OGH 11Os67/17p

OGH11Os67/17p8.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtshörerin cand. iur. Schwarzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jawed W***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jawed W***** und die Berufungen der Angeklagten Atiqullah N***** und Mohebullah S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. Dezember 2016, GZ 35 Hv 97/16h‑150, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00067.17P.0808.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***** wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im (W***** und N***** betreffenden) Konfiskationserkenntnis sowie im (sämtliche Angeklagte betreffenden) Verfallsausspruch, letzterer bei N***** jedoch nur hinsichtlich des 1.200 Euro übersteigenden Betrags von 610 Euro, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten W***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der beiden Mitangeklagten enthaltenden) Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Interesse – Jawed W***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, „12 StGB“ (A.), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, „12 StGB“ (B./I) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B./II) schuldig erkannt.

Danach hat er in V***** und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

A./ überwiegend im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) als Mittäter sowie als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) bestehend aus ihm selbst, Atiqullah N*****, Mohebullah S***** und weiteren Personen in wechselnder Beteiligung in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Gesamtmenge anderen im Zuge einer Vielzahl überwiegend gewinnbringender Verkaufshandlungen überlassen oder zur Überlassung beigetragen, und zwar

I./ von ca Mitte Jänner 2016 bis Ende Februar 2016 durch die Weitergabe von ca 800 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (80 Gramm reines Delta‑9‑THC) dem abgesondert verfolgten Adrian G*****;

II./ von ca März 2016 bis Ende April 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Atiqullah N***** und Mohebullah S***** weitere zumindest 4.199,4 Gramm Cannabiskraut (426,4 Gramm reines Delta‑9‑THC) an den abgesondert verfolgten Adrian G***** und an weitere, größtenteils namentlich nicht bekannte Abnehmer, wobei W***** das Suchtgift jeweils als unmittelbarer Täter weitergab, und zwar

1. von ca März 2016 bis Ende April 2016 zumindest 3.996 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (399,6 Gramm reines Delta-9-THC),

2. am 1. Mai 2016 203,4 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von 13,2 % Delta‑9‑THC (26,8 Gramm [reines] Delta-9-THC);

III./ von ca März 2016 bis Ende April 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Atiqullah N***** und Mohebullah S***** weitere zumindest 5.000 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (500 Gramm reines Delta-9-THC) an weitere bislang nicht näher bekannte Abnehmer;

B./ erworben und besessen, und zwar

I./ am 3. Mai 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Atiqullah N***** und Mohebullah S***** 94 Gramm Cannabiskraut zum überwiegend gewinnbringenden Verkauf;

II./ von zumindest Anfang des Jahres 2015 bis 3. Mai 2016 wiederholt jeweils geringe Mengen Cannabiskraut zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W*****.

Rechtliche Beurteilung

Die nicht zwischen den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen der Z 5 und der Z 5a unterscheidende (RIS‑Justiz RS0115902, RS0100183) Rüge zeigt weder einen Begründungsmangel (Z 5) noch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) auf, sondern übt – nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung – bloß Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Mit dem Hinweis auf die – von den Tatrichtern ohnehin berücksichtigte (US 12) – Verantwortung in der Hauptverhandlung (ON 149 S 5), W***** habe nicht gewusst, dass es sich bei Cannabisprodukten um (in Österreich) verbotene Substanzen handelt, gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0119583).

Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zur Kenntnis von der Qualität des überlassenen Suchtgifts aus dem entsprechenden Eigenkonsum (US 13) nicht zu beanstanden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – zum Großteil in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – von nicht geltend gemachter Nichtigkeit hinsichtlich der Aussprüche über die Konfiskation und den Verfall (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind (unter anderem) vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in dessen (Allein‑)Eigentum stehen. Feststellungen zu diesen Voraussetzungen wurden vom Erstgericht nicht getroffen. Dies war von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der betreffenden Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO zugunsten der Angeklagten verwehrt ist (vgl RIS‑Justiz RS0130617).

Hinsichtlich des Verfalls (US 6) ist das Urteil insoweit zum Nachteil der Angeklagten mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; RIS‑Justiz RS0114233) behaftet, als es – mit Ausnahme der Konstatierungen zur Sicherstellung der erwähnten Geldsummen (US 8, 10) und der Feststellung, dass N***** für seine Dienste von den Mitangeklagten 1.200 Euro und das für seinen Eigenkonsum benötigte Suchtgift erhalten habe (US 10) – keine Sachverhaltsannahmen zu den Voraussetzungen der angeordneten Eigentumseingriffe (vgl § 20 StGB) enthält. Bei N***** ergibt sich aus den oben angeführten Feststellungen mit hinreichender Deutlichkeit (RIS-Justiz RS0116759), dass 1.200 Euro für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangt wurden, weshalb das Verfallserkenntnis bei ihm nur hinsichtlich des 1.200 Euro übersteigenden Betrags von 610 Euro aufzuheben war.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO ferner festzuhalten:

Entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur geht aus Sicht des Obersten Gerichtshofs der Feststellungswille der Tatrichter hinsichtlich der (zu A./) angenommenen Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG bei einer Gesamtbetrachtung der Urteilsgründe (US 2 ff, 8 ff, 13) gerade noch hinreichend deutlich hervor (RIS‑Justiz RS0117228), sodass – unter den Aspekt des § 281 Abs 1 Z 11 StPO – die aggravierende Wertung der zweifachen Qualifikation des Verbrechenstatbestands (US 14) nicht zu beanstanden ist.

Zum Mohebullah S***** betreffenden Schuldspruch B./III./ wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften „nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG“ diente der diesem Angeklagten angelastete Erwerb und Besitz geringer Mengen Cannabiskrauts dem Eigenkonsum (US 13), weshalb die vom Erstgericht (nur) bei diesem Angeklagten im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO (US 5) nicht angenommene Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG zum Tragen hätte kommen müssen (vgl US 4 f). Dieser Umstand blieb angesichts der Strafbemessung nach § 28a Abs 4 SMG ohne konkret nachteilige Auswirkung für den Angeklagten (RIS‑Justiz RS0118870), ist auf Grund dieses Hinweises aber im Rahmen der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen (abermals RIS‑Justiz RS0090885).

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht betrifft, beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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