OGH 14Os18/17d

OGH14Os18/17d4.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jabarti B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Dezember 2016, GZ 25 Hv 120/16t‑51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00018.17D.0404.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jabarti B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. August 2016 in I***** Fadumo A*****

(1) mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie von hinten mit beiden Händen würgte, ihr mit der Faust ins Gesicht schlug und mit den Knien in den Rücken trat, ihr mehrfach ankündigte sie umzubringen, sie in weiterer Folge ins Schlafzimmer zerrte, auf das Bett stieß und mit den Händen niederdrückte, ihr sodann die Hose auszog, während er sie mit einer Hand erneut am Hals würgte, ihre Beine gewaltsam auseinander drückte und mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang;

(2) im Anschluss an die zu (1) geschilderte Tat durch die Äußerung, er werde jetzt ein Messer holen und sie abstechen, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe in der Hauptverhandlung – außer dem Opfer – „keine, auch keine unmittelbaren Tat- bzw Tatortzeugen (Polizisten)“ vernommen, vielmehr nur die „Aussagen bzw Angaben in Aktenvermerken dieser Zeugen, welche die damaligen Spuren gesichert haben und bei den ersten Angaben des Opfers … unmittelbar zugegen waren, verwertet“, „ohne dass sich der Angeklagte und sein Verteidiger an einer gerichtlichen Vernehmung dieser Zeugen hätten beteiligen können“, bezeichnet die Verfahrensrüge (Z 3) einen vage angesprochenen Verstoß gegen § 252 Abs 1 oder Abs 4 StPO nicht deutlich und bestimmt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer (ebenso wie der Ankläger) dem Vortrag des gesamten Akteninhalts (§ 252 Abs 2a [iVm § 252 Abs 1 Z 4] StPO) ausdrücklich zugestimmt und einzelne wörtliche Verlesungen begehrt, die auch vorgenommen wurden (ON 50 S 15 f; vgl dazu Ratz , WK-

StPO § 281 Rz 460).

Mit der – auch inhaltlich unrichtigen – Behauptung einer Missachtung von § 252 Abs 2 StPO (weil der Angeklagte der Verlesung mangels entsprechender Deutschkenntnisse nicht habe folgen können) und Abs 3 dieser Gesetzesstelle wird eine Verletzung einer der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ aufgezählten – oder in (nach Inkrafttreten der StPO erlassenen) Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden – Bestimmungen nicht geltend gemacht (vgl RIS‑Justiz RS0099118, RS0099088, RS0098459; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 193).

Das Recht eines der Gerichtssprache unkundigen Angeklagten auf Übersetzung verlesener Aktenbestandteile und das Anhörungsrecht nach § 252 Abs 3 StPO sind vielmehr – hier (auch nach dem Beschwerdevorbringen) nicht erfolgte Antragstellung vorausgesetzt – durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützt ( Kirchbacher , WK‑StPO § 252 Rz 139, 145).

Die Beschwerdekritik (Z 4) an der Nichterledigung von einzelnen in einem Schriftsatz enthaltenen Begehren auf Durchführung von Beweisen, welche angeblich auch in der Hauptverhandlung vom 19. Dezember 2016 „angeboten“ wurden, geht gleichfalls ins Leere, weil darauf bezogene Anträge nach dem von der Rüge nicht in Zweifel gezogenen und auch keinen Bedenken des erkennenden Senats ausgesetzten Protokoll über die Hauptverhandlung in dieser nicht gestellt wurden (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 302, 312 und 333).

Dass der Schriftsatz (ON 42) vom zusammenfassenden Vortrag des Akteninhalts durch die Vorsitzende umfasst war, ändert an der fehlenden Berechtigung zur Erhebung der Verfahrensrüge nichts ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 313 mwN; vgl auch ON 50 S 16, wonach Beweisanträge nicht gestellt wurden).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass im Sinn des schriftlichen Begehrens gestellte (in der Rüge durch weitere, dem Neuerungsverbot unterliegende und damit unbeachtliche Ausführungen ergänzte; RIS-Justiz

RS0099117) Anträge nicht zielführend gewesen wären, weil das Schöffengericht die darin bezeichneten Beweisthemen zum Teil ohnehin als erwiesen ansah (US 5, 11 f; ON 42 S 7 f, 9) und die Anträge zudem insgesamt nicht erkennen ließen, weshalb die Einholung der begehrten Beweise die vom Antragsteller angestrebten Ergebnisse haben könnten (etwa jener auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Verletzungen des Tatopfers „nicht von dem von dieser Zeugin …. geschilderten angeblichen Tathergang und damit nicht vom Angeklagten stammten“ [ON 42 S 6 f]) oder inwieweit diese für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein könnten (etwa die Gründe für die im Anschluss an den Vorfall erfolgte Verbringung des Opfers in die „Psychiatrie“; ON 42 S 9).

Soweit auch die unterbliebene amtswegige Aufnahme der angesprochenen Beweise nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) kritisiert wird, legt der Beschwerdeführer nicht dar, wodurch er an einer darauf abzielenden

Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sein soll (RIS-Justiz RS0115823).

Mit dem weiteren – undifferenziert auf Z 5, 5a und 9 lit a gestützten (vgl aber RIS-Justiz RS0115902) – Vorbringen kritisiert die Beschwerde die unterbliebene Auseinandersetzung mit „zahlreichen Beweisergebnissen“, welche ihrem Standpunkt nach „für den Angeklagten sprechen“ würden (der Sache nach Z 5 zweiter Fall, nominell [verfehlt] auch Z 5 fünfter Fall; vgl dazu RIS-Justiz RS0099431 [insb T16]) und erachtet die Urteilsannahmen zu beiden Schuldsprüchen als erheblich bedenklich.

Sie beschränkt sich aber in der Folge darauf, aus der – vom Erstgericht als widerlegt angesehenen (US 8 ff) – Verantwortung des Beschwerdeführers zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, aus einzelnen Verfahrensergebnissen, die einerseits im Urteil ohnehin erörtert wurden (vgl etwa US 11 ff zu den fehlenden Kampfspuren am Tatort sowie dazu, dass das Bett nicht zerwühlt war, dass Fadumo A***** Hämatome am Hals und im Bereich des Schlüsselbeines davontrug [US 6], im Gesicht und im Genitalbereich aber keine Verletzungen aufwies und den am Tatort einschreitenden Polizeibeamten gegenüber die Vergewaltigung nicht erwähnte) oder andererseits einem §§ 201 Abs 1, 107 Abs 1 und 2 StGB subsumierbaren Geschehen nicht entgegenstehen und damit nicht erörterungsbedürftig waren (etwa solche, aus denen sich ergeben soll, dass Fadumo A***** vor dem Vorfall mit dem Angeklagten Saft trank, dass deren Strumpf- und Unterhose nicht beschädigt waren, dass ihr Schal auf der Lehne der Couch im Wohnzimmer lag, dass auf einer über das Bett gebreiteten Tagesdecke keine Spermaspuren sichergestellt wurden und ein Kopfpolster in der Mitte lag), sowie aus gänzlich ohne Aktenbezug aufgestellten, rein spekulativen Sachverhaltsannahmen für den Angeklagten günstigere Schlüsse zu ziehen als jene der Tatrichter.

Solcherart wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung und unterlässt damit eine gesetzeskonforme Darstellung sowohl der Mängel- als auch der Tatsachenrüge (vgl dazu RIS-Justiz RS0119424).

Welche „zahlreichen entscheidungserheblichen Feststellungen, die für den Angeklagten sprechen“, im Urteil fehlen sollen, sagt die Beschwerde (der Sache nach Z 9 lit a) nicht. Soweit sie zum Schuldspruch 2 Konstatierungen zu einem Motiv des Angeklagten, das Opfer zu töten, vermisst, legt sie nicht dar, aus welchem Grund solche für die vorgenommene Subsumtion nach § 107 Abs 1 und 2 StGB erforderlich sein sollten. Der Hinweis darauf, dass auch „die Anklageschrift nie in Richtung eines (vorsätzlichen) Tötungsdelikts lautete“, ist gänzlich unverständlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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