European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118381
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragsteller begehren die zur Durchführung eines Kaufvertrags erforderlichen Grundbuchshandlungen. Sämtliche betroffenen Grundstücke und Einlagezahlen gehören zur KG *.
Mit Kaufvertrag vom 25. 3. 2016 erwarben die Antragsteller zu unterschiedlichen Anteilen das aus dem Grundstück 1285/1 (EZ 532) neu zu bildende Grundstück 1285/42. Gegenstand des Kaufvertrags ist auch die Einräumung eines Geh‑, Fahr‑ und Leitungsrechts an dem zweiten aus dem Grundstück 1285/1 neu zu bildenden Grundstück 1285/22.
Die Einschreiterin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 469 mit dem Grundstück 1285/29. Im A2‑Blatt dieser Liegenschaft war zum Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuchs für das Grundstück 1285/29 die Grunddienstbarkeit des Gehens und Fahrens (unter anderem) an dem Grundstück 1285/1 ersichtlich gemacht.
Das Erstgericht bewilligte mit den von der Einschreiterin angefochtenen Punkten 8 bis 17 seiner Entscheidung
a.) in der durch Zuschreibung des Grundstücks 1285/42 neu gebildeten EZ 550 die Mitübertragung der Ersichtlichmachung einer Grunddienstbarkeit des Gehens und Fahrens an den Grundstücken 1285/4 und 1285/11 für das Grundstück 1285/42 [Punkt 8] und die Löschung dieser Ersichtlichmachung in der EZ 532 [Punkt 9],
b.) in der EZ 532 die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens und Verlegens von Versorgungsleitungen über das Grundstück 1285/22 für das Grundstück 1285/42 [Punkt 10] und die Ersichtlichmachung dieser Dienstbarkeit in der EZ 550 [Punkt 11], sowie
c.) bei den in EZ 532 einverleibten Dienstbarkeiten des Gehens und Fahrens über das Grundstück 1285/1 [Punkte 12, 14, 16] und den betreffenden Ersichtlichmachungen in den EZZ der herrschenden Grundstücke [Punkte 13, 15, 17] jeweils die Anmerkung des Grundstücks 1285/22 anstelle des Grundstücks 1285/1 als dienendes Gut.
Der von der Einschreiterin gegen diese Punkte der Entscheidung des Erstgerichts gerichtete Rekurs blieb erfolglos. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle – soweit überblickbar – eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen eine hinsichtlich eines Geh- und Fahrrechts dienstbarkeitsberechtigte Partei im Grundbuchverfahren eine unzulässige Einschränkung ihres Geh- und Fahrrechts durch neu hinzukommende Geh- und Fahrrechte geltend machen könne bzw ob sonstige Urkunden (Statuten), auf die in einem verbücherten Dienstbarkeitsvertrag verwiesen werde, grundbuchsrechtlich beachtlich seien.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs der Einschreiterin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
1.1 Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ersichtlichmachung einer Grunddienstbarkeit im A2‑Blatt des Grundbuchs der herrschenden Liegenschaft (§ 9 AllgGAG) keine materiell‑rechtliche Bedeutung hat. Diese Art der Eintragung ist – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – lediglich dazu bestimmt, eine an anderer Stelle bestehende Eintragung aufzuzeigen (5 Ob 231/16f; RIS‑Justiz RS0017905, RS0102185). Schon aus diesem Grund muss das Rechtsmittel der Einschreiterin, soweit es sich gegen die Punkte 8 und 9 richtet, mangels Eingriffs dieses Beschlussteils in ein ihr zukommendes bücherliches Recht erfolglos bleiben.
2.1 In Punkt 10 bewilligte das Erstgericht die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens sowie des Verlegens von Versorgungsleitungen über das Grundstück 1285/22 für das Grundstück 1285/42 (der neu gebildeten Liegenschaft EZ 550). Dieses mit der Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens sowie des Verlegens von Versorgungsleitungen belastete Grundstück 1285/22 soll bei dem zugunsten des im Eigentum der Einschreiterin stehenden Grundstücks 1285/29 einverleibten Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens anstelle des Grundstücks 1285/1 als dienendes Gut angemerkt werden (Punkt 14).
2.2 Aus § 486 ABGB folgt, dass der Eigentümer durch eine bestehende Dienstbarkeit nicht gehindert wird, eine mit ihr zu vereinbarende weitere Verfügung zu treffen, er an seiner Sache auch mehrere gleichartige oder ungleichartige Dienstbarkeiten bestellen kann. Zwischen Dienstbarkeits-berechtigten besteht dann im Zweifel keine Gemeinschaft, auf die die Vorschriften der §§ 825 ff ABGB analog anzuwenden wären, es liegen vielmehr mehrere selbständige, voneinander unabhängige Rechte vor (RIS‑Justiz RS0011728). Ist weder der Grundbuchseintragung noch den zugrundeliegenden Verträgen ein ausschließliches Benützungsrecht zu entnehmen, steht dem Dienstbarkeitsberechtigten also auch kein ausschließliches Recht zu. Mehrere aufgrund der Servitutsverträge Mitberechtigte dürfen die Dienstbarkeit vielmehr im Rahmen ihrer Servitutsverträge und der gesetzlichen Bestimmungen ausüben, beschränkt durch die Natur und den Zweck der Bestellung, auf die ihnen gefällige Art (vgl RIS‑Justiz RS0011728 [T3, T4], RS0011515).
2.3 Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits klargestellt, dass – diesen sachenrechtlichen Grundsätzen folgend – für die Einverleibung einer Dienstbarkeit an einer Liegenschaft, an der bereits eine bücherlich einverleibte Dienstbarkeit besteht, keine Einverleibungsbewilligung (Aufsandungserklärung) des daraus Berechtigten im Sinn des § 32 Abs 1 lit b GBG erforderlich ist, solange offenkundig ist, dass beide Dienstbarkeiten nebeneinander bestehen können und bei gesetzmäßiger Ausübung der jeweiligen Rechte keine Ausschließung des bisherigen Servitutsberechtigten an der Ausübung der Servitut zu befürchten ist (5 Ob 77/02p = NZ 2003, 186 [zust Hoyer], 5 Ob 82/08g; RIS‑Justiz RS0116401).
2.4 Die Gesuchsprüfung ist – wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt – grundsätzlich auf jene Hindernisse beschränkt, die sich aus dem Buchstand, dem Gesuchsantrag und den damit vorgelegten Urkunden ergeben (5 Ob 231/16f mwN). Wobei die Einschränkung der grundbuchsrichterlichen Kognitionsmöglichkeit und -befugnis für jeden Aspekt der Prüfung eines Eintragungsbegehrens, also auch für die Wahrnehmung von Eintragungshindernissen gilt (5 Ob 82/08g). Die hier in diesem Rahmen zu beantwortende Frage, ob Dienstbarkeiten offenkundig nebeneinander bestehen können, oder ob im Lichte des § 94 Abs 1 Z 1 und Z 3 GBG diesbezüglich Anlass zu Zweifeln besteht, ist eine typische Frage des Einzelfalls und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG dar.
2.5 Die Ansicht des Rekursgerichts, die Gesuchsprüfung würde keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Einschränkung des Dienstbarkeitsrechts der Einschreiterin ergeben, zumal ein Geh‑ und Fahrrecht mit einem Recht zur Verlegung von Versorgungsleitungen nicht unvereinbar sei, ist auch keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Ebenso wie – solange keine Ausschließlichkeit vereinbart ist – mehrere Wegerechte an dem selben Weg nebeneinander bestehen können (vgl RIS‑Justiz RS0011515), kann auch die (ungleichartige) Dienstbarkeit eines Leitungsrechts neben einem Wegerecht bestehen. Ein Geh‑ und Fahrrecht kann auch auf einem Weg ausgeübt werden, in dessen Nahebereich Versorgungsleitungen verlegt sind. Die im Revisionsrekurs angesprochene Frage der Erhaltungspflicht ist für die Beurteilung der Vereinbarkeit nicht relevant. Auch die mit der Verlegung von Versorgungsleitungen möglicherweise verbundenen zeitweiligen Beeinträchtigungen in der Benützung des Weges stehen der Annahme der Vereinbarkeit nicht entgegen. Der Dienstbarkeitsberechtigte muss sich nur jene Einschränkungen des Belasteten gefallen lassen, welche die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschweren oder gefährden (§ 484 ABGB; RIS‑Justiz RS0011740 [T2], RS0011733 [T2, T5, T7]). Bei gesetzmäßiger Ausübung der jeweiligen Rechte ist demnach nicht zu befürchten, dass die Einschreiterin an der Ausübung ihres Geh‑ und Fahrrechts gehindert ist. Entgegen der offenbar gegenteiligen Ansicht der Revisionswerberin bleibt der Verlauf des Dienstbarkeitsweges auch unverändert.
3.1 Die bewilligten Grundbuchshandlungen greifen nach dem Buchstand auch sonst nicht erkennbar in die zugunsten der Einschreiterin – ohnehin vorrangig – einverleibte Dienstbarkeit ein.
3.2 Das von der Einschreiterin reklamierte Zustimmungserfordernis der Mitglieder einer Weggemeinschaft ist dem Servitutseintrag nicht zu entnehmen. Das Grundbuchverfahren dient nicht „der Vorbeugung von Zivilverfahren“ und der Prüfung rein obligatorischer Verpflichtungen (5 Ob 231/16f).
3.3 Im Umfang der Punkte 11, 12, 13, 16 und 17 ist die von der Revisionsrekurswerberin behauptete Beeinträchtigung ihrer bücherlichen Rechte auch schon deshalb zu verneinen, weil sie laut Grundbuchstand nicht Eigentümerin der davon betroffenen herrschenden Grundstücke ist und auch nicht zu sein behauptet. Inwiefern ungeachtet fehlenden eigenen Rechts ihre Rechtssphäre durch die Änderung des dienenden Grundstücks hinsichtlich dieser anderen herrschenden Grundstücke beeinträchtigt sein soll, ist nicht ersichtlich. Für die zu den Punkten 11, 13 und 17 bewilligte Ersichtlichmachung gilt zudem wiederum, dass eine Ersichtlichmachung einer Grunddienstbarkeit im Gutsbestandsblatt der herrschenden Liegenschaft keine materiell‑rechtliche Bedeutung hat.
3.4 Hinsichtlich der das im Eigentum der Revisionsrekurswerberin stehende Grundstück 1285/29 (= EZ 469) betreffenden Punkte 14 und 15 ist dem Rekursgericht darin zuzustimmen, dass sich aus der Beschreibung des Dienstbarkeitsweges in dem der Einräumung des Wegerechts zugrunde liegenden Vertrag (samt dem diesem angeschlossenen Aufnahmeplan) in Verbindung mit dem gegenständlichen Aufnahmeplan klar ergibt, dass diese Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks 1285/29, soweit sie das Grundstück 1285/1 betrifft, räumlich ausschließlich auf Teile beschränkt ist, die auf dem neu gebildeten Grundstück 1285/22 liegen. Insoweit ergibt sich somit bereits aus dem Grundbuchstand, dass durch die Änderung der Bezeichnung des dienenden Grundstücks in das Dienstbarkeitsrecht der Revisionsrekurswerberin nicht eingegriffen wird.
4. Da die Einschreiterin somit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 GBG) nicht aufzuzeigen vermag, ist ihr Rechtsmittel unzulässig und zurückzuweisen.
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