OGH 3Ob120/17v

OGH3Ob120/17v4.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** GmbH, *****, 2. H***** Privatstiftung, *****, beide vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2017, GZ 39 R 32/17w‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00120.17V.0704.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung sind laufende Versuche des Mieters, sein Benützungsrecht auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen, als unleidliches Verhalten iSd § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG zu qualifizieren (RIS‑Justiz RS0070417; 7 Ob 624/91; 1 Ob 39/12k mwN).

Hier steht fest, dass der Beklagte einen 2,5 m² großen Raum vor den von ihm gemieteten Wohnungen, der vom allgemeinen Gangbereich durch eine versperrbare Tür abgetrennt ist, zu der nur er einen Schlüssel besitzt, als Zugang zu den Wohnungen benützt. Durch ein zwischen den Streitteilen geführtes Vorverfahren ist rechtskräftig geklärt, dass dem Beklagten an diesem Vorraum kein Mietrecht zusteht.

Die Vorinstanzen erkannten die Aufkündigung für wirksam.

In seiner außerordentlichen Revision macht der Beklagte geltend, dass

- er seine Bestandrechte „nicht ausdehne“, weil er im Vorraum keine Fahrnisse lagere, sondern den Vorraum nur bestimmungsgemäß als Zugang zu seinen Objekten und somit als allgemeinen Teil des Hauses verwende,

- er durch das Feststellungsurteil nicht verpflichtet sei, Schlüssel zur Tür auszufolgen, deren Vorhandensein den Klägerinnen bzw deren Rechtsvorgängern zuzurechnen sei,

- wichtige Interessen der Vermieterinnen nicht verletzt seien,

- eine „günstige Zukunftsprognose“ vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Beklagte mit diesem Vorbringen nicht auf:

1. Die Klägerinnen werfen dem Beklagten weder die vorangegangene Berühmung eines Rechtstitels zur Alleinbenützung des Vorraums noch die Benützung als Zugang zu seinen Objekten vor, sondern den Umstand, dass er sich trotz der rechtskräftigen Vorentscheidung beharrlich weigerte, den Aufforderungen auf Ausfolgung eines Schlüssels (unter Anbietung eines Kostenersatzes) zu entsprechen.

2. Es ist daher unerheblich, ob der Beklagte diesen Vorraum nur als Zugang oder auch zur „Lagerung“ verwendet. Maßgeblich ist vielmehr, dass er auch nach dem Zeitpunkt, als für ihn durch das rechtskräftige Feststellungsurteil ersichtlich war, dass er kein Alleinbenützungsrecht an diesen allgemeinen Teilen des Hauses hat, weiterhin nicht gewillt war, diese Alleinbenützung einzustellen.

3. Der Vorwurf, er sei durch das Feststellungsurteil nicht verpflichtet, den klagenden Vermieterinnen Schlüssel zur Tür auszufolgen, grenzt an Mutwillen; hat der Beklagte doch auf den Schlosstausch der Klägerinnen, den sie vornahmen, nachdem sie trotz zweifacher Aufforderung und Anbot eines Kostenersatzes keinen Schlüssel erhielten, mit einer Besitzstörungsklage reagiert. Das Vorbringen in der Revision erweckt somit den Eindruck, der Beklagte werde sein Alleinbenützungsrecht erst aufgeben, wenn die Klägerinnen nach dem Feststellungsurteil auch einen rechtskräftigen Leistungstitel für den Zugang erwirken.

4. Auf die in der Revision thematisierte „günstige Zukunftsprognose“ ist schon deshalb nicht einzugehen, weil der Beklagte den Klägerinnen auch bis Schluss der mündlichen Verhandlung keinen Zutritt zu dem Vorraum gewährte.

5. Eine Verletzung wichtiger Interessen des Vermieters, die die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt, liegt auch bei beharrlich vertragswidrigem Verhalten des Mieters vor, weil ein derartiges Verhalten das Vertrauen des Vermieters in die Vertragstreue erschüttert (7 Ob 2122/96a; 1 Ob 39/12k).

6. Die Bejahung der Verwirklichung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG, die nur in Fällen einer vom Obersten Gerichtshof korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung revisibel ist (RIS‑Justiz RS0042984 [T5]), ist daher jedenfalls vertretbar.

Stichworte