European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00037.17H.0518.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. Juli 2016, GZ 7 Hv 45/16y-13, verletzt in seinem Strafausspruch § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG.
Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der Bewährungshilfe und eine Weisung anordnende Beschluss gemäß §§ 50, 51 und 52 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 27. Juli 2016, GZ 7 Hv 45/16y‑13, wurde der am 14. Mai 1995 geborene Valentin F***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (2./) schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 StGB „in Anwendung des § 19 JGG iVm § 5 Z 4 JGG“ nach § 28a Abs 4 SMG zu einer (richtig:) gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von dreißig Monaten verurteilt.
Nach dem Schuldspruch 1./ hat Valentin F*****– soweit hier von Relevanz – in G***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er im Zeitraum von Anfang 2011 bis Anfang Jänner 2016 insgesamt zirka 10.460 Gramm Cannabiskraut sowie 450 Gramm Cannabisharz jeweils mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 7 % (763,7 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz; 38,19-fache Grenzmenge) gewinnbringend an die im Urteil namentlich genannten sowie weitere unbekannte Abnehmer „im Zuge unzähliger Verkäufe“ veräußerte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war sowie die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste und er es zumindest für möglich hielt und sich damit abfand, dass in Summe das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG überschritten wurde.
Hinsichtlich des in Anwendung „des § 19 JGG iVm § 5 Z 4 JGG nach dem § 28a Abs 4 SMG“ angenommenen Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren führte das Erstgericht begründend aus, dass der Angeklagte die Tathandlungen teilweise noch als Jugendlicher begangen habe, „die das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG überschreitende Gesamtmenge des verkauften Suchtgiftes“ jedoch erst durch die als junger Erwachsener begangenen Tathandlungen erreicht wurde, sodass sich dieser nach den Bestimmungen für junge Erwachsene richte (US 7).
Gegen das vom Angeklagten unbekämpft gelassene Urteil erhob die Staatsanwaltschaft Graz zu dessen Nachteil das Rechtsmittel der Berufung, mit welcher die Anwendung des § 43 Abs 1 iVm § 43a Abs 4 StGB begehrt wurde.
Ihr gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 13. Dezember 2016, AZ 1 Bs 136/16h (ON 19), Folge und sah (lediglich) einen Teil der Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach. Das Urteil ist somit rechtskräftig.
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 27. Juli 2016, GZ 7 Hv 45/16y‑13, in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß der mit BGBl I 2015/154 neu eingeführten Z 11 des § 5 JGG richten sich die Strafdrohungen, wenn Werte oder Schadensbeträge einer Jugendstraftat mit jenen einer Straftat, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangen wurde, zusammenzurechnen (§ 29 StGB) sind, nach Z 2 bis 5 leg cit; begründet jedoch allein die Summe der Werte oder Schadensbeträge der nach dem genannten Zeitpunkt begangenen Straftaten eine höhere Strafdrohung, so ist diese maßgeblich. Diese Grundsätze sind bei der Zusammenrechnung von Mengen im Suchtmittelbereich gleichfalls anzuwenden (Schroll in WK² JGG § 5 Rz 6). Daher kommt § 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 und § 5 Z 11 JGG beim jungen Erwachsenen bei altersübergreifender Delinquenz nach § 28a Abs 1, Abs 4 Z 3 SMG erst dann zum Einsatz, wenn der nunmehr junge Erwachsene seine als Jugendlicher begonnenen Suchtmitteltransaktionen weiterhin mit Additionsvorsatz durchführt und auch in dieser Alterskategorie die herangezogene Mengenqualifikation überschreitet (Schroll in WK² JGG § 5 Rz 6/3).
Die Urteilsannahmen, wonach Valentin F***** die im Spruch genannten, insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG überschreitenden Mengen anderen im Zeitraum von Anfang 2011 bis Anfang Jänner 2016 „im Zuge unzähliger Verkäufe“ überließ (US 5 f) bzw – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – jene, wonach „die das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG überschreitende Gesamtmenge des verkauften Suchtgifts erst durch die als junger Erwachsener begangenen Tathandlungen erreicht wurde“ (US 7), vermögen die Anwendung der Strafrahmenbestimmung des § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 (in Bezug auf den Entfall des Mindestmaßes) JGG nicht zu tragen, weil sie keine Aussage dazu treffen, dass die von diesem nach Ablauf des 14. Mai 2013 als junger Erwachsener (vgl Schroll in WK² JGG § 1 Rz 1/1) begangenen Tathandlungen per se eine Überschreitung der Mengenqualifikation des § 28a Abs 1, Abs 4 Z 3 SMG bewirkt hätten (§ 5 Z 11 zweiter Halbsatz JGG). Ist dies jedoch nicht der Fall, wäre gemäß § 5 Z 4 iVm § 5 Z 11 JGG von einem Strafrahmen bis zu siebeneinhalb Jahren auszugehen (vgl Schroll in WK² JGG § 5 Rz 6/1).
Dieser – dem Verurteilten zum Nachteil gereichende und Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO begründende – Rechtsfehler mangels Feststellungen verletzt unabhängig davon, ob die verhängte Strafe die Grenzen der gesetzlichen Strafbefugnis tangiert, das Gesetz (RIS-Justiz RS0086949; Schroll in WK² JGG § 5 Rz 26).
Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, der Gesetzesverletzung – wie aus dem Spruch ersichtlich – gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen.
Zu beachten ist, dass andere als die in § 494a StPO genannten, in Zusammenhang mit einem Urteil ergehenden Beschlüsse (so etwa jene nach § 494 StPO über die Erteilung von Weisungen oder die Anordnung der Bewährungshilfe) nicht gemeinsam mit dem Urteil, sondern erforderlichenfalls (§ 86 Abs 3 StPO; vgl 12 Os 68/16s) gesondert auszufertigen sind (Schroll in WK2 StGB § 50 Rz 16, Danek, WK-StPO § 270 Rz 50).
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