European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00031.17A.0518.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Chosa G***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und Adam U***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben die Genannten am 20. September 2016 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Mag. Cafer A***** am Körper verletzt, indem Chosa G***** ihm einen wuchtigen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch Mag. Cafer A***** benommen zu Boden stürzte, und Adam U***** dem Opfer noch im Fallen einen Fußtritt gegen den Hals sowie, als das Opfer bereits am Boden lag, Fußtritte und Schläge gegen das Gesicht versetzte, wodurch Mag. Cafer A***** eine Gehirnerschütterung, einen Bruch der rechten Kieferhöhle und des rechten Jochbeins, eine Verletzung der rechten Ohrmuschel, eine Prellung des Hinterkopfes und Abschürfungen an der Nase sowie Verletzungen an mehreren Zähnen, somit eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von je mehr als 24‑tägiger Dauer erlitt, wobei Adam U***** ihm diese schwere Körperverletzung absichtlich zufügte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die aus Z 5, Z 5a und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Chosa G***** und Adam U*****.
Entgegen dem Einwand der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung zur subjektiven Tatseite, wonach es Adam U***** gerade darauf ankam, dem Opfer durch die gesetzte Tathandlung eine schwere Körperverletzung zuzufügen (US 7), haben die Tatrichter diese mängelfrei aus den – im Gegensatz zu Chosa G***** – massiveren körperlichen Einwirkungen, nämlich dem Versetzen von Tritten gegen den Gesichts‑ und Kopfbereich des bewusstlos am Boden liegenden Opfers abgeleitet (US 21). Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen ist ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt
– wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die Tatsachenrüge, die sich bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen zur Verantwortung der beiden Angeklagten, des Opfers sowie der Zeugen Mag. Alexa K*****, Raphael Z*****, Omer H*****, Enes D*****, Ayoub R*****, Yasagov K***** und Ashab C***** und dem Hinweis auf die medizinischen Unterlagen zur Verletzung des Angeklagten Adam U***** (Beilage ./A zu ON 34) unzulässig gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung richtet. Tatsachenrügen, die außerhalb der oben dargestellten Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Soweit sich die Tatsachenrüge – wie der Beschwerdeführer selbst einräumt – gegen die „Feststellungen zur Vorgeschichte zum Vorfall“ wendet, versagt sie schon mangels Bekämpfung entscheidender Tatsachen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 391).
Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) verstößt die erschwerende Berücksichtigung der besonders brutalen Vorgangsweise des Adam U*****, nämlich des Versetzens von Tritten gegen den Gesichts‑ und Kopfbereich des bereits bewusstlos am Boden liegenden Opfers (US 21), nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB), weil eine solche Vorgehensweise die Strafdrohung keineswegs bestimmt (vgl RIS‑Justiz RS0090945). Da die Brutalität bei der Tatbegehung kein Tatbestandsmerkmal betrifft, kann deren Wertung im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht begründen.
Mit dem Beschwerdevorbringen, die Begehungsart sei sowohl zur Begründung der subjektiven Tatseite als auch im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt worden, wird die Wertung von Umständen, die bereits die Strafdrohung bestimmen, als Erschwerungsgrund bei der Strafzumessung (§ 32 Abs 2 StGB), gar nicht behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die implizite Beschwerde gegen den verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (vgl RIS‑Justiz RS0101841, RS0120887 [T2 und T3]; Danek , WK‑StPO § 270 Rz 50; Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 39) Beschluss über die Erteilung einer Weisung nach § 51 Abs 3 StGB an Chosa G***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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