European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00017.17T.0302.000
Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Oktober 2016, GZ 28 U 222/16z‑30, verletzt das Gesetz
1./ in der unterlassenen Bildung einer Subsumtionseinheit hinsichtlich der den Schuldsprüchen 1./, 2./ und 4./ zugrunde liegenden Taten als das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB in § 29 StGB;
2./ im Strafausspruch in § 5 Z 4 JGG;
3./ im Einziehungserkenntnis betreffend „das sichergestellte Fahrrad zu Stbl.Nr. 1198/16 (ON 12)“ in § 26 Abs 1 StGB.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der dem Angeklagten Dominik T***** zu 1./, 2./ und 4./ zur Last liegenden Taten als mehrere Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (samt den Beschlüssen im Umfang des Ausspruchs auf Verlängerung der Probezeiten zu AZ 14 Hv 154/15b des Landesgerichts für Strafsachen Graz und zu AZ 79 Hv 19/16z des Landesgerichts Klagenfurt) sowie im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen.
Gründe:
Mit rechtskräftigem (in gekürzter Form ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Oktober 2016, GZ 28 U 222/16z-30, wurde der am 20. März 2000 geborene (daher noch jugendliche) Dominik T***** „der Vergehen“ des Diebstahls nach § 127 StGB (1./, 2./ und 4./) sowie des Vergehens der Entwendung nach §§ 15 Abs 1, 141 (zu ergänzen:) Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt und hiefür „unter Anwendung des § 5 JGG und § 28 StGB nach § 127 StGB“ zu einer – gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen – Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Danach hat er in S***** (zusammengefasst wiedergegeben) – neben einer versuchten Entwendung einer Tafel Schokolade im Wert von 1,29 Euro (3./) – mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen weggenommen, und zwar:
1./ am 2. Mai 2016 Daniel L***** ein Mobiltelefon der Marke Samsung Galaxy S5 im Wert von 599 Euro;
2./ am 3. Mai 2016 einem unbekannten Opfer ein Mountainbike der Marke Proceed unbekannten Werts;
4./ am 16. Juli 2016 Gewahrsamsträgern des Drogeriemarkts M***** eine Flasche Parfum im Wert von 63,95 Euro.
Zugleich sprach das Bezirksgericht Salzburg gemäß § 494a Abs 1 Z 1 StPO aus, dass kein Anlass zu einem nachträglichen Strafausspruch in Bezug auf das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 26. November 2015, AZ 15 U 150/15p, bestehe; vom Widerruf der mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 15. Dezember 2015, AZ 14 Hv 154/15b, sowie des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. Juni 2016, AZ 79 Hv 19/16z, gewährten bedingten Strafnachsichten sah es gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO unter jeweiliger Verlängerung der Probezeiten auf fünf Jahre ab.
„Gemäß § 26 Abs 1 StGB“ wurde „das sichergestellte Fahrrad zu Stbl.Nr. 1198/16 (ON 12)“ eingezogen.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das erwähnte Urteil in mehrfacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
1./ Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB bilden alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen oder jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Subsumtionseinheit. Die (zu 1./, 2./ und 4./ erfolgte) getrennte Annahme mehrerer Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (neben [insoweit zutreffend] einem Vergehen der Entwendung nach §§ 15 Abs 1, 141 Abs 1 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0090858) war daher verfehlt (RIS‑Justiz RS0114927, RS0090615).
2./ Bei der Strafbemessung blieb – trotz expliziter Anführung im Strafausspruch – § 5 JGG unberücksichtigt, dessen Z 4 für Jugendstraftaten (§ 1 Z 3 JGG) die Halbierung von (wie gegenständlich: sonstigen) Freiheitsstrafdrohungen vorsieht (vgl Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 25 mwN). Da der Angeklagte zu sämtlichen Tatzeitpunkten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stand (neben einer ebenfalls herabgesetzten Geldstrafdrohung) nur ein Strafrahmen von bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe zur Verfügung. Indem das Bezirksgericht Salzburg dennoch eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängte, hat es – zum Nachteil des Angeklagten – seine Strafbefugnis überschritten (RIS-Justiz RS0086949; Schroll in WK2 JGG § 5 Rz 26).
3./ Der Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB unterliegen Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei deren Begehung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind („instrumenta et producta sceleris“), wobei Sachen nur dann als „hervorgebracht“ gelten, wenn ihre körperliche Entstehung oder gegenwärtige Beschaffenheit auf die Anlasstat zurückzuführen ist (was insbesondere bei der aus der Tat erlangten Beute nicht der Fall ist; vgl Ratz in WK2 StGB § 26 Rz 5 mwN).
Voraussetzung eines Einziehungserkenntnisses ist überdies, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Das Wort „geboten“ spricht dabei die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298), von welcher in Ansehung eines „zu Stbl.Nr. 1198/16 (ON 12)“ erliegenden Fahrrads (der Marke Proceed; vgl Schuldspruch 2./; ON 5 S 11 f, 77) nicht ausgegangen werden kann.
Da der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Strafbemessung dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und ein solcher Nachteil hinsichtlich der übrigen Rechtsdefizite nicht ausgeschlossen werden kann, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit der im Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
Im neuen Verfahren wird das Erstgericht in Ansehung der dem Angeklagten angelasteten Diebstähle zunächst eine Subsumtionseinheit im Sinn des § 29 StGB zu bilden und auf dieser Basis unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG (aber auch des § 28 StGB) eine tat- und schuldangemessene Strafe zu verhängen haben. Zudem wird zu entscheiden sein, ob – mit Blick auf das (rechtskräftige) Unterbleiben von Widerrufsentscheidungen bezüglich der im Spruch erwähnten Vorverurteilungen – (neuerlich) die Verlängerung von Probezeiten auszusprechen ist (§ 494a Abs 6 StPO).
Betreffend das aufgehobene Einziehungserkenntnis wird zu prüfen sein, ob es sich bei dem zu „Stbl.Nr. 1198/16 (ON 12)“ erliegenden Fahrrad um einen beim Angeklagten aufgefundenen Vermögenswert handelt, den dieser allem Anschein nach nicht rechtmäßig innehatte (zur Diebesbeute vgl 231 BlgNR 23. GP 21; RIS‑Justiz RS0090462), dessen Eigentümer das Strafgericht nicht kennt. Bejahendenfalls wäre von Amts wegen (Spenling, WK‑StPO § 375 Rz 5) das Bedenklichkeitsverfahren (§§ 375–379 StPO) durchzuführen, demnach die Beschlagnahme (§ 115 Abs 1 Z 2 StPO) anzuordnen und der Gegenstand in einem Edikt (§ 376 StPO) so zu beschreiben, dass dem Eigentümer zwar eine Identifizierung möglich, der Beweis des Eigentumsrechts jedoch der Bezeichnung wesentlicher Unterscheidungsmerkmale vorbehalten ist (Spenling, WK‑StPO § 375 Rz 1, 8; 14 Os 186/10z).
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