OGH 12Os16/17w

OGH12Os16/17w2.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian H***** wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB, AZ 4 U 24/15f des Bezirksgerichts Gmunden, über den Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 364 Abs 1 StPO, seine als „Berichtigungsantrag“ bezeichnete Beschwerde gegen den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. Jänner 2017, AZ 12 Os 118/16v, sowie seine Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00016.17W.0302.000

 

Spruch:

Der Antrag auf

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde und die Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers werden zurückgewiesen.

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 10. Juni 2015, GZ 4 U 24/15f-18, wurde Christian H***** des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 6. November 2014 in A***** Patricia K***** durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, indem er im Großraumabteil des Regionalexpresszugs ***** auf der Fahrt nach T***** gegenüber der Genannten sitzend seinen Penis aus der Hose holte und daran manipulierte.

Mit Entscheidung vom 14. Dezember 2015 gab das Landesgericht Wels, AZ 24 Bl 101/15a, der wegen Nichtigkeit und gegen die Aussprüche über die Schuld und die Strafe erhobenen Berufung des anwaltlich vertretenen Angeklagten sowie der zum Nachteil des Genannten gegen den Strafausspruch ausgeführten Berufung der Staatsanwaltschaft jeweils keine Folge und bestätigte das Ersturteil (ON 28 im U‑Akt).

Die Rechtsmittelentscheidung wurde dem Verteidiger des Verurteilten am 17. Februar 2016 zugestellt.

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. Jänner 2017, AZ 12 Os 118/16v, wurden die Anträge des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens sowie auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zurückgewiesen, weil der Erneuerungsantrag entgegen § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger unterfertigt sowie nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist (vgl Art 35 Abs 1 EMRK) eingebracht worden war und die Beigebung eines Verteidigers wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der angestrebten Prozesshandlung nicht in Betracht kam.

Bereits mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. Juni 2016, AZ 14 Ns 39/16w, war eine von Christian H***** selbst verfasste „Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes“ zurückgewiesen worden, weil dieser Rechtsbehelf ausschließlich der Generalprokuratur zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Schreiben vom 4. Februar 2017 stellt der Verurteilte nun einen „Berichtigungsantrag“, mit dem er unter anderem die inhaltliche Abänderung des zu AZ 12 Os 118/16v vom 26. Jänner 2017 ergangenen Beschlusses mit der Begründung begehrt, dass die letztinstanzliche und rechtskräftige Entscheidung in dem zu AZ 4 U 24/15f des Bezirksgerichts Gmunden wider ihn geführten Strafverfahren jene des Obersten Gerichtshofs vom 28. Juni 2016, AZ 14 Ns 39/16w, sei. Dies stellt sich jedoch als eine in der Strafprozessordnung nicht vorgesehene Beschwerde gegen die unanfechtbare Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dar, die demgemäß als unzulässig zurückzuweisen war.

In eventu beantragt Christian H***** die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 364 StPO, weil ihm erst durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 26. Jänner 2016 über seinen Erneuerungsantrag bekannt geworden sei, dass die letztinstanzliche und rechtskräftige Entscheidung bereits jene des Landesgerichts Wels vom 14. Dezember 2015, AZ 24 Bl 101/15a, darstellt. Da er zuvor gutgläubig davon ausgegangen sei, dass dies die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. Juni 2016, AZ 14 Ns 39/16w, sei, sei seine Säumnis auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen, das erst durch die Zustellung des Beschlusses vom 26. Jänner 2017 am 2. Februar 2017 beseitigt worden sei.

Gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die

Wiedereinsetzung unter anderem gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs in den vorigen Stand einem Angeklagten zu bewilligen, sofern er nachweist, dass ihm die Einhaltung der Frist durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.

Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich schon deshalb als unberechtigt, weil von einem Versehen minderen Grades im vorliegenden Fall keine Rede sein kann. Mögen auch die Anforderungen an eine Prozesspartei selbst weniger hoch sein als an einen rechtskundigen Parteienvertreter, so stellt sich der Sorgfaltsverstoß, der nach dem Vorbringen zur Fristversäumung führte, schon deshalb als grob fahrlässig dar, weil der (auch dem Antrag in Kopie angeschlossenen) Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Landesgerichts Wels vom 14. Dezember 2015 unmissverständlich zu entnehmen war, dass gegen diese Entscheidung ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig ist (§ 479 StPO). Dass es sich damit um die das Verfahren beendende letztinstanzliche Entscheidung handelt, ist daher auch einer juristisch nicht versierten Person erkennbar. Überdies lässt bereits der Gesetzestext des § 23 Abs 1 StPO eindeutig erkennen, dass eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausschließlich der Generalprokuratur zusteht, sodass dem Antragsteller klar sein musste, dass es sich bei einem derartigen von ihm selbst gestellten Begehren um kein in der Strafprozessordnung vorgesehenes Rechtsmittel handelt, dem Einfluss auf den Lauf der sechsmonatigen Frist des analog anzuwendenden Art 35 Abs 1 EMRK zukommen könnte.

Der Antrag auf

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Die mehrfach gestellten Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers waren wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der angestrebten Prozesshandlung zurückzuweisen. Soweit Christian H***** Verfahrenshilfe im Verfahren über eine von ihm bei der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof angeregte Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anstrebt, ist er darauf zu verweisen, dass ihm in diesem Umfang vom Bezirksgericht Gmunden bereits ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wurde.

Stichworte