European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00074.16I.0127.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand der außerordentlichen Revision ist nur mehr die von der Beklagten eingewendete und von den Vorinstanzen bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend festgestellte Gegenforderung. Die Gegenforderung betrifft ein Schadenersatzbegehren wegen des festgestellten Verstoßes des Klägers gegen die vereinbarte Konkurrenzklausel.
Der Kläger steht in der außerordentlichen Revision auf dem Standpunkt, dass die Konkurrenzklausel eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV darstelle und – unter Bedachtnahme auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip – nicht gerechtfertigt sei, wenn sie über die tatsächlichen Ausbildungskosten, die dem früheren Arbeitgeber entstanden seien, hinausgehe. Die erhebliche Rechtsfrage erblickt er darin, dass der Oberste Gerichtshof bisher keine Kriterien für die unionsrechtlich orientierte Sachlichkeitsprüfung und davon ausgehend für die Grenzen des erlaubten Regelungsinhalts einer Konkurrenzklausel aufgestellt habe.
2. Der Kläger stützt seine Argumentation somit auf das Beschränkungsverbot, das kraft Unionsrechts zum Schutz der Grundfreiheiten, hier der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, besteht. Das Beschränkungsverbot hier im Sinn des Art 45 AEUV betrifft das unionsrechtliche Primärrecht.
Dem Anlassfall liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde. Der Anwendungsbereich des primären Unionsrechts ist damit nicht eröffnet, weshalb sich der Kläger darauf auch nicht berufen kann (vgl auch 8 ObA 67/16k).
3. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs war für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Primärrechts ein grenzüberschreitender Sachverhalt erforderlich. In mehreren Entscheidungen aus der jüngsten Vergangenheit beantwortete der Gerichtshof jedoch auch an ihn gestellte Fragen, die sich auf den Schutz der Grundfreiheiten bezogen, wobei den Ausgangsfällen reine Inlandssachverhalte zugrunde lagen. Dazu wies der Gerichtshof darauf hin, dass nicht auszuschließen sei, dass auch Staatsangehörige, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien, Interesse daran haben, in dem (von der Rechtssache) betroffenen Mitgliedstaat entsprechende Tätigkeiten auszuüben. Die jeweils in Rede stehende Regelung könne gleichwohl Wirkungen entfalten, die sich nicht auf den betroffenen Mitgliedstaat beschränkten (sogenannte Venturini ‑Formel: EuGH C‑159/12, Venturini , Rn 25).
In der Entscheidung zu C‑268/15, Ullens de Schooten (vom 15. November 2016) hat der Europäische Gerichtshof (anders als der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen) den mit der Venturini ‑Formel beschrittenen Weg allerdings wieder verlassen. In der zitierten Entscheidung führte der Gerichtshof ausdrücklich aus, dass die Bestimmungen des AEUV über die Grundfreiheiten (ausdrücklich erwähnt werden die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit) auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung finden (Rn 47; siehe dazu Brenn , Gerichtlicher Schutz der Grundfreiheiten und amtswegige Prüfung, in EU‑Recht in der Praxis 68 ff).
Aufgrund des Grundsatzes der Konvergenz der Grundfreiheiten gilt diese Konsequenz auch für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Ebenso gilt die vom Kläger angesprochene Ausgestaltung des unionsrechtlichen Schutzes der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie das Verbot der Beschränkung des Marktzugangs für alle Grundfreiheiten sowie für das an die Unionsbürgerschaft anknüpfende Freizügigkeitsrecht.
4. Insgesamt zeigt der Kläger in seinem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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