OGH 10ObS56/17h

OGH10ObS56/17h18.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Herbert Hubinger, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert‑Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2017, GZ 11 Rs 15/17f‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00056.17H.0518.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin erlitt am 29. 4. 2016 um 6:15 Uhr morgens als Schülerin einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule auf dem Weg zur Schule einen Verkehrsunfall. Aufgrund ihrer zu diesem Zeitpunkt gegebenen (Rest‑)Alkoholisierung von zumindest 1,03 Promille unterließ sie es im Zuge einer leichten S‑Kurve, im Linkskurvenausgang rechtzeitig gegenzulenken, sodass sie über die Sperrlinie auf die linke Fahrspur geriet. Dort kollidierte ihr PKW mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Die von der Klägerin zum Unfallzeitpunkt eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h stellt keine die Kurvengrenzgeschwindigkeit überschreitende Geschwindig-keit dar, sondern ist aufgrund des Kurvenverlaufs im oberen, noch stabil fahrbaren Bereich gelegen. Auch ein plötzlich auftretendes technisches Gebrechen war nicht unfallursächlich. Dem Unfallgegner ist kein Fahrfehler vorzuwerfen.

Mit Bescheid vom 15. 6. 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 29. 4. 2016 als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung bestehe.

Das Erstgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – insbesondere im Zusammenhang mit einem Wegunfall eines alkoholisierten Kraftfahrers – besteht kein Anspruch auf eine Leistung aus der Unfallversicherung, wenn die Alkoholisierung die rechtlich erhebliche Ursache für den Eintritt des Versicherungsfalls war (RIS‑Justiz RS0084617).

2. Eine durch Alkoholkonsum herbeigeführte Verkehrsuntüchtigkeit wird dann als rechtlich wesentliche Ursache eines Arbeitsunfalls angesehen, wenn Einflüsse der betrieblichen Tätigkeit bei der Verursachung des Unfalls so weit zurücktreten, dass diese auch nicht als wesentliche Mitursache in Frage kommen (10 ObS 2/11h, SSV‑NF 25/64).

3. War dagegen der Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss und Unfall rein zufällig und die der Alkoholisierung innewohnende Gefahr für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich, geht auch im Fall einer Alkoholisierung der Versicherungsschutz nicht verloren (10 ObS 133/98a, SSV‑NF 12/61 mwN).

4.1 Entgegen der in der Zulassungsbeschwerde vertretenen Auffassung der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen:

4.2 Anders als in dem der Entscheidung 10 ObS 52/90, SSV‑NF 4/49, zugrunde liegenden Fall steht explizit fest, dass die Alkoholisierung der Klägerin (infolge des Alkoholgenusses am Vorabend des Unfalls) und die dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit Grund des Unfalls war. Dass für den Unfall auch Gründe (mit‑)ursächlich waren, die mit der alkoholbedingten Verkehrsuntauglichkeit in keinem Zusammenhang standen, ist nicht erwiesen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Alkoholisierung sei als rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen, sodass der Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte den Charakter eines Arbeitsunfalls iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG verloren habe, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

4.3 Die Feststellungen der Vorinstanzen zum Unfallhergang und zu den Unfallursachen sind vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar. Das Vorbringen der Revisionswerberin, auf Grund des Geschehensablaufs liege lediglich ein „klassischer“ Fahrfehler und kein „typischer Alkoholunfall“ vor, weicht von diesen Feststellungen ab. Aus dem Blutalkoholwert allein kann ein individuell unterschiedlicher, von den Umständen des Einzelfalls abhängiger Zustand der den Unfall herbeiführenden Fahruntüchtigkeit, der den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit löst, nicht abgeleitet werden (10 ObS 133/98a, SSV‑NF 12/61).

Die außerordentliche Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

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