OGH 12Os64/17d

OGH12Os64/17d13.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Adam K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Februar 2017, GZ 86 Hv 22/16h‑24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Konecny, LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Andreas Strobl,

I. zu Recht erkannt:

 

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Februar 2017, GZ 86 Hv 22/16h‑24, verletzt in seinem Schuldspruch B./ § 50 Abs 1 Z 3 WaffG.

Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch B./ wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG ersatzlos und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und die gleichzeitig gefassten Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und 4 und Abs 6 StPO aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Für das ihm zu Schuldspruch A./ weiterhin zur Last liegende Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB wird Adam K***** nach § 143 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

II. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00064.17D.0713.000

 

Spruch:

Vom Widerruf der Adam K***** mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Februar 2015, AZ 111 Hv 1/15b, sowie des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 9. November 2016, AZ 28 U 121/16a, gewährten bedingten Strafnachsichten wird abgesehen. In beiden Fällen werden die Probezeiten jeweils auf fünf Jahre verlängert.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Februar 2017, GZ 86 Hv 22/16h‑24, wurde Adam K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

A./ am 29. November 2016 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Verfügungsberechtigten des Lokals „I*****“ fremde bewegliche Sachen, und zwar etwa 500 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er Oguzhan C***** ein Messer vorhielt und ihn mit den Worten „Gib mir das Geld, sonst schlitz ich dich auf!“ zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;

B./ vom 10. bis zum 29. November 2016 eine Waffe, und zwar ein Messer mit einer ca 15 cm langen Klinge, welches er zu Selbstverteidigungszwecken anschaffte und in einer dafür vorgesehenen Halterung bei sich trug, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Nach den getroffenen Feststellungen besorgte der Angeklagte Anfang November 2016 das Messer, um es zu Selbstverteidigungszwecken einzusetzen. Er trug es in einer extra dafür vorgesehenen Halterung am Körper, bei der man einen Druckknopf öffnen musste, um das Messer herauszuziehen (US 4). Das Messer hatte eine ca 15 cm lange, auf einer Seite spitz zugeschliffene Klinge und gelangte bei der Raubtat zum Einsatz (US 3 f).

Der Schuldspruch ist aufgrund der Rückziehung (ON 35) der vom Angeklagten angemeldeten (ON 26, 27) Nichtigkeitsbeschwerde rechtskräftig; über die Berufungen der Staatsanwaltschaft (ON 30) und des Angeklagten (ON 32) hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Februar 2017, GZ 86 Hv 22/16h‑24, aus folgenden Gründen das Gesetz:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG ist zu bestrafen, wer, wenn auch nur fahrlässig, Waffen oder Munition besitzt, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.

Nach der Legaldefinition des § 1 WaffG sind Waffen Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs‑ oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen (1./) oder bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden (2./). Dieser waffenrechtliche (technische) Waffenbegriff deckt sich nicht mit dem strafrechtlichen (funktionalen) Waffenbegriff. Vom technischen Waffenbegriff sind neben allen Schusswaffen insbesondere auch Hieb‑, Stich‑ und Stoßwaffen sowie verbotene Waffen umfasst. „Gewöhnliche“ Messer mit stumpfem Rücken, wie etwa Brot‑, Tisch‑ und Küchenmesser sowie Jagd‑, Taschen‑, Pfadfinder‑ und Fahrtenmesser sind nicht als Waffen im Sinn des Waffengesetzes anzusehen, weil sie nicht ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen. Die subjektive Zweckwidmung durch den Inhaber des Gegenstands spielt dabei keine Rolle. Maßgeblich ist nur die objektive Zweckwidmung (RIS‑Justiz RS0122916). Auch die Länge und Beschaffenheit der Klinge sind ohne Bedeutung; für eine Einordnung unter § 50 Abs 1 Z 3 WaffG müssten besondere Eigenschaften festgestellt werden, die über jene eines gewöhnlichen Gebrauchsgegenstands hinausgehen (RIS‑Justiz RS0082031 [T4, T10]).

Solche besonderen Eigenschaften des Messers, die über jene eines gewöhnlichen Gebrauchsgegenstands hinausgehen, hat das Gericht nicht festgestellt. Die Beschaffenheit der für das Messer vorgesehenen Halterung spielt für diese Beurteilung hingegen keine Rolle. Die Konstatierungen vermögen die rechtliche Beurteilung nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG daher nicht zu tragen.

Entsprechende Feststellungen sind nach dem Akteninhalt auch nicht zu erwarten, weil der Angeklagte nach seinen Angaben das Messer am 30. November 2016 von einer Brücke in die Donau geworfen hat (ON 8 S 79; ON 23 S 6). Dieser Verantwortung entgegenstehende Beweismittel liegen ebenso wenig vor wie konkrete, über die im Urteil zitierten, die Eigenschaften des Messers betreffende Beschreibungen.

Da sich dieser, mit dem Verbrechen nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB infolge Verwendung des in Rede stehenden Messers anlässlich des Raubgeschehens idealkonkurrierende Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, mit dessen ersatzloser Aufhebung vorzugehen.

Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung waren als erschwerend fünf einschlägige Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, der erfolglos gebliebene Versuch der Schadensgutmachung in der Hauptverhandlung (vgl US 4 f) und die Tatsache zu werten, dass sich der Angeklagte der Polizei stellte.

Unter Berücksichtigung des Unrechts der Tat und der Schuld des Angeklagten, auch der Tatbegehung während zweier offener Probezeiten (vgl RIS‑Justiz RS0090597), war– wie bereits vom Erstgericht – mit der Verhängung einer fünfjährigen Freiheitsstrafe vorzugehen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Vorhaftanrechnung war dem Erstgericht zu überlassen.

Angesichts der erstmaligen Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe bedurfte es nicht des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht zu AZ 28 U 121/16a des Bezirksgerichts Leopoldstadt. Das Absehen vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Februar 2015, AZ 111 Hv 1/15b, gewährten bedingten Strafnachsicht blieb seitens der Staatsanwaltschaft unbekämpft.

Die noch offenen Probezeiten waren jedoch aus spezialpräventiven Gründen gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern.

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