.174,63 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 6. 2013 zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus schuldig, der klagenden Partei weitere 19.173,43 EUR samt 4 % Zinsen aus 2.911,42 EUR vom 14. 6. 2013 bis 21. 4. 2015, aus 6.296,42 EUR vom 22. 4. 2015 bis 1. 12. 2015 und aus 19.173,43 EUR seit 2. 12. 2015 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zu 75 % für alle Spät- und Folgeschäden zur ungeteilten Hand haften, die zukünftig als Folge des Liftunfalls, der sich am 16. 4. 2012 gegen 15:45 Uhr beim Schlepplift 'S*****' in ***** S***** ereignete, eintreten, wobei die Haftung mit den zum Unfallszeitpunkt geltenden Haftungshöchstbeträgen nach §§ 15, 16 EKHG begrenzt ist.

4. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zu weiteren 25 % für alle Spät‑ und Folgeschäden aus dem in Pkt 3. genannten Liftunfall haften, wird ebenso abgewiesen wie das Mehrbegehren der Feststellung der Haftung ohne Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach §§ 15, 16 EKHG.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Beschlussfassung über die gesamten Verfahrenskosten aufgetragen.

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte ist Betreiberin des Schlepplifts „S*****“. Die Zweitbeklagte ist Komplementärin der Erstbeklagten.

Am 16. 4. 2012 fuhr die Klägerin gegen 15:45 Uhr mit ihrem Snowboard gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten mit diesem Schlepplift bergwärts. Während der Fahrt kam die Klägerin zu Sturz und zog sich dadurch schwere Verletzungen zu. Die Klägerin hatte eine Liftkarte gekauft und damit einen Beförderungsvertrag abgeschlossen.

Für diese Schleppliftanlage existiert eine Betriebsvorschrift, die auszugsweise wie folgt lautet:

„Betriebsvorschrift 5.03:

Die Antriebs- und Gegenstation müssen während des Betriebes besetzt sein.

Betriebsvorschrift 5.04:

In den Stationen hat das Bedienungspersonal neben der Hilfe beim Ein- und Aussteigen soweit dies möglich ist, die Strecke, den Zustand der Schleppelemente und der Klemmen sowie das freie Spiel des Spanngewichtes zu beobachten. Die Bediensteten dürfen ihren zugewiesenen Arbeitsplatz während des Betriebes nicht verlassen.

Betriebsvorschrift 5.05:

Bei Gefahr im Verzug ist die Anlage sofort stillzusetzen. Gefahr im Verzug liegt beispielsweise vor, wenn: ein Fahrgast von der Bahn abweicht, ein gestürzter Fahrgast sich nicht rechtzeitig vom Schleppbügel lösen kann, ein gestürzter Fahrgast auf der Schleppspur liegt und sich selbst oder den Nachfolgenden gefährdet, (…)

Betriebsvorschrift 5.09:

Bei Dunkelheit oder Sichtverhältnissen, die einen ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr gewährleisten, ist dieser einzustellen.

Betriebsvorschrift 6.02:

Wird die Anlage als nicht betriebssicher erkannt oder sind Beschädigungen wie zB Risse, Sprünge, Deformationen am Seil oder an der maschinellen Anlage festgestellt worden, so ist die Anlage sofort außer Betrieb zu setzen und Meldung gemäß 6.01 zu erstatten.

Betriebsvorschrift 6.03:

Falls durch außergewöhnliche Witterungsverhältnisse (zB Sturm, Lawinen, Gewitter) Gefahr für den Betrieb der Anlage besteht, ist für diese Gefahrenzeit der Betrieb einzustellen und es sind die auch sonst erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen und Schäden möglichst rechtzeitig zu treffen.“

Punkt 2.11.6. der allgemeinen betrieblichen Bedingungen lautet:

„Ist bei Schleppliften, deren Antriebs- und Gegenstation besetzt sind, die Beobachtung der Einstiegsstelle samt Umlenkung oder der Ausstiegsstelle samt Beruhigungsstrecke und Umlenkung wegen schlechter Sichtverhältnisse nicht mehr gewährleistet, ist der Betrieb einzustellen.“

Bei dem Schlepplift handelt es sich um einen „Selbstbedienungslift“ in einer Länge von rund 900 m. Auf Höhe der Stütze 7 befindet sich eine deutliche Geländekuppe, eine weniger ausgeprägte Kuppe bei Stütze 8. Auch unterhalb der Bergstation liegt eine deutliche Geländekuppe. Die Distanz zwischen Liftstütze 7 und 8 beträgt 155 m. Die Neigung des Schlepplifts beträgt ebenso wie jene des präparierten Geländes in der Liftgegend zwischen 30 und 40 %.

Während des Liftbetriebs sind jeweils ein Liftwart in der Tal‑ und in der Bergstation anwesend. Der Liftwart in der Talstation befindet sich während des Liftbetriebs meist im Lifthäuschen und beobachtet von dort aus den Einstiegsbereich und die Liftspur bergwärts, um den Liftbenutzern gegebenenfalls zu helfen oder den Liftbetrieb abschalten zu können. Da am 16. 4. 2012 nicht viel Andrang herrschte, stiegen die Liftbenutzer selbstständig in den Lift ein.

Als die Klägerin und ihr Lebensgefährte den Lift bestiegen, herrschten aufgrund von Nebel und leichtem Schneefall schlechte Sichtverhältnisse. Die Sichtweite betrug ca 20 bis 30 m; für auffahrende Liftbenutzer war innerhalb dieser Sichtstrecke jeweils freie Sicht auf die vor ihnen liegende Liftspur gegeben.

Die Klägerin und ihr Lebensgefährte stiegen in den Schlepplift gemeinsam ein, die Klägerin trug einen Rucksack. Sie ordnete sich im Einstiegsbereich links ein. Bei beiden war jeweils der linke Fuß in der vorderen Snowboard-Bindung fixiert, während der jeweils rechte Fuß außerhalb der Bindung am Snowboard platziert war. Beim Auffahren zeigten die linken Schultern beider Fahrer bergwärts nach oben, die Klägerin befand sich somit im Rücken ihres Lebensgefährten. Den Liftbügel hatte ihr Lebensgefährte an ihrer linken, talseitigen Hüfte platziert. Beim Einsteigen in den Lift und Losfahren kam es zu keinen fahrtechnischen Problemen. 194 m nach der Talstation und ca 45 m unterhalb der Liftstütze 7 kam der Lebensgefährte eigenverschuldet und unbeabsichtigt zu Sturz.

Bei Platzierung des Bügels an der talseitigen Hüfte ist ein sorgfältiges und sicheres Auffahren nur gewährleistet, wenn die jeweils vordere Hand des Snowboarders stets das Bügelgestänge umfasst, während die zweite Hand stets den Bügel selbst festhält. Diese Verhaltensweise verhindert, dass der Bügel seitlich wegrutscht oder/und im Falle der Positionierung des Bügels an der Hüfte sukzessive am Körper nach oben wandert.

Die Klägerin hatte den Liftbügel spätestens beim Sturz des Lebensgefährten nicht auf diese Weise festgehalten. Spätestens während des Sturzes des Lebensgefährten rutschte der Bügel deshalb bei der Klägerin nach oben oder/und seitlich etwas weg. Der Endbereich des Bügels verfing sich dadurch im Tragegurt ihres Rucksacks. Zunächst fuhr die Klägerin in dieser Position auf dem Snowboard noch aufrecht bergwärts und passierte die Stütze 7. Aufgrund der Verhakung von Bügel und Rucksack und der Zugkraft des Schleppseils kam die Klägerin kurz nach Liftstütze 7 zu Sturz. Da sich die Verhakung auch bei dem Sturz nicht löste, wurde die Klägerin über eine Strecke von ca 175 m und für eine Zeitdauer von ca 62 Sekunden vom Bügel mitgeschleppt; dadurch wurde sie am Hals stranguliert. Letztlich löste sich ihr Rucksack vom Liftbügel, sodass die Klägerin etwa 20 m oberhalb der Liftstütze 8 liegen blieb.

Hätte die Klägerin während der gesamten Auffahrt mit dem Schlepplift mit der linken Hand das Bügelgestänge umfasst und mit der rechten Hand den Bügel selbst festgehalten, hätte er sich nicht mit einem Gurt ihres Rucksacks verfangen können und die Klägerin wäre nicht aufgrund dieser Verhakung mitgeschleift worden. Durch die richtige Bügelhaltung wären daher der tatsächlich eingetretene Unfallverlauf und die damit einhergehenden Unfallfolgen vermeidbar gewesen.

Aufgrund der Sichtweite von 20 bis 30 m zum Unfallzeitpunkt waren der Sturzbereich und die Endlagestelle der Klägerin für den Liftbediensteten an der Talstation nicht sichtbar. Bei durchschnittlich guten Sichtverhältnissen besteht von der Talstation aus bis zur Liftstütze 8 Sicht. Der Liftbereich oberhalb der Stütze 8 ist aufgrund der Geländeübergänge weder vom Führerstand der Bergstation noch von jenem der Talstation aus zu sehen. Von der Bergstation aus sind auch die Sturzstellen beider Snowboarder aufgrund der unterhalb der Bergstation befindlichen Geländekuppe nicht einsehbar.

Bei der Klägerin liegt ein Zustand nach Strangulationsverletzung mit Herzkreislaufstillstand und cardiopulmonaler Reanimation sowie nachfolgendem invasivem Cooling (33° Celsius) für 12 Stunden vor. Unfallbedingt blieb bei der Klägerin ein geringgradig ausgeprägtes organisches Psychosyndrom als Endzustand zurück, das zu einer allgemeinen Verlangsamung führte. Die Klägerin fühlt sich subjektiv oft müde und wenig leistungsfähig. Sie benötigt bei der Verrichtung täglicher Arbeiten insgesamt 20 bis 30 % länger als vor dem Unfall.

Nach mehreren Änderungen des Klagebegehrens begehrte die Klägerin zuletzt Zahlung von 33.348,06 EUR sA (Schmerzengeld, Entschädigung für die Einschränkung der Haushaltstätigkeit, Pflegeaufwand ua; im Revisionsverfahren ist die Schadenshöhe von insgesamt 18.899,50 EUR nicht mehr strittig) sowie die Feststellung, dass die Beklagten ihr für alle Spät‑ und Folgeschäden zur ungeteilten Hand haften, die als Folge des Liftunfalls zukünftig eintreten. Sie stützt die Haftung der Beklagten sowohl auf eine Verletzung der aus dem Beförderungsvertrag resultierenden Verpflichtungen (Inbetriebnahme des Lifts trotz eingeschränkter Sichtbedingungen, fehlende Überwachung der Liftstrecke) als auch auf die Bestimmungen des EKHG.

Die Beklagten wendeten ein, die Witterung am Unfallstag habe einen Liftbetrieb zugelassen. Eine permanente Überwachung der gesamten Liftstrecke sei weder erforderlich noch möglich. Die Klägerin treffe das Alleinverschulden an dem Unfall. Der am Unfalltag eingesetzte Liftbedienstete habe den Unfall trotz Einhaltung äußerster Vorsicht nicht verhindern können. Auch eine Haftung nach EKHG scheide daher aus.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege kein sorgfaltswidriges Verhalten der Beklagten vor, auch nicht deshalb, weil der Lift trotz schlechten Wetterverhältnissen in Betrieb gewesen sei. Derartiges sei nur in Bezug auf eine besonders steile Lifttrasse ausgesprochen worden. Da hier die Sturzstelle nicht besonders gefährlich gewesen sei und nur an Tagen mit starkem Nebel nicht eingesehen werden könne, überspanne eine Verpflichtung des Liftbetreibers, für eine ständige Überwachung zu sorgen, den zumutbaren Sorgfaltsmaßstab.

Das Berufungsgericht ging in Abänderung dieser Entscheidung von einer Haftungsteilung 1 : 1 aus. Es verneinte das Vorliegen einer vertraglichen Pflichtverletzung. Den Beklagten sei allerdings der Entlastungsbeweis nicht gelungen, weil der Unfall unmittelbar auf eine durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten, nämlich des Lebensgefährten der Klägerin, ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Der Klägerin sei ein Mitverschulden anzulasten, weil sie den Bügel nicht richtig gehalten habe. Der Höhe nach stehe der Klägerin ein Schadenersatzanspruch von 18.999,50 EUR – und unter Berücksichtigung ihres Mithaftungsanteils von 50 % daher ein Betrag von 9.449,75 EUR – sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für 50 % allfälliger zukünftiger Folgen des Unfalls zu.

Gegen dieses Urteil richten sich die außerordentlichen Revisionen aller Parteien .

Die Klägerin strebt unter Ausschaltung ihres Mitverschuldens den Zuspruch von insgesamt 18.899,50 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftigen Unfallfolgen an, wobei sie in ihrem Abänderungsantrag ausdrücklich auf die Einschränkung durch die Haftungsbegrenzung gemäß §§ 15, 16 EKHG Bezug nimmt. Das Berufungsurteil ist somit im Umfang der Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 14.448,56 EUR sowie im Umfang der Abweisung des auf eine unbeschränkte Haftung der Beklagten gerichteten Feststellungsbegehrens in Rechtskraft erwachsen.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revision die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wenden sich gegen die Annahme, dass der Sturz des Lebensgefährten zu einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr geführt habe. Für diese „Ausnahme von der Ausnahme“ in § 9 Abs 2 EKHG sei überdies die Klägerin beweispflichtig. Auch sei die Judikatur zur außergewöhnlichen Betriebsgefahr bei Schleppliften uneinheitlich und der Sturz des Lebensgefährten zu Unrecht als kausal für jenen der Klägerin gewertet worden. Insoweit sei das Berufungsgericht überdies von der Rechtsprechung zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs abgewichen, weil die Klägerin nach dem Sturz ihres Lebensgefährten noch bis nach der nächsten Liftstütze aufrecht weitergefahren und erst dann zu Sturz gekommen sei. Letztlich sei die Frage zu klären, inwiefern ein Ehepaar eine Risikogemeinschaft bilde.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Streiteile jeweils, die Revision der Gegenseite als nicht zulässig zurückzuweisen; in eventu, ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig , weil sich die Auffassung des Berufungsgerichts zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr ebenso als korrekturbedürftig erweist wie seine Beurteilung, dass vertragliche Pflichten nicht verletzt worden seien.

Die Revision der Beklagten ist nicht, jene der Klägerin ist teilweise berechtigt.

I. Zur Revision der Beklagten:

Den Revisionswerbern ist darin zuzustimmen, dass aus den Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Klägerin spätestens beim Sturz ihres Lebensgefährten den Bügel des Schlepplifts nicht in der festgestellten, korrekten Weise festhielt, und dass spätestens während dessen Sturzes aus dem Lift der Bügel deshalb bei der Klägerin nach oben und/oder seitlich etwas wegrutschte, nicht der Schluss gezogen werden kann, dass der Sturz des Lebensgefährten Ursache für das Verrutschen des Bügels war. „Deshalb“ bezieht sich hier vielmehr ganz augenscheinlich auf das unkorrekte Festhalten des Bügels. Aus dem Sturz des Lebensgefährten kann daher auch keine ursächliche außergewöhnliche Betriebsgefahr – und damit eine Haftung der Beklagten aus diesem Grund – abgleitet werden.

Damit ist allerdings für die Beklagten nichts gewonnen, wie bei der Behandlung der Revision der Klägerin darzustellen sein wird.

II. Zur Revision der Klägerin:

1. Verhaltenspflichten für Schifahrer – wie zB die FIS‑Regeln – sind eine Zusammenfassung von Sorgfaltspflichten, denen – unabhängig davon, welche Sprachversion man heranzieht – kein Charakter einer Rechtsnorm zukommt (RIS‑Justiz RS0023793). Eine Haftung der Beklagten kann daher entgegen der in der Revision der Klägerin vertretenen Auffassung nicht unmittelbar darauf gestützt werden.

2. Allerdings beruft sich die Klägerin zutreffend darauf, dass aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Beförderungsvertrag die Pflicht des Liftbetreibers resultiert, alles Mögliche und Zumutbare dafür vorzukehren, dass das körperliche Wohlbefinden der Beförderten nicht verletzt und Gefahren von ihnen abgewendet würden.

2.1. Nach der Rechtsprechung haften Liftunternehmer aus dem Beförderungsvertrag für Verletzung der ihnen nach der Betriebsvorschrift auferlegten Verpflichtungen, zB dafür, durch Ein- bzw Ausstiegshelfer für eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs zu achten, oder dafür, die Berg- und Talstationen der Lifte ständig besetzt zu halten (RIS‑Justiz RS0023706; 8 Ob 159/81 = RS0023706 [T2]). Zu den Pflichten der Schleppliftunternehmer gehört es, die den Schifahrern entgeltlich zur Benützung zur Verfügung gestellte Schleppliftanlage in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten. Die dabei gestellten Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Zur Abwendung des Schadens müssen daher nur jene Vorkehrungen getroffen werden, die vernünftigerweise nach Lage der Umstände und Auffassung des Verkehrs zu gewärtigen sind (RIS‑Justiz RS0023836). Diese Anforderungen können sich auch aus dem Beförderungsvertrag bzw den diesem zugrundeliegenden Betriebsvorschriften des Liftunternehmers ergeben, weil die Betriebsvorschriften Bestandteil des Beföderungsvertrags sind (RIS‑Justiz RS0023697; RS0023706).

2.2. Es ist daher zu prüfen, ob aus dem abgeschlossenen Beförderungsvertrag eine Pflicht der Beklagten zur Beobachtung der gesamten Trasse bzw eine Pflicht zur Einstellung des Liftbetriebs mangels Sicht auf diese abzuleiten ist.

Nun hat nach der Betriebsvorschrift der Beklagten das Bedienungspersonal, soweit ihm das möglich ist, die Strecke zu beobachten. Nach Betriebsvorschrift 5.09 ist bei Dunkelheit oder Sichtverhältnissen, die einen ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr gewährleisten, der Betrieb einzustellen. Bei Beurteilung der Frage, was unter Sichtverhältnissen, die einen ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr gewährleisten, zu verstehen ist, ist zu beachten, dass die Betriebsvorschrift sie mit Dunkelheit gleichsetzt, also einem Zustand, in dem es ebenfalls an der Sicht auf die Lifttrasse fehlt. Weiters ist bei Gefahr im Verzug, wozu nach Betriebsvorschrift 5.05 auch ein gestürzter Fahrgast zählt, der sich nicht rechtzeitig vom Bügel lösen kann, und bei auf die Schleppspur gestürzten Fahrgästen bei Eigen- oder Fremdgefährdung (der nachkommenden Liftbenutzer) die Anlage sofort abzustellen.

Diesen Anforderungen der Betriebsvorschrift kann aber nicht nur bei Dunkelheit, sondern auch dann nicht nachgekommen werden, wenn bei entsprechend schlechten Witterungsverhältnissen, wie zB Nebel, die mangelnde Sicht auf die Lifttrasse nicht anderwärtig ausgeglichen und dafür gesorgt wird, dass das Liftpersonal bei Gefahr im Verzug umgehend reagieren kann.

Ziehen daher nicht nur, wie in dem der Entscheidung 8 Ob 48/86 zugrunde liegenden Sachverhalt, Nebelschwaden durch, sodass eine (sofortige) Einstellung des Liftbetriebs schon deshalb untunlich ist, weil bei Einfall der Schwaden, also bei Beginn der Sichtbehinderung, noch Fahrgäste den Lift benützen, sondern besteht Nebel mit einer Sichtweite von nur 20 bis 30 m, kann ein ordnungsgemäßer Betrieb im Sinne der dargestellten Regelungen der Betriebsvorschrift für den hier zu beurteilenden Schlepplift allein durch Besetzung seiner Tal‑ und Bergstation nicht gewährleistet werden. Wäre aber der Liftbetrieb wegen der Sichtverhältnisse eingestellt worden, hätte sich der Unfall nicht ereignet.

Es ist daher von einer Haftung der Erstbeklagten für die Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin auszugehen. Die Haftung der Zweitbeklagten folgt aus ihrer Rechtsstellung als Komplementärin der Erstbeklagten.

3. Was nun die Frage des Mitverschuldens der Klägerin betrifft, muss sich nach der Rechtsprechung ein Schifahrer in einem für die Beförderung tauglichen körperlichen und geistigen Zustand befinden, über das für die Benutzung des Schlepplifts erforderliche schifahrerische Können und die entsprechende Ausrüstung verfügen und darf während der Beförderung nichts unternehmen, wodurch er sich oder andere gefährden könnte (4 Ob 593/79, ZVR 1980/321 = RIS‑Justiz RS0021794; 8 Ob 48/86 – „Mindestgeschicklichkeit“).

Diesen Anforderungen hat die Klägerin hier nicht entsprochen, weil sie den Bügel des Schlepplifts nicht ordnungsgemäß gehalten und damit sein „Hochrutschen“ ermöglicht hat. Diese Sorglosigkeit in eigenen Dingen ist im Verhältnis zur vertraglichen Haftung des Beklagten mit einem Viertel zu bewerten.

4. Der Revision der Klägerin ist daher teilweise Folge zu geben. Der Höhe nach ist das Zahlungsbegehren der Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr strittig: Sie bekämpfte die Auffassung des Berufungsgerichts über die Höhe des eingetretenen Schadens (18.899,50 EUR) nicht.

Die Aufhebung der Kostenentscheidung beruht auf einer sinngemäßen Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO (RIS‑Justiz RS0124588; hier: mehrere Verfahrensabschnitte mit unterschiedlichen Streitwerten und Erfolgsquoten, Bestreitung etlicher Positionen in den Einwendungen der Beklagten gegen das Kostenverzeichnis).

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