European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00142.16Y.0126.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Agonis A***** und Agon M***** werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Agonis A***** und Agon M*****, über die Beschwerde des Angeklagten Agonis A***** sowie über den Antrag des Angeklagten Qlirim N***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Berufung und Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Agonis A***** und Agon M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch einer weiteren Angeklagten enthält, wurden Agonis A*****, Agon M***** und Qlirim N***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 15. April (richtig [vgl US 8]:) 2016 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Zsolt P***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ein i‑Pad Mini, ein Samsung Tablet, ein Mobiltelefon der Marke Samsung Galaxy S3 Mini, eine Herrenuhr der Marke Swatch, eine Herrenuhr der Marke Jacques Lemans, eine Halskette und eine Geldbörse samt Bargeld in der Höhe von 70 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Qlirim N***** Zsolt P***** zunächst eine Softgun vorhielt, sodann mit dem Griffstück der Softgun gegen den Hals des Zsolt P***** schlug, woraufhin dieser zu Boden fiel, und Agonis A*****, Agon M***** und Qlirim N***** mehrmals auf den am Boden liegenden Zsolt P***** mit Fäusten einschlugen und mit Füßen eintraten, anschließend die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchten und die oben angeführten Wertsachen mitnahmen, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Körperverletzung des Zsolt P*****, nämlich eine Gehirnerschütterung, einen Bruch des rechten Augenhöhlenbogens, einen Bruch des linken Unterkiefers, einen Nasenbeinbruch, einen Bruch der achten Rippe rechts sowie mehrere Prellungen und Abschürfungen, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Den gegen dieses Urteil von Agonis A***** aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO und Agon M***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Agon M*****:
Der Angeklagte Agon M***** hat unmittelbar nach der Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 108 S 24), nach Zustellung der Urteilsausfertigung jedoch nur eine Berufung wegen Strafe ausgeführt (ON 140).
Da er demnach weder bei der Rechtsmittelanmeldung noch nach Zustellung des Urteils Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete, war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Agonis A*****:
Die Mängelrüge behauptet eine unvollständige und unzureichende Begründung (Z 5 zweiter und vierter Fall) der erstrichterlichen Urteilsannahmen, wonach (auch) der Erstangeklagte Agonis A***** dem Opfer Zsolt P***** Schläge und Tritte versetzte (vgl US 10 f, US 16).
Mit dem Verweis auf das – vom Schöffengericht ohnehin berücksichtigte (vgl US 13 zweiter Absatz) – Aussageverhalten des Erstangeklagten, der teilweisen Wiedergabe seiner Verantwortung und der Kritik an einzelnen beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter vermag die Beschwerde keine formellen Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 aufzuzeigen, sondern wendet sich bloß unzulässig gegen die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts, das ausführlich und detailliert dargelegt hat, aus welchen Erwägungen es die kritisierten Konstatierungen getroffen hat (US 13 bis 16).
Soweit der Rechtsmittelwerber (nominell aus Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) argumentiert, es treffe ihn mangels Vorhersehbarkeit bzw entsprechender Aufnahme in den Tatplan keine Haftung für die schweren Verletzungen des Opfers, ignoriert er die Feststellungen des Erstgerichts zu seiner Mitwirkung an der Tatausführung und zur (auch den Eintritt schwerer Verletzungsfolgen umfassenden) subjektiven Tatseite (vgl US 11, US 18).
Der gegen das Einziehungserkenntnis gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall StPO) zuwider ist bei der zur Tatbegehung verwendeten (US 10, US 11) funktionsuntüchtigen (US 8) schwarzen Softgun eine aus der besonderen Beschaffenheit des Gegenstands resultierende Deliktstauglichkeit (vgl RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0121298&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False sowie Ratz in WK² StGB § 26 Rz 6 und Rz 12) aufgrund der täuschenden Ähnlichkeit mit einer echten Waffe (US 10) zu bejahen.
Entgegen dem weiteren, auf Z 11 zweiter Fall StPO gestützten Vorbringen verstößt die Berücksichtigung des brutalen Zusammenschlagens des Zsolt P***** (US 22) bzw der massiven Gewaltanwendung (US 21) gegen das wehrlose, schon am Boden liegende Opfer (US 22 f) als erschwerend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB), weil eine besondere Brutalität der Tatausführung über die die Qualifikation nach § 143 Abs 2 erster Fall StGB bewirkende gewaltsame Herbeiführung einer schweren Körperverletzung hinausgeht (vgl RIS‑Justiz RS0090945).
Auch die aggravierende Wertung des Umstands, dass die Verletzungen des Zsolt P***** in dreifacher Hinsicht als schwer iSd § 84 Abs 1 StGB (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK2 StGB § 84 Rz 5 ff) zu beurteilen sind, stellt der Beschwerdeansicht zuwider keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar, ist doch die Qualifikation des § 143 Abs 2 erster Fall StGB schon bei Vorliegen einer der Erfolgsvarianten des § 84 Abs 1 StGB gegeben (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I4 § 84 Rz 52; RIS‑Justiz RS0119312).
Die weitere, die Annahme einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (neben dem Einsatz von Gewalt) kritisierende Sanktionsrüge (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 648) übersieht, dass das Schöffengericht die Erfüllung beider Varianten des alternativen Mischtatbestands des Raubes (RIS‑Justiz RS0093803) nicht als erschwerend angenommen hat (vgl US 21). Bezugspunkt der Anfechtung aus Z 11 zweiter Fall kann aber nur ein beim konkreten Strafbemessungsvorgang tatsächlich in Rechnung gestellter Umstand sein (Fabrizy, StPO12 § 281 Rz 108).
Im Übrigen erklärt die Rüge nicht, weshalb die erstrichterlichen Konstatierungen zur Bedrohung des Opfers (durch die in seine Wohnung eingedrungenen, mit schwarzen Sturmhauben maskierten Angeklagten) mit einer täuschend echt aussehenden Softgun (US 9, US 10, US 11) keine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) darstelle. Die Wertung der Verwendung der einer echten Waffe täuschend ähnelnden Softgun als Erschwerungsgrund (RIS‑Justiz RS0121147) begegnet der Rüge zuwider keinen rechtlichen Bedenken.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Agonis A***** und Agon M***** waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Agonis A***** und Agon M***** und über die Beschwerde des Angeklagten Agonis A***** (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO) sowie über den Antrag des Angeklagten Qlirim N***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur – nach Zurückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 142) – Ausführung der Berufung (§ 364 Abs 2 Z 3 StPO) ist das Oberlandesgericht Wien berufen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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