OGH 9ObA75/16v

OGH9ObA75/16v24.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn und die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Walch Zehetbauer Motter Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 109,09 EUR brutto sA, aus Anlass der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2016, GZ 9 Ra 23/16t‑11, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Oktober 2015, GZ 16 Cga 86/15f‑7 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00075.16V.0324.000

 

Spruch:

A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 1 und 2 Abs 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG , dahin auszulegen, dass es in einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem privaten Arbeitsverhältnis einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche auch der Karfreitag ein Feiertag mit einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens 24 Stunden ist und im Fall der Beschäftigung des Arbeitnehmers trotz Feiertagsruhe neben dem Anspruch auf Entgelt für die infolge des Feiertags ausgefallene Arbeit auch ein Anspruch auf das Entgelt für die geleistete Arbeit gebührt, anderen Arbeitnehmern, die diesen Kirchen nicht angehören, jedoch nicht.

2. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 2 Abs 5 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die in der 1. Frage dargelegte nationale Regelung, die – gemessen an der Gesamtzahl der Bevölkerung und der Zugehörigkeit der Mehrzahl zur römisch‑katholischen Kirche – nur einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Angehörigen bestimmter (anderer) Kirchen Rechte und Ansprüche einräumt, durch diese Richtlinie deshalb nicht berührt wird, weil es sich um eine Maßnahme handelt, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Religionsausübung, notwendig ist.

3. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die in der 1. Frage dargelegte nationale Regelung eine positive und spezifische Maßnahme zugunsten der Angehörigen der in der 1. Frage genannten Kirchen zur Gewährleistung deren völliger Gleichstellung im Berufsleben ist, um Benachteiligungen dieser Angehörigen wegen der Religion zu verhindern oder auszugleichen, wenn ihnen damit das gleiche Recht auf Religionsausübung während der Arbeitszeit an einem für diese Religion hohen Feiertag eingeräumt wird, wie es sonst für die Mehrheit der Arbeitnehmer nach einer anderen nationalen Regelung dadurch besteht, dass an den Feiertagen der Religion, zu der sich die Mehrheit der Arbeitnehmer bekennt, generell arbeitsfrei ist.

Bei Bejahung einer Diskriminierung iSd Art 2 Abs 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG :

4. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 1, Art 2 Abs 2 Buchstabe a und Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG , dahin auszulegen, dass der private Arbeitgeber, solange vom Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen wurde, allen Arbeitnehmern, ungeachtet ihrer Religionsangehörigkeit, die in der 1. Frage dargelegten Rechte und Ansprüche in Bezug auf den Karfreitag zu gewähren hat, oder hat die in der 1. Frage dargelegte nationale Regelung insgesamt unangewendet zu bleiben, sodass die in der 1. Frage dargelegten Rechte und Ansprüche am Karfreitag keinem Arbeitnehmer zuzugestehen sind.

B. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

 

Begründung:

I. Sachverhalt:

1. Der Kläger ist bei der Beklagten, einem privaten Detekteiunternehmen, beschäftigt. Nach dem nationalen Recht (Näheres siehe IV.) ist für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch‑methodistischen Kirche der Karfreitag ein „bezahlter“ Feiertag mit einer Ruhezeit von mindestens 24 Stunden. Bei dennoch erfolgter Beschäftigung an diesem Tag gebührt den Angehörigen dieser Kirchen zusätzlich ein Feiertagsentgelt. Der Kläger gehört keiner dieser Religionen an. Für die von ihm am Karfreitag, dem 3. 4. 2015, erbrachte Arbeitsleistung wurde ihm daher von der Beklagten kein Feiertagsentgelt ausbezahlt.

II. Anträge und Vorträge der Parteien:

2. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von 109,09 EUR brutto samt Anhang und bringt vor, dass auch den Arbeitnehmern, die keiner der vier genannten Kirchen angehören, ein entsprechendes Feiertagsentgelt für am Karfreitag erbrachte Arbeitsleistungen zustehe. Die gesetzliche Regelung, die einen Feiertag am Karfreitag nur für Angehörige bestimmter Kirchen vorsehe, bewirke eine Ungleichbehandlung aufgrund der Religion und der Weltanschauung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen bzw beim Entgelt. Arbeitnehmer, die diesen Kirchen nicht angehören, hätten nämlich um einen Tag pro Kalenderjahr weniger Anspruch an gesetzlich zuerkannter, bezahlter Ruhezeit.

3. Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und berief sich darauf, dass dem Kläger nach den nationalen gesetzlichen Bestimmungen kein Feiertagsentgelt zustehe. Von einer Diskriminierung sei nicht auszugehen.

III. Bisheriges Verfahren:

4. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es davon ausging, dass bei der Karfreitagsregelung eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte vorliege.

5. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass dem Klagebegehren stattgegeben wurde. Es ging davon aus, dass die innerstaatlichen Regeln, die die Ungleichbehandlung beim Karfreitag vorsehen, gegen Art 21 GRC verstießen, der unmittelbar anwendbar sei. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der Religion vor, die nicht nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sei. Der Karfreitag als Feiertag dürfe daher nicht auf bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern beschränkt werden, weshalb auch der Kläger, der am Karfreitag, dem 3. 4. 2015, gearbeitet habe, Anspruch auf Feiertagsentgelt habe.

Rechtliche Beurteilung

6. Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr über die gegen die Berufungsentscheidung erhobene Revision der Beklagten zu entscheiden, die die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils anstrebt.

IV. Rechtsgrundlagen:

Unionsrechtliche Grundlagen:

7. Die unionsrechtlichen Grundlagen dieses Vorabentscheidungsersuchens liegen insbesondere in den Art 10, 20, 21 und 22 sowie 47 Grundrechtecharta (GRC) und den Art 1, 2, 3, 7 und 17 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

Nationales Recht:

8. Arbeitsruhegesetz, BGBl 1983/144:

§ 1. (Geltungsbereich)

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Arbeitnehmer aller Art, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

(Abs 2 dieser Regelung enthält Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Gesetzes im Wesentlichen für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, leitende Angestellte und Arbeitnehmer, für die aufgrund der Art ihrer Tätigkeit Sonderregelungen bestehen.)

§ 7. (Feiertagsruhe)

(1) Der Arbeitnehmer hat an Feiertagen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden, die frühestens um 0 Uhr und spätestens um 6 Uhr des Feiertages beginnen muss.

(2) Feiertage im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

1. Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. Mai (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Mariä Himmelfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Mariä Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten), 26. (Stephanstag).

(3) Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag.

(…)

§ 9. (Entgelt für Feiertage und Ersatzruhe)

(1) Der Arbeitnehmer behält für die infolge eines Feiertages oder der Ersatzruhe (§ 6) ausgefallene Arbeit seinen Anspruch auf Entgelt.

(2) Dem Arbeitnehmer gebührt jenes Entgelt, das er erhalten hätte, wenn die Arbeit nicht aus den im Abs. 1 genannten Gründen ausgefallen wäre.

(...)

(5) Der Arbeitnehmer, der während der Feiertagsruhe beschäftigt wird, hat außer dem Entgelt nach Abs. 1 Anspruch auf das für die geleistete Arbeit gebührende Entgelt, es sei denn, es wird Zeitausgleich im Sinne des § 7 Abs. 6 vereinbart.

 

9. Gleichbehandlungsgesetz, BGBl I 2004/66:

Die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG erfolgte für die Privatwirtschaft insbesondere durch das Gleichbehandlungsgesetz. Dieses enthält ein Diskriminierungsverbot im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis unter anderem aufgrund der Religion oder Weltanschauung bei der Festsetzung des Entgelts sowie den sonstigen Arbeitsbedingungen.

V. Vorlagefragen:

Berechtigung zur Vorlage:

10. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kann mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht mehr angefochten werden (Art 267 AEUV). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat in einem Verfahren nach Art 267 AEUV das befasste nationale Gericht sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden, das Unionsrecht betreffenden Fragen zu beurteilen (EuGH 10. 6. 2010, C‑395/08b, Pettini Rn 18).

Begründung der Vorlagefragen:

Allgemeines:

11. Nach Art 21 Abs 1 GRC sind Diskriminierungen unter anderem wegen der Religion oder der Weltanschauung verboten. Dieses Verbot wird durch die Richtlinie 2000/78/EG für die Bereiche Beschäftigung und Beruf konkretisiert. Danach darf es in diesen Bereichen keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion geben.

12. Diese Richtlinie wurde in Österreich durch das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) umgesetzt. Es handelt sich dabei um eine einfachgesetzliche Norm, die anderen gleichrangigen Gesetzen wie dem Arbeitsruhegesetz (ARG) nicht derogiert.

13. Durch das ARG, das 1984 in Kraft getreten ist, sollte ein einheitliches Bundesgesetz über die wöchentliche Ruhezeit und die Arbeitsruhe an Sonn‑ und Feiertagen geschaffen werden. Von den 13 Feiertagen des § 7 Abs 2 ARG weist eine Mehrheit (11) einen christlichen, davon zwei einen ausschließlich katholischen Bezug, auf. Bei den anderen beiden handelt es sich um Feiertage ohne religiösen Bezug (1. Mai, 26. Oktober). Sämtliche dieser Feiertage nach § 7 Abs 2 ARG begründen einen Anspruch für alle Arbeitnehmer auf bezahlte Freistellung von der Arbeit unabhängig von einem Religionsbekenntnis. Die Sonderregelung für den Karfreitag als besonderen Feiertag zunächst nur für die Angehörigen evangelischer Kirchen AB und HB fand sich in dieser Form bereits im Feiertagsruhegesetz 1957 und zuvor im Generalkollektivvertrag zur Karfreitagsregelung, abgeschlossen zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund aus dem Jahr 1952. Ab 1954 wurde die Karfreitagsregelung auf die Angehörigen der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche ausgeweitet. Ziel dieser Regelung war es, den Angehörigen der vier genannten Kirchen die Religionsausübung an einem für ihre Religion besonders hohen Feiertag zu ermöglichen.

14. Nach den zuletzt veröffentlichten Daten der Statistik Austria aus dem Jahr 2001 bekannten sich ungeachtet der Staatsangehörigkeit bei einer Gesamtbevölkerung Österreichs von 8.032.926 Personen 5.915.421 Personen zur römisch‑katholischen Kirche, 376.150 Personen zu einem evangelischen (AB, HB) Religionsbekenntnis, 14.621 Personen zur altkatholischen und 1.263 Personen zur methodistischen christlichen Gemeinschaft. Der Rest der Bevölkerung bekannte sich zu sonstigen Glaubensgemeinschaften oder zu keinem Religionsbekenntnis. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Daten auch noch für die derzeit bestehenden Relationen in der Religionszugehörigkeit aussagekräftig sind.

Zur Vorlagefrage 1:

15. § 7 Abs 3 ARG räumt nur Angehörigen bestimmter Kirchen am Karfreitag einen zusätzlichen bezahlten arbeitsfreien Tag ein. Unterstellt man, dass diese Bestimmung eine weniger günstige Behandlung wegen der Religion jener Arbeitnehmer darstellt, die nicht diesen Kirchen angehören, dann kann das in einem Streit zwischen Privaten nur bei Bejahung einer unmittelbaren Wirksamkeit des Unionsrechts wahrgenommen werden, da das GlBG – wie ausgeführt – dem ARG nicht derogiert und der eindeutige Wortlaut der Bestimmung des § 7 Abs 3 ARG eine unionsrechtskonforme Auslegung im Sinne einer Ausweitung der Karfreitagsregelung auch auf Arbeitnehmer, die nicht Angehörige der vier genannten Kirchen sind, verhindern würde.

16. Zur Anwendung von Richtlinien in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten vertritt der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, sodass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (EuGH 14. 7. 1994, C‑91/92 Faccini Dori , Rn 20 ua). In den Entscheidungen Mangold (22. 11. 2005, C‑144/04, Rn 74 ff) sowie Kücükdeveci (19. 1. 2010, C‑555/07, Rn 20 ff) ging der Europäische Gerichtshof allerdings davon aus, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei, da er eine spezifische Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstelle. Es obliege daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG anhängig sei, im Rahmen seiner Zuständigkeit den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt. In der Entscheidung HK Danmark (26. 9. 2013, C‑476/11, Rn 45) legte der Europäische Gerichtshof dar, dass das Verbot jeder Diskriminierung unter anderem wegen des Alters in Art 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten sei, die seit dem 1. 12. 2009 den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge habe.

17. Obwohl über die unmittelbare Wirksamkeit des Verbots der Diskriminierung, konkretisiert durch die Richtlinie 2000/78/EG , auf Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten bislang nur in Fällen der Diskriminierung wegen des Alters entschieden wurde, geht das vorlegende Gericht davon aus, dass eine solche unmittelbare Wirksamkeit vom Europäischen Gerichtshof in gleicher Weise auch für eine Diskriminierung wegen der Religion (oder der Weltanschauung) bejaht wird.

18. Nach Art 2 Abs 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person (unter anderem) wegen der Religion in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die im vorliegenden Rechtsstreit anzuwendende nationale Bestimmung des ARG macht die Gewährung eines zusätzlichen Feiertags von der Religion des Arbeitnehmers abhängig. Personen, die keiner der im ARG genannten Kirchen angehören, haben einen bezahlten Feiertag weniger als Angehörige dieser Kirchen. Darin liegt grundsätzlich eine weniger günstige Behandlung wegen der Religion. Fraglich erscheint allerdings, ob von einer vergleichbaren Situation der Arbeitnehmer auszugehen ist. Durch § 7 Abs 3 ARG soll den Angehörigen der in dieser Bestimmung genannten Kirchen am Karfreitag die Religionsausübung ohne dem Erfordernis einer Urlaubsvereinbarung mit dem Arbeitgeber ermöglicht werden. Diese Möglichkeit haben die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche, der die Mehrzahl der Bevölkerung angehört, dadurch, dass an ihren jeweiligen religiösen Feiertagen nach § 7 Abs 2 ARG sogar sämtliche Arbeitnehmer arbeitsfrei haben. Zu bedenken ist allerdings auch, dass Arbeitnehmer, deren religiöse Bedürfnisse durch die Feiertage nach § 7 Abs 2 und 3 ARG nicht berücksichtigt sind, diese Möglichkeit für ihre jeweiligen religiösen Feiertage nach dem Gesetz nicht haben. Derartiges wird vom Kläger allerdings nicht geltend gemacht. Er behauptet auch nicht, dass seine religiösen Bedürfnisse am Karfreitag deshalb unberücksichtigt bleiben, weil er nicht den Kirchen nach § 7 Abs 3 ARG angehört. Einzelne vergleichbare Regelungen finden sich auf Kollektivvertragsebene etwa für den jüdischen Versöhnungstag (Jom Kippur) bzw den evangelischen Reformationstag in Bezug auf die Einräumung der notwendigen Freizeit zur Erfüllung der religiösen Pflicht der Angehörigen der evangelischen Kirchengemeinschaft. Ansonsten sind aber Arbeitnehmer bei Sonderbedürfnissen im Zusammenhang mit der Religionsausübung weitestgehend auf ein Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen.

19. In der juristischen Literatur in Österreich wird § 7 Abs 3 ARG unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion vorliegt, die nicht als positive Maßnahme im Sinn des Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann (vgl Mayr , Feiertage und Diskriminierung aufgrund der Religion im österreichischen Arbeitsrecht, ecolex 2004, 428; Schrank , Arbeitszeitgesetze³ § 7 ARG Rz 3; Pfeil in ZellKomm² § 8 ARG Rz 4; Wanderer , Zusätzliche Feiertage aufgrund der Religionszugehörigkeit rechtlich unhaltbar, RdW 2013/287; Rebhahn in Rebhahn , GlBG § 5 Rz 28). Andere Autoren verneinen das Vorliegen einer vergleichbaren Situation bzw gehen von einer Ausnahme nach Art 2 Abs 5 der Richtlinie 2000/78/EG oder einer positiven Maßnahme nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG aus (vgl Mazal , Gleichbehandlung: Diskriminierung oder positive Maßnahme, ZAS 2016/47; Karl , Karfreitag: Zulässiges Feiertagsprivileg oder verbotene Diskriminierung, RdW 9/2016).

20. Es stellt sich für den Obersten Gerichtshof daher die Frage, ob das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung des Art 21 GRC unter anderem wegen der Religion, konkretisiert durch Art 1 und 2 Abs 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG , einer besonderen Feiertagsregelung, wie sie § 7 Abs 3 ARG beinhaltet, entgegensteht, weil eine solche unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern wegen ihrer Religionsangehörigkeit in einer vergleichbaren Situation eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion darstellt oder ob eine solche Regelung im Hinblick auf die Gesamtumstände als eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern angesehen werden kann, die sich in keiner vergleichbaren Situation befinden.

Zur Vorlagefrage 2:

21. Art 2 Abs 5 der Richtlinie 2000/78/EG sieht vor, dass diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen berührt, die in einer demokratischen Gesellschaft (unter anderem) zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Die Freiheit der Religion und das Recht der Religionsausübung stellen sowohl im nationalen als auch im europäischen Kontext eine Basis der demokratischen Gesellschaft dar (EuGH 14. 3. 2017, C‑157/15, Achbita , Rn 26 ff und 14. 3. 2017, C‑188/15, Bougnaoui , Rn 28 ff). Insoweit stellt sich die Frage, ob die nationale Sonderbehandlung des Karfreitags in § 7 Abs 2 ARG nicht als Maßnahme anzusehen ist, die dieses Recht für die Angehörigen bestimmter Kirchen gewährleistet. Die Unterscheidung zu den übrigen, für alle Arbeitnehmer geltenden Feiertage mit religiösem Hintergrund nach § 7 Abs 3 ARG könnte auch dadurch als gerechtfertigt angesehen werden, dass eine Beschränkung des Karfreitags als Feiertag auf Angehörige der in § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen aufgrund ihrer in Relation zur Gesamtbevölkerung eher geringen Anzahl zugleich die Interessen des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsbetriebs berücksichtigt.

Zur Vorlagefrage 3:

22. Wenn man § 7 Abs 3 ARG nicht schon als Maßnahme iSd Art 2 Abs 5 der Richtlinie 2000/78/EG als gerechtfertigt ansieht, stellt sich weiters die Frage, ob es sich bei § 7 Abs 3 ARG allenfalls um eine positive und spezifische Maßnahme nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG handelt. Solche Maßnahmen dienen dazu, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei darf die Maßnahme zu dem verfolgten Ziel nicht außer Verhältnis stehen.

23. Grundsätzlich bestehen am Arbeitsmarkt in Österreich keine strukturellen Nachteile für die Angehörigen der in § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen. Eine Benachteiligung könnte jedoch darin gesehen werden, dass sie (ohne § 7 Abs 3 ARG) an einem hohen Feiertag ihrer Religion, arbeiten müssten, während dies etwa auf die Angehörigen der römisch‑katholischen Kirche, an deren Feiertagen sogar alle Arbeitnehmer frei haben (§ 7 Abs 2 ARG), nicht zutrifft.

24. Nimmt man eine solche Benachteiligung an, stellt sich die Frage, ob die Einräumung eines auf diese Gruppe beschränkten zusätzlichen Feiertags nach § 7 Abs 3 ARG geeignet ist, zu einer Gleichstellung im Berufsleben zumindest mit der Mehrheit der Berufstätigen beizutragen und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und geeignet ist, dies selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass Angehörige anderer Religionen, deren hohe Feiertage von § 7 Abs 2 und 3 ARG nicht erfasst sind, keinen vergleichbaren gesetzlichen Freistellungsanspruch für ihre hohen Feiertage haben.

Zur Vorlagefrage 4:

25. In der Entscheidung Specht (19. 6. 2014, C‑501/12, Rn 94 f) hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, die Rechtsfolgen der Feststellung der Unvereinbarkeit von nationalen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2000/78/EG zu bestimmen. Unter Verweis auf die Urteile Terhoeve und Landtová wurde ausgeführt, dass die Wahrung des Gleichheitssatzes, wenn das nationale Recht unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Personengruppen vorsehe und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden seien, nur dadurch gewährleistet werden könne, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, in deren Genuss die Angehörigen der privilegierten Gruppe kommen. Im Rahmen dieser Urteile sei bereits klargestellt worden, dass die für die Angehörigen der bevorzugten Gruppe geltende Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt worden sei, das einzig gültige Bezugssystem bleibe.

26. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem privaten Arbeitsverhältnis. Ziel der nationalen Regelung des § 7 Abs 3 ARG ist es, einer genau definierten religiösen Gruppe die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten am Karfreitag zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden die Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, diesen Personen über den allgemeinen Katalog an Feiertagen nach § 7 Abs 2 ARG hinaus, die allen Arbeitnehmern zustehen, eine zusätzliche bezahlte Arbeitsfreistellung zu gewähren. Dass allgemein die Art der Nutzung eines Feiertags mit religiösem Hintergrund letztlich im Belieben der Arbeitnehmer steht und nicht auf die Religionsausübung beschränkt ist, ändert nichts am mit der Einführung der religiösen Feiertage verfolgten Zweck.

27. Für den Fall, dass der Europäische Gerichtshof davon ausgeht, dass die gesetzliche Karfreitagsregelung des § 7 Abs 3 ARG gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstößt, stellt sich die Frage, ob dieser Verstoß im Verhältnis zwischen Privaten dadurch auszugleichen ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den zusätzlichen Feiertag allen Arbeitnehmern zu gewähren. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass der österreichische Gesetzgeber mit der Regelung die Berücksichtigung der religiös begründeten Bedürfnisse einer genau begrenzten Gruppe von Arbeitnehmern beabsichtigte. Zugleich wahrte er auch die Interessen der Arbeitgeber gegenüber einer übermäßigen Ausdehnung der allgemeinen Feiertagsregelung. Sollte die gesetzliche Maßnahme zur Förderung einer Minderheit nicht den Voraussetzungen einer positiven und spezifischen Maßnahme nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechen, könnte sich auch die Frage stellen, ob dies nicht zur Unanwendbarkeit des § 7 Abs 3 ARG insgesamt führt, sodass die Rechte und Ansprüche nach dieser Bestimmung am Karfreitag keinem Arbeitnehmer zukommen.

Aussetzung des Verfahrens:

28. Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

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