OGH 15Os96/17g

OGH15Os96/17g19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman A***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 16. Mai 2017, GZ 39 Hv 6/17h‑37, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00096.17G.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch eine nicht in Beschlussform gesondert ausgefertigte (s aber RIS‑Justiz RS0101841 [T1], RS0120887 [T2, T3]) Anordnung von Bewährungshilfe enthält, wurde Roman A***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I.) sowie der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 2 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er von 31. Oktober bis 18. November 2013 im türkisch‑syrischen Grenzgebiet

I. sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 278 Abs 3 StGB), indem er in ein Ausbildungslager der Gruppierung Junud ash‑Sham reiste und sich dort einer im Urteil näher beschriebenen (US 3 f) terroristischen Ausbildung unterzog;

II. sich an der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoffen, Schuss‑ oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso schädlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen lassen, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er nach seiner Ankunft in dem zu I. genannten Ausbildungslager eine Kampf‑ und Waffenausbildung absolvierte, wobei er insbesondere im Gebrauch von Sturmgewehren des Typs AK47 geschult wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche ihr Ziel verfehlt.

Die Mängelrüge behauptet, das Schöffengericht hätte zu seinem Ausspruch über die entscheidenden Tatsachen keine Beweise oder „stichhaltige“ Begründung angeführt, sondern sich bloß auf „Mutmaßungen und Vermutungen“ gestützt (Z 5 vierter Fall). Sie erweist sich jedoch als prozessordnungswidrig ausgeführt, weil sie nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370). Demnach gründeten die Tatrichter die Konstatierungen betreffend den objektiven Geschehensablauf auf die Angaben des Angeklagten bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren vom 27. September 2016 sowie auf sichergestellte Lichtbilder (US 6 f) und leiteten die Feststellungen zur inneren Tatseite aus einer lebensnahen Betrachtung des äußeren Sachverhalts ab (US 10), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS‑Justiz RS0116882).

Indem die Mängelrüge weiters ausführt, die Feststellungen wären „mit dem Akteninhalt nicht in Einklang zu bringen“, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt. Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) läge nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergäbe (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]).

Dass der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung leugnend verantwortete, ließen die Tatrichter entgegen dem Vorwurf der Nichtigkeitsbeschwerde nicht unberücksichtigt (US 7 f; Z 5 zweiter Fall).

Weshalb eine Feststellung erforderlich wäre, ob der Angeklagte „überhaupt in Syrien war oder sich nur im Grenzgebiet von Syrien aufgehalten hat“ (nominell Z 5, inhaltlich Z 9 lit a), wird nicht klar.

Zur objektiven Tatseite traf das Erstgericht unter anderem folgende Feststellungen: Der Angeklagte begab sich zur angeführten Zeit in ein von Junud ash‑Sham betriebenes Ausbildungscamp im türkisch‑syrischen Grenzgebiet. Dort erhielt er von einem „Zuständigen“ die Waffe AK47 mit einem Magazin mit 30 Patronen. Danach ging er gemeinsam mit einem Ausbildner zum Schießen. Dieser trug dem Angeklagten auf, er solle zunächst mit Einzelfeuer schießen, um zu spüren, wie sich die Waffe anfühle. Zum Zweck der Zielübung wurde etwas entfernt ein Stein hingelegt, auf welchen der Angeklagte dann zielte. Nach dieser Schießübung wurde der Angeklagte von Umar M***** besucht, welcher ihm erklärte, der Angeklagte werde bald zu ihm kommen, womit er meinte, dass dann dessen Ausbildung vorbei wäre. Der Angeklagte blieb zwischen neun und zwölf Tage im Camp und wurde dort im Umgang mit dem Maschinengewehr geschult und erhielt auch eine eigene Waffe (US 3 f).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ausführt, „das kurzfristige einmalige Schießen auf einen Stein, wonach damit die Ausbildung auch schon vorbei war“, könne nicht als terroristische Ausbildung gesehen werden, weshalb weder der Tatbestand der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB noch jener der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 2 StGB erfüllt wäre, orientiert sie sich nicht am wiedergegebenen Sachverhalt und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Sie lässt außerdem die Feststellungen zur Zielrichtung der Gruppierung Junud ash‑Sham (US 4 f) sowie die Konstatierung außer Acht, wonach sich der Angeklagte durch seine Anreise zu dem Ausbildungslager als Mitglied an der terroristischen Vereinigung beteiligen wollte und sich dort im Gebrauch von Schusswaffen unterweisen ließ, wobei es ihm darauf ankam, im Anschluss die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Begehung terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) einzusetzen (US 5).

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde darauf verweist, dass der Angeklagte an keinerlei Kampfhandlungen teilgenommen hat (US 3), erklärt sie nicht, weshalb dies für eine Subsumtion unter § 278b Abs 2 und § 278e Abs 2 StGB erforderlich sein sollte und bleibt damit die methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz schuldig (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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