OGH 25Os1/16h

OGH25Os1/16h27.2.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 27. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Kärntner Rechtsanwaltskammer vom 27. Oktober 2015, AZ D 11/14, D 12/14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0250OS00001.16H.0227.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

In Stattgebung der Berufung wegen Strafe wird über ***** nach § 16 Abs 1 Z 1 DSt die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis – das auch einen rechtskräftigen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthält – wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.

Danach hat er – unter Verstoß gegen § 18 RL‑BA 1977 – am 24. September 2013 in K***** mit Schreiben an Landeshauptmann Dr. Peter K***** als Vertreter des Landes Kärnten

a./ die rechtsfreundliche Vertreterin des Landes Kärnten ***** Rechtsanwälte OG in der zu AZ ***** vor dem Landesgericht Klagenfurt anhängigen Streitsache umgangen und

b./ diese und deren Gesellschafter ***** mit dem Vorwurf, sie hätten in ihrem Prozessvorbringen im bezeichneten Verfahren rassistische, diskriminierende, herabwürdigende und menschenrechtswidrige Behauptungen über Asylwerber, insbesondere über den Kläger aufgestellt, unnötig in den Streit gezogen und persönlich angegriffen.

Nach den vom Disziplinarrat getroffenen Feststellungen hat die Rechtsvertreterin des Landes Kärnten ***** Rechtsanwälte OG in der bezeichneten Streitsache am 12. September 2013 einen Schriftsatz (Einwendungen gegen eine Schadenersatzforderung aus einem Brandereignis) eingebracht. Als Reaktion auf diesen richtete der Beschuldigte als Rechtsvertreter des Klägers an den Landeshauptmann als Vertreter des Landes das dem Schuldspruch zugrunde liegende Schreiben, in dem er um Mitteilung ersuchte, ob das im Schriftsatz erstattete Prozessvorbringen des Landes der durch die zuständigen Beamten erteilten Information entspreche und ob die Behauptungen mit Wissen und Zustimmung des Landes aufgestellt worden seien. Mit dem Vorbringen des Schriftsatzes sei nämlich in die Persönlichkeitsrechte des Klägers eingegriffen und seien konkret zitierte, vom Beschuldigten als rassistisch und diskriminierend gewertete Behauptungen aufgestellt worden. Der Beschuldigte ersuche um schriftliche Bestätigung, dass diese Äußerungen nicht im Auftrag des Landeshauptmanns oder des Landes getätigt worden seien.

Aus Sicht des Disziplinarrats waren die vom Beschuldigten bezeichneten Äußerungen nicht als diskriminierend im vom Beschuldigten behaupteten Sinn anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe.

Voranzustellen ist, dass Gegenstand des vorliegenden Erkenntnisses eine (einzige) Tat ist, die idealkonkurrierend beiden in § 1 Abs 1 DSt genannten Disziplinarvergehen unterstellt wurde. Jene wiederum wurden durch jeweils einen Verstoß sowohl gegen den ersten (a./) als auch gegen den zweiten (b./) Halbsatz des § 18 der (im Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses noch in Kraft befindlichen) Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (RL‑BA) 1977 als begründet angesehen.

Gemäß § 18 RL‑BA 1977 (nunmehr geregelt in §§ 19 und 21 RL‑BA 2015) darf der Rechtsanwalt den Rechtsanwalt einer anderen Partei (1./) nicht umgehen und es auch nicht ablehnen, mit diesem zu verhandeln; er darf ihn (2./) weder unnötig in Streit ziehen noch persönlich angreifen.

Das zu a./ erstattete Vorbringen (nominell Z 5, inhaltlich Z 9a), der Disziplinarrat hätte aufgrund der Verantwortung des Beschuldigten feststellen müssen, dass dieser den Gegenvertreter vom Schreiben an den Landeshauptmann zeitgleich verständigt habe, legt nicht dar, warum eine solche Verständigung zur Erfüllung der Standespflicht nach § 18 erster Halbsatz RL-BA 1977 ausreichen soll (vgl AnwBl 1994, 442; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9, § 18 RL‑BA Rz 7).

Indem der Beschuldigte in diesem Zusammenhang im Rahmen der Schuldberufung behauptet, sein an das Land Kärnten gerichteter Unterlassungsanspruch sei nicht Gegenstand des von der Vertretung des Anzeigers umfassten Verfahrens AZ ***** des Landesgerichts Klagenfurt gewesen, (sodass keine Umgehung vorliege,) vermag er – schon mit Blick auf die Textierung seines ausschließlich auf dieses (und nicht auf ein angestrebtes weiteres) Verfahren Bezug nehmenden Schreibens an den Landeshauptmann – keine zu einer Beweiswiederholung Anlass gebenden Bedenken gegen die gegenteiligen Annahmen des Disziplinarrats zu wecken.

Soweit sich die Berufung auf den zu b./ genannten Vorwurf des unnötigen in Streit Ziehens und persönlichen Angriffs bezieht (Z 4, sowie Teile der Z 5 und der Schuldberufung), bedarf sie keiner Erwiderung, weil die getroffenen Feststellungen die vom Disziplinarrat getroffene rechtliche Beurteilung eines Verstoßes gegen § 18 zweiter Halbsatz RL‑BA 1977 nicht tragen. Denn diesen zufolge beinhaltete das Schreiben des Beschuldigten keine den gegnerischen Rechtsanwalt betreffenden unwahren Tatsachenbehauptungen und auch keine Äußerungen, die – unabhängig davon, ob die Aussage über ein angeblich im Vergleich zu Österreichern „atypisches Sprungverhalten“ von Asylwerbern und somit auch des Klägers, der „Schwarzafrikaner“ sei, diskriminierend ist – im Licht des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK als Wertungsexzess anzusehen sind.

Der Wegfall der Annahme nur eines der beiden Verstöße hat aber auf den Schuldspruch keinen Einfluss.

Der Berufung wegen Schuld war daher nicht Folge zu geben.

Hingegen kommt der impliziten (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Berechtigung zu. Dem erstinstanzlichen Erkenntnis zuwider weist der Beschuldigte nur eine disziplinäre Vorverurteilung auf und es entfällt nunmehr auch der Erschwerungsgrund des Vorliegens zweier Verstöße gegen § 18 RL‑BA 1977. In Hinblick auf diese geänderten Strafzumessungsgründe sowie Tatunrecht und Täterschuld kann daher vorliegend mit der mindestschweren Sanktion des schriftlichen Verweises (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) das Auslangen gefunden werden. Einem Vorgehen nach § 3 DSt oder einem Absehen von einer Disziplinarstrafe nach § 39 DSt standen jedoch spezialpräventive Erwägungen entgegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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