OGH 1Nc18/17p

OGH1Nc18/17p4.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der beim Landesgericht Steyr zu AZ 4 Nc 10/16v anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers P***** E*****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010NC00018.17P.0504.000

 

Spruch:

1. Der Delegierungsantrag wird, soweit er auf § 9 Abs 4 AHG gestützt wird, zurückgewiesen; im Übrigen wird er abgewiesen.

2. Zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag sowie zur Verhandlung und Entscheidung über eine allfällige Amtshaftungsklage wird das Landesgericht St. Pölten als zuständig bestimmt.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt mit seinem beim Landesgericht Steyr eingebrachten Antrag einerseits, ihm die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage zu gewähren, und andererseits die Delegierung des Verfahrens an einen Gerichtshof außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Linz. Den von ihm behaupteten Amtshaftungsanspruch stützte er darauf, dass ihm das Exekutionsgericht ungerechtfertigt und unbegründet die Vollstreckung eines ihm zustehenden Anspruchs verweigere. Zu seinem Delegierungsantrag brachte er vor, dass Richter des Erstgerichts, des Oberlandesgerichts Linz und des Bezirksgerichts Kirchdorf „involviert“ seien, die er mit dem Zusatz „unter anderem“ namentlich bezeichnete und von denen er behauptete, diese seien sämtliche als Zeugen vorgesehen. Aus Gründen der Wahrung der Rechtssicherheit sei die Verfahrensführung vor einem Gerichtshof des Oberlandesgerichtssprengels Linz nicht möglich, da die Richter des Oberlandesgerichtssprengels Linz eigene Kollegen nicht völlig unvoreingenommen behandeln und vernehmen könnten. Da grundsätzlich vorgesehen sei, als Verfahrenshelfer einen Rechtsanwalt aus dem Bundesland zu bestellen, in dem die Sache verhandelt werde, sei es erforderlich, zuerst über die Delegierung zu entscheiden.

Aufgrund eines vom Landesgericht Steyr erteilten Verbesserungsauftrags unter anderem dazu, welchen Schadenersatzanspruch er gegen die Republik erhebe, ergänzte er, es sei ihm von Organen des Landesgerichts Steyr und des Oberlandesgerichts Linz gesetzwidrig und somit schuldhaft die Einsicht in die Verfahrensakten verweigert worden, sodass er die ihm im Verfahren zu 11 Hv 69/13x des Landesgerichts Steyr rechtskräftig zuerkannte Forderung in Höhe von 1.100 EUR sA nicht habe weiter betreiben können. „Das Landesgericht Steyr“ und „das Oberlandsgericht Linz“ seien gemäß § 9 Abs 4 AHG ausgeschlossen. Seinen Antrag, auf Delegierung der Rechtssache an einen Gerichtshof außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Linz halte er daher aufrecht.

Das Landesgericht Steyr legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteidisposition entzogener Delegierung (vgl nur die Nachweise bei Schragel , AHG³ Rz 255). Ein Antragsrecht kommt den Parteien insoweit nicht zu (RIS‑Justiz RS0056449 [T27]). Ein förmlicher Delegierungsantrag einer Partei gemäß § 9 Abs 4 AHG ist daher als unzulässig zurückzuweisen (1 Ob 153/15d ua; RIS‑Justiz RS0056449 [T33] mwN).

Auch kann ein Delegierungsantrag nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden (RIS‑Justiz RS0073042; RS0114309; Schneider in Fasching/Konecny ³ § 31 JN Rz 32). Dies gilt gleichermaßen für die Delegation nach § 31 JN wie für die notwendige Delegation wegen Beschlussunfähigkeit gemäß § 30 JN (RIS‑Justiz RS0114309 [T2]). Ein Antrag auf Delegierung nach § 31 JN aus Gründen der Zweckmäßigkeit hat sich auf die Frage der Zweckmäßigkeit aus den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beschränken (RIS‑Justiz RS0046333). Solche können den Ausführungen des Antragstellers nicht entnommen werden.

2. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Delegierung von Amts wegen vor. Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung dann zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Präsidenten eines Gerichtshofs erster Instanz oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluss eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet wird, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären.

Zweck des § 9 Abs 4 AHG ist es, dass alle im Zusammenhang betroffenen Gerichte, aus deren Entscheidungen ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über diesen Anspruch (und dessen allfällige verfahrensrechtliche Voraussetzungen) ausgeschlossen sein sollen (RIS‑Justiz RS0056449). Der Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG liegt daher dann vor, wenn Richter eines Gerichtshofs über Amtshaftungsansprüche zu erkennen hätten, die ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs oder auch des im Instanzenzug übergeordneten Gerichtshofs zum Gegenstand haben (RIS‑Justiz RS0056449 [T32]).

Das ist hier der Fall, weil der Antragsteller (nach Verbesserung) auch Richtern des Oberlandesgerichts Linz ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorwirft, das den von ihm behaupteten Schaden (mit‑)verursacht haben soll.

Da der Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG auch ein der Klageführung vorangehendes Verfahrenshilfeverfahren erfasst (RIS‑Justiz RS0122241; RS0050123 [T1]; Schragel , AHG³ Rz 255), ist somit ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Linz zur Erledigung der Rechtssache als zuständig zu bestimmen.

Stichworte