European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00002.17P.0130.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO, § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Vom Rekursgericht verneinte Verfahrens-mängel erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung auch im Provisorialverfahren nicht mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (7 Ob 54/11h mwN). Die Kläger rügten in ihrem Rekurs das Unterbleiben der Einvernahme dreier Personen, deren eidesstättige Erklärungen das Erstgericht zwar verwertete, den Inhalt der Erklärungen aber für nicht hinreichend zur Bescheinigung der Behauptung erachtete, ein von der Beklagten veröffentlichtes Foto zeige den verstorbenen Vater der Kläger. Das Rekursgericht verneinte den gerügten Mangel unter anderem mit der Begründung, dass der Rekurs nicht erkennen lasse, welche zusätzlichen Erkenntnisse dem Gericht die Vernehmung dieser Personen verschafft hätte.
2. Bei der Entscheidung über einen Revisionsrekurs ist der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz und hat von jenem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat. Tatsachen, die das Rekursgericht als nicht bescheinigt annimmt, können in die rechtliche Betrachtung nicht einbezogen werden (RIS‑Justiz RS0002192). Ob die Vorinstanzen verpflichtet gewesen wären, weitere Bescheinigungsmittel aufzunehmen, betrifft die vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbare Beweiswürdigung (8 Ob 132/08g).
3. Auch wenn – wie hier – das Erstgericht seine Feststellungen nur aufgrund von Urkunden getroffen hat, ist die Überprüfung der Beweiswürdigung nur durch das Rekursgericht zulässig (RIS‑Justiz RS0002192 [T3]; 8 Ob 132/08g). Entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelwerber hat sich das Rekursgericht im ausreichenden Maße mit der Beweisrüge befasst. Selbst eine vorgreifende Beweiswürdigung ist in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RIS‑Justiz RS0043099; 1 Ob 51/11y).
4. Für eine allfällige Rechtsverletzung im Rahmen des § 78 UrhG hätte die Beklagte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann einzustehen, wenn das von ihr veröffentlichte Foto tatsächlich den Vater der Kläger abbildet (4 Ob 51/12x). Diese Rechtsprechung hat das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt.
5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen steht nicht fest, dass das von der Beklagten auf ihrer Website und in ihrer Zeitung im Rahmen eines Artikels über die EU‑Tabakrichtlinie verwendete Foto aus dem Anhang II der Delegierten Richtlinie 2014/109/EU den Vater der Kläger zeigt. Sie trifft nach allgemeinen Grundsätzen aber die Beweis‑(Bescheinigungs‑)last für diese anspruchsbegründende Tatsache (vgl 4 Ob 165/08f).
6. Nach Auffassung des Rekursgerichts kann die zufällige Ähnlichkeit des Abgebildeten mit dem Vater der Kläger allein keinen Unterlassungsanspruch der Kläger begründen.
6.1. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber weicht diese Beurteilung des Rekursgerichts nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab. Aus den zu § 78 UrhG indizierten Rechtssätzen RIS‑Justiz RS0078020 und RS0077921, auf die sich die Kläger berufen, ergibt sich nicht, dass das Recht einer Person am eigenen Bild (§ 78 UrhG) auch durch die Veröffentlichung des Fotos einer anderen, zufällig (verwechselbar) ähnlich aussehenden Person verletzt sein kann. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 342/64, der Leitentscheidung der Rechtssatzkette RIS‑Justiz RS0078020, ist Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 78 UrhG, dass erkennbar ist, wer der Abgebildete ist, weil sonst ja nicht geprüft werden kann, ob „berechtigte Interessen des Abgebildeten“ (worauf § 78 UrhG abstellt) verletzt wurden. Die Entscheidung hält fest, dass es auch Voraussetzung des Schutzes des § 78 UrhG ist, dass die im Bild dargestellte Person nicht nur identifizierbar ist, sondern dass es sich tatsächlich um ein Bild des Klägers handelt. Die zu RIS‑Justiz RS0077921 indizierten Entscheidungen stellten entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber nicht allein auf die Erkennbarkeit des Abgebildeten ab. Im Gegenteil wird in der Entscheidung 4 Ob 51/12x (der vorletzten dieser Rechtssatzkette) ein Unterlassungsanspruch wegen (nach der Lage des Falls) Eingriffs in das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (§ 16 ABGB) abgeleiteten Recht auf Namensanonymität bejaht und ein Anspruch nach §§ 78, 81 UrhG verneint, wenn das Bild eine andere Person zeigt als im Begleittext behauptet.
6.2. Aus der Entscheidung 6 Ob 287/02b ist für die Kläger nichts zu gewinnen. Dieser Entscheidung liegt zugrunde, dass die in einer Belangsendung der dortigen Beklagten eingesetzten Sprecher Stimmlage, Tonfall, Sprachmelodie und Dialekt (Stimmenimitation) wie auch Standardformulierungen der von den dortigen Klägern in der Fernsehserie „MA 2412“ gesprochenen Hauptrollen in einer Weise verwendeten, durch die der Eindruck erweckt wurde, es handle sich tatsächlich um eine Unterhaltung der Hauptfiguren aus dieser Fernsehserie, die von den Klägern gesprochen wird. Eine Verletzung des durch § 16 ABGB geschützten Persönlichkeitsrechts der dortigen Kläger wurde bejaht, weil der unrichtige Eindruck erweckt würde, die damaligen Kläger würden für eine politische Partei Werbung betreiben. Die Frage, ob auch eine zufällige Ähnlichkeit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründet hätte, behandelt die Entscheidung nicht.
7. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Bilderbibliothek in Anhang II der Delegierten Richtlinie 2014/109/EU ist nicht präjudiziell. Die Kläger wollen der Beklagten verbieten, zwei Fotos dieser Bilderbibliothek, „die [den Vater der Kläger] zeigen“, ohne Zustimmung zu veröffentlichen, zu vervielfältigen, zu verbreiten oder der Öffentlichkeit in sonst einer Weise zugänglich zu machen. Es steht indessen nicht fest, dass ein Foto des Vaters der Kläger in der Bilderbibliothek enthalten ist. Schon deshalb hängt die Entscheidung nicht von der Rechtmäßigkeit der Bilderbibliothek ab.
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