OGH 12Os24/17x

OGH12Os24/17x6.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas C***** wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. Dezember 2015, GZ 8 U 285/15i‑13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00024.17X.0406.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. Dezember 2015, GZ 8 U 285/15i‑13, verletzt das Gesetz in § 5 Z 5 JGG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innsbruck verwiesen.

 

Gründe:

In dem zu AZ 8 U 285/15i des Bezirksgerichts Innsbruck gegen den am 23. Mai 1997 geborenen Thomas C***** geführten Strafverfahren fällte der Bezirksrichter mit Urteil vom 10. Dezember 2015 – dessen Spruch in dem nicht durch einen Vermerk ersetzten (§ 271 Abs 1a StPO) Verhandlungsprotokoll entgegen § 271 Abs 1 Z 7 StPO iVm § 447 StPO nicht mit allen in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben protokolliert wurde – einen Schuldspruch wegen „§ 27 Abs 1 Z 1 1., 2. u. 8. DF, Abs 2 SMG“ und verhängte über Thomas C***** folgende Strafe: „GS 90 TS zu je EUR 4,--, gesamt EUR 360,--, Hälfte bedingt, Probezeit 3 J“ (ON 12 S 3).

Da dieses Urteil unangefochten blieb, wurde es in gekürzter Form ausgefertigt (ON 13).

Dieser gekürzten Urteilsausfertigung zufolge wurde Thomas C***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er – zusammengefasstwiedergegeben – von Jänner 2013 bis zum 23. Mai 2015 in I***** und an anderen Orten [zum persönlichen Gebrauch; vgl RIS-Justiz RS0124624] im Urteil bezeichnetes Suchtgift erworben und besessen und einem anderen unentgeltlich überlassen.

Er wurde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 27 Abs 2 SMG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 4 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 45 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 1 StGB der Vollzug der Hälfte der Geldstrafe im Ausmaß von 45 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Strafausspruch des Urteils des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. Dezember 2015, GZ 8 U 285/15i‑13, steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.

In Hinblick darauf, dass der Tatzeitraum am 23. Mai 2015, also am 18. Geburtstag des Thomas C***** endete und der strafrechtliche Status als Jugendlicher im Sinn des § 1 Z 2 JGG bis zum dem 18. Geburtstag folgenden Tag andauert (Schroll in WK² JGG § 1 Rz 1 f, 10 f), hätten die in § 5 JGG normierten Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten (§ 1 Z 3 JGG) zur Anwendung gelangen müssen: Danach reduziert sich bei einem – wie vorliegend – alternativ mit Freiheits- oder Geldstrafe bedrohten Deliktnach § 5 Z 4 und Z 5 JGG der Strafrahmen bei beiden Sanktionsarten auf die Hälfte (Schroll in WK² JGG § 5 Rz 25).

Das Erstgericht hätte daher bei Ausmessung der Geldstrafe § 5 Z 5 JGG anzuwenden gehabt. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung verletzt das Gesetz, unabhängig davon, ob die verhängte Strafe die Grenzen der gesetzlichen Strafbefugnis tangiert (Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 26; RIS‑Justiz RS0086949).

Da sich dieser Fehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Angemerkt sei, dass im neu durchzuführenden Verfahren die hinsichtlich der Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe bestehende Divergenz zwischen der Protokollierung des verkündeten Urteils (ON 12 S 3) und dessen (gekürzter) Ausfertigung (US 2) aufzuklären sein wird. Denn sollte der Ausspruch einer die Geldstrafe im Fall ihrer Uneinbringlichkeit substituierenden Ersatzfreiheitsstrafe tatsächlich – entgegen § 19 Abs 3 StGB – unterblieben sein, so dürfte wegen des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 iVm § 292 erster Satz StPO) auch im erneuerten Verfahren keine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt werden (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 53).

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