OGH 23Ds5/17p

OGH23Ds5/17p28.8.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Konzett und Mag. Brunar sowie die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Kalivoda in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über dessen Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg vom (richtig:) 16. Jänner 2017, GZ D 8/16‑13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, MMag. Jenichl, des Kammeranwalts Dr. Müller, des Beschuldigten und seines Verteidigers Prof. Dr. Wennig zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0230DS00005.17P.0828.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte – soweit hier von Bedeutung – der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt.

Demnach hat er dadurch, dass der in seiner Filialkanzlei in ***** tätige und seiner Ausbildung unterstehende Rechtsanwaltsanwärter ***** unter seiner Verantwortung, mit seinem Wissen und seiner Zustimmung am 4. September 2014 für seinen Mandanten Thomas W***** ein mit 21. August 2014 datiertes Schreiben mit dem Inhalt, dass die A***** AG aufgefordert wird, die Klage unter Anspruchsverzicht zurückzuziehen und die Vertretungskosten der Kanzlei des Beschuldigten zu übernehmen, widrigenfalls die Medien über jeden Schritt unterrichtet werden, wobei mehrere Medienvertreter hohes Interesse am Fortgang des Prozesses hätten und sich der Beschuldigte sicher sei, dass das nicht im Interesse der A***** AG sei, an deren Rechtsvertreter gesendet hat, gegen die Bestimmungen der § 9 Abs 1 RAO und § 2 RL‑BA 1977 verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zuwider verfiel der Antrag auf Vernehmung der Zeuginnen Tanja T***** und Marlene Te***** zum Beweis dafür, dass das Schreiben vom 21. August 2014 vom Beschuldigten weder unterfertigt noch beauftragt noch freigegeben wurde noch sonst wie vom Beschuldigten in den Raum gestellt wurde, man könne „ein solches Schreiben machen“, wie auch zum Beweis dafür, dass der damalige Konzipient ***** keine Legitimation hatte, Schreiben welcher Art auch immer selbst zu unterfertigen, und dieser angewiesen war, von ihm konzipierte Schreiben zur Unterfertigung entweder dem Beschuldigten oder dem Niederlassungsleiter Mag. Z***** vorzulegen (ON 9 S 339), zu Recht der Abweisung. Denn dem betreffenden Beweisantrag fehlt es an einer Angabe, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die genannten Zeuginnen über Wahrnehmungen zu den angeführten Umständen verfügen und die Durchführung des begehrten Beweises demnach das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben solle (RIS‑Justiz RS0099453). Auf die in der Berufung enthaltenen – unzulässigen – Nachträge zur Antragsfundierung einzugehen, erübrigt sich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Durch die Rüge der Abweisung des bloß auf den Nachweis eines bestimmten Nachtatverhaltens – somit (allenfalls) einer Strafzumessungstatsache – abzielenden Beweisantrags auf Vernehmung der Richterin Dr. Karin G***** und weiterer Personen zum Beweis dafür, dass sich der Beschuldigte in einer öffentlichen Verhandlung vor dem Landesgericht Linz vor ca 20 Prozessbeobachtern für den Fall, dass ein derartiges Schreiben – wie von Dr. S***** behauptet – abgefertigt wurde, öffentlich entschuldigt habe (ON 9 S 341), wird der Nichtigkeitsgrund der Z 4 nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099342 [T10], RS0099473).

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Feststellungen des Disziplinarrats, insbesondere jener, dass ***** das in Rede stehende Schreiben inhaltlich mit dem Beschuldigten besprochen und dieser mit dem Inhalt einverstanden war (ES 10), und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung (RIS‑Justiz RS0099810). Im Übrigen setzt das begehrte Vorgehen nach § 3 DSt ein – mit Blick auf den vom Disziplinarrat festgestellten Sorgfaltsverstoß (ES 10 f) hier nicht vorliegendes – im Vergleich zu den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung deutlich abfallendes Gewicht der Pflichtverletzung voraus (RIS‑Justiz RS0056585) und scheidet daher fallbezogen aus (vgl auch RIS‑Justiz RS0113415, RS0072439).

Im Gegenteil: Das Drohen mit massiver Einschaltung (vorgeblich bereits interessierter) Medien mit der Forderung, die Klage zurückzuziehen und vollen Kostenersatz zu leisten in einem Stadium, in dem die Verhandlung bereits geschlossen war und die Richterin signalisierte, dass es um den Prozessstandpunkt des Beschuldigten nicht gut bestellt war (ES 10), stellt ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar, welches auch ohne besondere Publizität die Annahme des Disziplinarvergehens der Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes rechtfertigt (vgl Feil/Wennig, AnwR8 § 1 DSt, S 859). Dies unabhängig davon, ob das Schreiben von Rechtsanwaltsanwärter ***** nach Akkordierung mit dem Beschuldigten versendet, oder wie noch im Einleitungsbeschluss (ON 6) angeführt, vom Beschuldigten selbst abgesendet wurde. Diesbezüglich liegt jedenfalls ein identer Lebenssachverhalt vor; von einer „Überschreitung der Anklage“ kann keine Rede sein.

Auch die ausführlichen Darlegungen der Schuldberufung gehen fehl, weil der Disziplinarrat, der sich im Rahmen der Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den beteiligten Personen verschaffen konnte, unter Würdigung der wesentlichen Beweisergebnisse nachvollziehbar und lebensnah dargestellt hat, wie er zu seinen Feststellungen gelangte und aus welchen Gründen er der leugnenden Verantwortung des Beschuldigten keinen Glauben schenkte (ES 11 ff). Im Übrigen gründete der Disziplinarrat seine Feststellungen nicht nur auf die – unbedenklich – als glaubwürdig erachteten Angaben des *****, sondern auch auf die Reaktionen und das Nachtatverhalten des Beschuldigten (ES 12). Durch die isolierte Hervorhebung von einzelnen Passagen der Aussage des genannten Zeugen und der Vernachlässigung seiner weiteren, dem Berufungsstandpunkt zuwiderlaufenden Angaben („das Schreiben habe ich inhaltlich mit dem Disziplinarbeschuldigten besprochen“. „Die einzelnen Punkte habe ich jedenfalls mit ihm besprochen“ (ON 12 S 435 ff) gelingt es dem Beschuldigten nicht, Bedenken an der Richtigkeit der Konstatierungen des Disziplinarrats zu wecken.

Allfällige weit spätere Auseinandersetzungen zwischen dem Beschuldigten und ***** haben auf die Würdigung des Sachverhalts keinen Einfluss; wurde dieser doch tatnah nie beanstandet. Nachvollziehbar sind auch die Annahmen des Disziplinarrats, das vorliegende, mit „Vergleichsanbot“ titulierte Schreiben falle auch bei einer Vielzahl übermittelter Nachrichten wegen seiner Bedeutung jedenfalls auf und sei daher dem Beschuldigten zur Kenntnis gelangt. Diesem wäre es im Übrigen unbenommen geblieben, jenes auch nach Eingang beim Adressaten zu widerrufen.

Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat – zutreffend – als erschwerend eine Vorstrafe und als mildernd keinen Umstand.

Der Strafberufung zuwider stellt die Tatsache, dass der Beschuldigte das Schreiben nicht selbst verfasste, keinen Milderungsgrund dar, hat doch ein Rechtsanwalt die Tätigkeit seines Rechtsanwaltsanwärters gewissenhaft zu beaufsichtigen und war die Vorgangsweise mit jenem akkordiert.

Auch kommt die behauptete öffentliche Entschuldigung beim anzeigenden Rechtsanwalt keineswegs einem reumütigen Geständnis gleich, hat sich doch der Beschuldigte in der Verhandlung ausdrücklich für nicht schuldig bekannt (ON 9 S 319).

Auch unter Berücksichtigung, dass die Tat doch einige Zeit zurück liegt, erweist sich die im unteren Bereich des bis zu 45.000 Euro reichenden Rahmens angesiedelte Geldbuße als dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Rechtsmittelwerbers ebenso angemessen wie den Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen eines Rechtsanwalts in der Position des Beschuldigten.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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