OGH 14Os133/16i

OGH14Os133/16i28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sefer S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Oktober 2016, GZ 20 Hv 37/16a‑76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00133.16I.0228.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sefer S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (I), mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (II), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (III) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – zu I von Sommer 2014 bis März 2016 in V***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 6.320 Gramm Kokain (beinhaltend mehr als 1.575 Gramm reine Kokainbase) und 2.000 Gramm Marihuana (beinhaltend mehr als 140 Gramm reines Delta‑9‑THC) zahlreichen Drogenabnehmern überlassen, indem er die Suchtgifte in wiederholten Angriffen teils alleine, teils im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Erman S***** verkaufte sowie zum Kokainhandel des Letztgenannten und des gleichfalls abgesondert verfolgten Süleyman K***** dadurch beitrug, dass er den Verkauf mit diesen vereinbarte und beim Abpacken und Portionieren behilflich war.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich ausschließlich gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2016 zum Beweis dafür, „dass der Zeuge Süleyman K***** gelogen hat“, gestellten Anträge, den Akt AZ 18 Hv 25/16x des Landesgerichts Feldkirch beizuschaffen und die gleichzeitig vorgelegte Ausfertigung des bezughabenden Urteils „zum Akt zu nehmen“, weil sich daraus ergebe, dass Süleyman K***** als Zeuge in diesem Verfahren entweder vor der Polizei durch die Behauptung, dem (dort) Angeklagten Sören Sa***** 80 Gramm Kokain verkauft zu haben oder in der Hauptverhandlung dadurch, dass er angab, diesem überhaupt kein Kokain verkauft zu haben, „bewusst gelogen“ hat, Verteidigungsrechte nicht verletzt. Gleiches gilt für die mit der selben Zielrichtung begehrte Vernehmung des Zeugen Yücel S***** zum Beweis dafür, dass dieser entgegen den Angaben des genannten Zeugen nie eine Invaliditätspension bezogen hat (ON 75 S 5),

Wenn auch eine – hier aktuelle – Beweisführung zur Erschütterung der

Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 29, 340, 350), ließen sich dem Antragsvorbringen vorliegend keine– für die Berechtigung eines solchen Begehrens indes erforderlichen (vgl RIS-Justiz RS0120109) – konkreten Anhaltspunkte für eine habituelle

Falschbezichtigungstendenz des Zeugen oder für einen Zusammenhang allfälliger früherer falscher Angaben mit dem hier aktuellen Verfahrensgegenstand entnehmen, womit die Anträge zu Recht abgewiesen wurden.

Das zu deren Fundierung nachgetragene Beschwerdevorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) übersieht mit ihrem Vorwurf, das Erstgericht habe bloß zum Schein begründet, weshalb es den belastenden Angaben des Zeugen Süleyman K***** und nicht der Verantwortung des Beschwerdeführers Glauben schenkte, dass die Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also der

Glaubwürdigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (

Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (

Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588 [T13]).

Unsicherheiten und teilweise fehlende Erinnerung des Zeugen bei seiner Befragung in der Hauptverhandlung hat das Erstgericht ohnehin erörtert (vgl erneut US 10). Die Beschwerdebehauptung, er hätte den Angeklagten erst anlässlich seiner dritten kriminalpolizeilichen Vernehmung „massiv zu belasten begonnen“, trifft nicht zu (ON 41 S 61 ff), womit auch eine vage angesprochene Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]).

Davon abgesehen wurden die entscheidungswesentlichen Konstatierungen zum bekämpften Schuldspruch – dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider – (mängelfrei) auch aus einer Reihe weiterer Verfahrensergebnisse, vor allem der teilweise geständigen Verantwortung des Angeklagten sowie den Angaben der Zeugen Anel P*****, Philipp N***** und Maximilian St***** abgeleitet (US 10 ff; RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394).

Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) wendet sich unter Hinweis auf die Feststellungen zur Flucht des Erman S***** in die Türkei und des daran anschließenden „Ausstiegs“ auch des Süleyman K***** (US 5) gegen die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG auch nach dem Juni 2015, ohne auf die weiteren, auch sonst nicht in Frage gestellten Konstatierungen einzugehen. Diesen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich Sefer S***** und die Genannten (Ende 2014) zu einer auf die Begehung von Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ausgerichteten, auf längere Zeit angelegten und bis Juni 2015 bestehenden kriminellen Vereinigung zusammenschlossen und der Angeklagte – von seinem Vorsatz umfasst – in diesem Zeitraum als deren Mitglied Kokain in einem die Grenzmenge des § 28b SMG (weit) übersteigendem Ausmaß an Dritte verkaufte (US 4 f; vgl § 28a Abs 2 SMG: „die Straftat nach Abs 1“). Weshalb der diesbezügliche Tatzeitraum davon ausgehend für die vorgenommene Subsumtion relevant sein sollte (vgl auch RIS‑Justiz RS0098557), erklärt sie nicht (RIS-Justiz RS0116565).

Soweit mit dem Vorbringen

die gesonderte Annahme von Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG angestrebt werden soll, ist die Beschwerde im Übrigen nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt. Sie übersieht zudem, dass § 28a Abs 4 Z 3 SMG– vergleichbar dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – zu einer Subsumtionseinheit (sui generis) führt

, sodass § 28a Abs 1 SMG, nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifiziert, auch bei gleichartiger Realkonkurrenz – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt – stets nur ein einziges Verbrechen (hier nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG) begründet (RIS‑Justiz RS0117464, RS0123912).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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