OGH 15Os64/17a

OGH15Os64/17a19.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Husein C***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 3. Februar 2017, GZ 14 Hv 115/16v‑106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00064.17A.0719.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Husein C***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (2./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 6. Juni 2016 in K*****

1./ seine von ihm geschiedene Ehegattin Rosanda S***** durch das gezielte Abfeuern von sechs Schüssen aus nächster Distanz in ihren Oberkörper und in ihre oberen und unteren Extremitäten mit der halbautomatischen Selbstladepistole Crvena Zastava, Modell 70, Kal 7,65 getötet;

2./ wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich die zu 1./ näher umschriebene Selbstladepistole geführt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags (ON 105 S 49 f), das Privatgutachten Dris. H***** (eines von der Verteidigung konsultierten Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie) zum Akt zu nehmen, sowie des Begehrens auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen mit Lehrbefugnis an einer in‑ oder ausländischen Universität als Obergutachter Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Die Anträge zielten darauf ab, die gutachterlichen Schlussfolgerungen der im Hauptverfahren vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr. W***** (ON 105 S 32–41; ON 40) und Mag. R***** (ON 105 S 41–48; ON 36) zu entkräften, die von einer Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt und einer tat-(mit-)bestimmenden kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, dissozialen und emotional-instabilen Anteilen und rezidivierenden depressiven Episoden sowie einer damit einhergehenden hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Gewalthandlungen bis zu Tötungsdelikten gegenüber wichtigen Bezugspersonen (Kindern, Intimpartnerinnen) ausgingen.

Da einem Privatgutachter nicht die prozessuale Stellung eines bestellten Sachverständigen (§§ 126 ff StPO) zukommt, ist die Ablehnung, dessen Gutachten (also rechtsrelevante Schlüsse; vgl § 125 Z 1 zweiter Fall StPO) zu den Akten zu nehmen, nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0097292, RS0118421; 11 Os 26/16g).

Gemäß § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist ein weiterer Sachverständiger nur dann beizuziehen, wenn der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist oder die Angaben zweier (iSv § 126 StPO bestellter) Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die hieraus gezogenen Schlüsse erheblich voneinander abweichen und sich die Bedenken nicht durch Befragung des (oder der) bestellten Experten beseitigen lassen. Erachtet das Gericht – wie hier – diese Voraussetzungen als nicht gegeben, so muss in einem auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichteten Antrag (§ 55 Abs 1 StPO) fundiert dargetan werden, warum Befund oder Gutachten aus Sicht des Antragstellers dennoch im beschriebenen Sinn mangelhaft sein oder Abweichungen im dargestellten Sinn vorliegen sollen.

Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag Mängel oder Abweichungen in Befund oder Gutachten der (gerichtlich) bestellten Experten, die auch zu Einwänden und Fragen der Verteidigung – etwa betreffend Angaben des Zeugen M***** (ON 97 S 47 ff) – in der Hauptverhandlung Stellung genommen hatten (ON 105 S 38–41 und S 47–48), nicht einmal ansatzweise behauptete, wurde sein Begehren zu Recht abgewiesen (RIS-Justiz RS0117263). Erst in der Rechtsmittelschrift vorgebrachte Ergänzungen haben außer Betracht zu bleiben (RIS‑Justiz RS0099618).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

In diesem Sinn orientiert sich die Feststellungen zur Kausalität zwischen Persönlichkeitsstörung und Anlasstat vermissende Sanktionsrüge (Z 13 erster Fall) nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte unter der dargestellten Persönlichkeitsstörung leidet, die auf Grund ihrer Ausprägung einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades entspricht, jedoch (erkennbar auf den Tatzeitpunkt bezogen) Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit vorlagen und dass weiters unter dem Einfluss dieser Abartigkeit höheren Grades weitere Gewalthandlungen und auch Tötungsdelikte zu befürchten sind (US 5). Aus einer Gesamtschau dieser Urteilspassagen sowie dem vorangestellten Absatz zu den Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB ist ein entsprechender, die erforderliche Kausalität einschließender Feststellungswille nämlich unzweifelhaft erkennbar (RIS‑Justiz RS0117228).

Schließlich wendet der Beschwerdeführer ein, das Erstgericht habe durch die erschwerende Berücksichtigung des Umstands, dass der Mord mit einer Waffe begangen wurde, gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB) verstoßen (Z 13 zweiter Fall). Dies träfe jedoch nur dann zu, wenn der Tatbestand des § 75 StGB (zur rechtsrichtigen Subsumtion) den Einsatz einer Waffe verlangen würde (RIS‑Justiz RS0130193).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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