OGH 9ObA10/17m

OGH9ObA10/17m28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.929,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. November 2016, GZ 7 Ra 59/16x‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00010.17M.0228.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a  Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0037516). § 226 Abs 1 ZPO trägt dem Kläger auf, die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp vorzubringen. Sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die daraus abgeleitete Rechtsfolge ableiten zu können, muss die Klage abgewiesen werden, wenn sich auch durch richterliche Anleitung (§ 182 ZPO) eine solche Angabe nicht erreichen lässt (RIS‑Justiz RS0036973).

Die Schlüssigkeit einer Klage kann nach ständiger Rechtsprechung immer nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; daher ist deren Beurteilung regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0037780; RS0116144). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die ausnahmsweise die Zulässigkeit der Revision begründen würde, wird in der außerordentlichen Revision des Klägers nicht aufgezeigt.

Die Unschlüssigkeit des Hauptbegehrens begründeten die Vorinstanzen übereinstimmend damit, dass der Kläger zur Berechnung seines Klagsanspruchs lediglich auf ein „abstraktes“, für die gesamte Belegschaft erstattetes versicherungsmathematisches Gutachten verwiesen, die für die Berechnung seines konkreten, individuellen Anspruchs notwendigen Parameter aber nicht vorgebracht habe. Auch der Beweisantrag des Klägers, zur richtigen Berechnung seines Klagsanspruchs ein Sachverständigengutachten einzuholen, könne das erforderliche Vorbringen rechtserzeugender Tatsachen nicht substituieren.

Der Kläger behauptet in seiner außerordentlichen Revision nicht, dass er die vom Berufungsgericht genannten, zur Begründung seines Anspruchs notwendigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Er stützt sich ausschließlich darauf, dass es ihm ohne Vorfinanzierung eines individuellen Privatgutachtens nicht möglich wäre, die vom Berufungsgericht geforderten Parameter darzulegen. Dies könne von ihm aber zumutbar nicht verlangt werden, weil die Prozesschancen ex ante nicht vorhersehbar seien. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts würde das hegemoniale Ungleichgewicht in Pensionsverfahren zwischen den Arbeitsvertragsparteien nur verstärken und zu einem Rechtsschutzdefizit zu Lasten des Arbeitnehmers führen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht vom Kläger nicht die Einholung eines Privatgutachtens verlangt hat. Es hat lediglich das Fehlen eines zur Begründung des Klagsanspruchs notwendigen Tatsachenvorbringens moniert, ohne dem auch einem allfälligen im Verfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen eine individuelle versicherungs-mathematische Berechnung des Klagsanspruchs nicht möglich wäre.

Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass fehlendes Parteivorbringen nicht durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden kann (RIS‑Justiz RS0037780 [T13]; 10 Ob 49/11w). Selbst nach Durchführung eines Beweisverfahrens vorliegende Beweisergebnisse können weder fehlendes Klagsvorbringen ersetzen noch unzureichendes Vorbringen konkretisieren (RIS‑Justiz RS0043157 [T5]; vgl RS0037552).

Mit der bloßen Behauptung, der Kläger habe alle rechtserzeugenden Tatsachen in jener Form dargelegt, welche es dem Gericht möglich gemacht hätte, den Anspruch dem Grunde nach zu bejahen und in weiterer Folge den Anspruch der Höhe nach durch einen gerichtlichen Sachverständigen aus dem Bereich der Versicherungsmathematik errechnen zu lassen, zeigt der Kläger auch keine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts in Bezug auf die Unschlüssigkeit der Eventualbegehren auf.

Soweit der Kläger rügt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht eine Verletzung der Erörterungs- und Prozessleitungspflicht gemäß §§ 182, 182a ZPO durch das Erstgericht verneint hat, ist er darauf zu verweisen, dass vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge des Klägers nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]).

Weitere vom Kläger als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfragen zur Kollektivvertragsauslegung sowie zum Anspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG stellen sich aufgrund der Klagsabweisung mangels Schlüssigkeit der Haupt‑ und Eventualbegehren nicht mehr. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

Stichworte