OGH 6Ob211/16x

OGH6Ob211/16x30.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A*****, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 40.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. August 2016, GZ 1 R 67/16d‑17, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. März 2016, GZ 24 Cg 56/15s‑12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00211.16X.0130.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Berufungsgerichts über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (§ 519 Abs 2 ZPO) nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Die Zurückweisung des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die klagende Kammer begehrt von der Beklagten den Ersatz ihres durch vorsätzliche Verletzung ihres Rechts auf Datenschutz durch die Beklagte entstandenen Schadens (Kosten eines Privatsachverständigengutachtens, Kosten der Rechtsberatung).

Das Erstgericht wies die Klage – ohne Feststellungen zu treffen – ab, weil nach dem Vorbringen der Klägerin nicht in ihre Geheimsphäre, sondern in jene einzelner ihrer Mitglieder eingegriffen worden sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die Klägerin habe einen deliktischen Schadenersatzanspruch ausreichend behauptet. Nach den Klagsbehauptungen habe die Beklagte jahrelang systematisch auf Daten auch der Klägerin zugegriffen. Sie habe auf einen 33 Angriffe relevierenden Strafantrag gegen die Beklagte verwiesen, in dem zumindest zwei Fakten Bezug zur Klägerin selbst und sie betreffende Daten aufweisen dürften. Zwar lägen damit keine hinreichend konkreten und substantiierten Behauptungen insbesondere zu konkreten bewussten Verletzungshandlungen der Beklagten gegenüber der Klägerin vor, allerdings müsse die Erörterung dieser Fragen durch das Erstgericht als nicht hinreichend angesehen werden, insbesondere weil es die Frage, bei wem „Schäden“ eingetreten seien, in den Vordergrund gestellt habe. Worin der geltend gemachte Schaden der Klägerin bestehe und der Umstand, dass er bei ihr selbst eingetreten sei und es keiner Abtretung oder dergleichen bedurft habe, seien hier evident. Das Erstgericht habe aber die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nicht direkt angesprochen. Es habe auch die Darlegungen der Klägerin über Eingriffe in ihre absolut geschützten Rechtsgüter in der Verhandlungstagsatzung nicht zum Anlass gezielter Erörterungen genommen, sodass die Klägerin damit habe rechnen können, diesbezüglich hinreichend vorgetragen zu haben.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil eine Anwendung der Judikatur über Detektivkosten aufgrund ehewidriger Beziehungen auf Fallkonstellationen wie hier sich in der Vorjudikatur nicht finde. Wenn man dieser zur Begründung der Aufhebung und Zurückverweisung vertretenen Rechtsansicht nicht folgen sollte, dann wäre aber – in dem Umfang, in dem keine vorprozessualen Kosten vorliegen und der Rechtsweg zulässig wäre – der Ansicht des Erstgerichts zuzustimmen, dass die Klägerin einen bloßen Vermögensschaden geltend mache, den ihr die Beklagte nicht ersetzen müsse. Im Zusammenhang mit der zunehmend wahrgenommenen Bedeutung datenschutzrechtlicher Bestimmungen läge damit eine erhebliche Rechtsfrage vor, die die Zulassung des Rekurses nahe lege.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Rekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

1.2. Die Rechtsmittelwerberin führt zum Einen zu der vom Berufungsgericht bezeichneten, die Zulässigkeit begründenden Rechtsfrage nichts aus, und macht zum Anderen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, sodass der Rekurs zurückzuweisen ist (RIS‑Justiz RS0102059).

2.1. Der Rekurs rügt, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Kosten der Ermittlung und Aufklärung des Sachverhalts, die eine in ihrem Recht auf Datenschutz verletzte Person für notwendig habe ansehen können, nicht im Weg des Schadenersatzes zu ersetzen seien. Die Klägerin habe nämlich nach ihren Behauptungen die Kosten aufgewendet, um vor einer Eingabe an eine Behörde einen Sachverhalt aufzuklären, den die Behörde ohnedies von Amts wegen zu ermitteln hatte. Ein besonderes Interesse, der Strafverfolgungsbehörde mit der Aufklärung des Sachverhalts zuvorzukommen, bestehe aber nicht.

2.2. Die Kosten eines zur Schadensfeststellung eingeholten Sachverständigengutachtens können dann mit gesonderter Klage – und nicht nur als vorprozessuale Kosten im Rechtsstreit über den Hauptanspruch – geltend gemacht werden, wenn ein besonderes Interesse des Auftraggebers an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess besteht, sodass also das Gutachten nicht in erster Linie im Hinblick auf eine (spätere) Prozessführung, sondern primär aus anderen Gründen eingeholt wird. Die Beurteilung, ob nach dem zu beurteilenden konkreten Vorbringen ein Gutachten nicht primär zur Vorbereitung eines Rechtsstreits eingeholt wurde, reicht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus (RIS‑Justiz RS0035826 [T1, T11, T12, T13]). Wenn also das Gutachten nicht in erster Linie einer (späteren) Prozessführung, sondern dazu dient, dem Auftraggeber eine Grundlage zur Ermittlung seiner Ansprüche bzw seiner Rechtsposition zu verschaffen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob es zu einem Rechtsstreit überhaupt kommen werde, dann ist der ordentliche Rechtsweg zulässig (RIS‑Justiz RS0023583 [T2]).

2.3. Die gleichen Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch für vorprozessuale Anwaltskosten (2 Ob 235/15w mwN = RIS‑Justiz RS0035826 [T15]). Schließlich sind auch Kosten der Privatbeteiligung im Strafverfahren grundsätzlich in das Kostenverzeichnis des Zivilprozesses aufzunehmen (RIS‑Justiz RS0036070 [T1]), es sei denn, der Hauptanspruch wird noch vor Einleitung des Zivilverfahrens bzw durch Zahlung oder Vergleich bereinigt (RIS‑Justiz RS0035894, RS0045791).

2.4. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die Klägerin habe die Voraussetzungen einer selbständigen Einklagbarkeit der Kosten für das Privatgutachten ausreichend vorgetragen. Im Hinblick darauf, dass nach den Behauptungen der Klägerin das Gutachten eingeholt wurde, um schon das Ausmaß der Eingriffe in die EDV‑Systeme der Klägerin feststellen zu können, ist diese Beurteilung jedenfalls vertretbar. Was die Anwaltskosten betrifft, hat das Berufungsgericht Feststellungen dazu gefordert, inwieweit diese Kosten die Vertretung im Strafverfahren betreffen und sich auch inhaltlich auf die dort erfolgten Vorwürfe beziehen (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 382 mwN).

3. Soweit Beklagte in der auf § 182a ZPO gestützten Aufhebung des Ersturteils durch das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt, liegt diese nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die – die Aufhebung auch tragende – Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass das Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG 2002) ein absolutes Recht ist, durch rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in dieses Recht verursachte Schäden nach allgemeinen Regeln ersatzfähig sind und § 51 DSG 2002 ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 Satz 2 ABGB ist, bekämpft die Revisionswerberin nicht. Im Übrigen kann eine vom Berufungsgericht aufgetragene zusätzliche Erörterung des Prozessstoffes niemals einen Verfahrensmangel im Rechtssinn darstellen, ist diese doch schon begrifflich nicht geeignet, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (6 Ob 156/08x; 4 Ob 91/15h mwN; 1 Ob 101/16h). Ein Verfahrensmangel kann immer nur in einem „zu wenig“, niemals in einem „zu viel“ an Verfahrensergebnissen liegen (RIS‑Justiz RS0125622 [T1]; RS0037095 [T18]). Davon abgesehen ist die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung oder zu einer Anleitung durch das Gericht geben könnte, schon von vornherein so einzelfallbezogen, dass darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0114544).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 52 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung nicht auf die (mangels erheblicher Rechtsfrage) Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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