OGH 12Os43/17s

OGH12Os43/17s22.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Burhan B***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15 Abs 1, 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 2. Februar 2017, GZ 12 Hv 153/16w‑75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00043.17S.0622.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Rechtsmittelwerber auf die Urteilsaufhebung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Burhan B***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten Rechtsgang 12 Os 125/16y) des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15 Abs 1, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. September 2015 in L***** durch Entzünden eines Brandbeschleunigungsmittels mit einer unbekannten Zündquelle versucht, an einer fremden Sache, nämlich den Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Hauses *****, der Monika M***** ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet:

Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht ist (worauf der Oberste Gerichtshof schon im ersten Rechtsgang hingewiesen hat [siehe 12 Os 125/16y]), dass sich der Vorsatz des Täters auf alle Tatbestandsmerkmale, somit auch auf die erforderliche Gemeingefährlichkeit des Feuers bezieht (RIS-Justiz RS0094899 [insb T3], RS0094805 [T1], RS0105885, RS0094944) und sich solcherart auf die (zumindest abstrakte) Gefährdung von Leib oder Leben einer (nicht unbedingt größeren, so doch nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkten, also) unbestimmten Zahl von Menschen (Leukauf/Steininger/Tipold StGB4 § 169 Rz 5; Kienapfel/Schmoller StudB BT III² §§ 169–170 RN 11; [abstellend auf eine größere Zahl von Menschen:] Flora SbgK § 169 Rz 39; Murschetz in WK² StGB § 169 Rz 6) oder auf eine konkrete Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß (Murschetz in WK² StGB § 169 Rz 6; Flora SbgK § 169 Rz 45 f; [einschränkend:] Kienapfel/Schmoller StudB BT III² §§ 169–170 RN 12) erstreckt.

Nach den insofern maßgeblichen Urteilsfeststellungen (US 4) hielt es der Angeklagte zumindest ernsthaft für möglich und fand sich billigend damit ab, dass er durch seine Tathandlung an einer fremden Sache eine Feuersbrunst im Sinn eines – nicht bloß auf einzelne oder kleinere Objekte beschränkten, sich weiter verbreitenden und unbeherrschbaren – Brandes verursacht, welcher mit gewöhnlichen Maßnahmen nur mehr mühsam oder überhaupt nicht unter Kontrolle gebracht, sondern nur durch den Einsatz besonderer Mittel (wie der Feuerwehr) wirksam bekämpft werden hätte können und auch „geeignet war/gewesen wäre, Leib und Leben, Gesundheit und körperliche Sicherheit einer unbestimmten Anzahl von Personen (jedenfalls aber mehr als bloß einer) zu gefährden“. Diese decken zwar die Vorsätzlichkeit des Brandlegungsaktes im engeren Sinn ab, bringen aber nicht zum Ausdruck, dass sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf die Herbeiführung einer (zumindest abstrakten) Gefahr für Leib oder Leben von Menschen in unbestimmter Zahl (wie sie für die im Abschnitt über „gemeingefährliche strafbare Handlungen“ [§§ 169 ff StGB] charakteristisch ist [RIS-Justiz RS0130775, RS0092254]) oder einer konkreten Gefahr für fremdes Eigentum im großen Ausmaß (zum Begriff [seit dem BGBl I 2015/112]: Fabrizy, StGB12 § 169 Rz 8; Oberlaber, Die Wertqualifikationen des StGB, ÖJZ 2015/48, 348) bezog.

Solcherart ist auch die im zweiten Rechtsgang geschaffene Tatsachenbasis des Urteils nicht geeignet, eine rechtliche Unterstellung der Tat unter § 169 Abs 1 StGB zu tragen.

Bereits dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs (und demzufolge auch des Strafausspruchs), sodass sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen erübrigt.

Da somit über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten nicht mehr zu entscheiden war, trifft ihn auch keine Verpflichtung zum Kostenersatz.

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