OGH 7Ob128/16y

OGH7Ob128/16y25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. A* GmbH, *, und 2. I* AG, *, sowie deren Nebenintervenientin S*gesellschaft mbH, *, alle vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 350.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Mai 2016, GZ 2 R 16/16v‑102, mit dem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. November 2015, GZ 5 Cg 71/13i‑86, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E117053

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird im Umfang des Zuspruchs eines Kapitalbetrags von 75.000 EUR bestätigt und bleibt auch im Umfang der Kostenentscheidung aufrecht.

Nur hinsichtlich des Zuspruchs von 4 % Zinsen aus 75.000 EUR seit 15. 6. 2011 wird der Revision dahin Folge gegeben, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung auftragen wird.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 2.647,16 EUR (darin 441,20 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin führt einen Betrieb für Kfz‑Reparaturen samt Lackierungen sowie einen Autohandel. Sie ist Mieterin des GstNr 2/15, auf dem sich ihre Betriebsstätte befindet.

Die Erstbeklagte ist Eigentümerin der GstNr 2/3, 2/18, 2/22 und 2/6, die Zweitbeklagte ist Eigentümerin der GstNr .1/3, 4, 5/2 und Nr .233. Diese Grundstücke liegen (bis auf GstNr .1/3) alle in einem Gewerbegebiet, an das Wohnsiedlungen angrenzen.

Die Erstbeklagte betreibt ein Transport- und Erdbauunternehmen. Mit dem Betrieb dieses Unternehmens sind in ihrem Ausmaß nicht genau feststellbare Staubimmissionen verbunden. Sie erhielt für die GstNr 2/3 und 2/18 die rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage „Abstellplatz für Lkw und Baumaschinen“ des Erdbaugewerbes mit diversen Auflagen zum Schutz der Gewässer sowie eine wasserrechtliche Bewilligung. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft teilte der Erstbeklagten mit Schreiben vom 6. 8. 2010 mit, dass nach dem Ergebnis einer gewerbetechnischen Prüfung nicht die gesamte Fläche dieser Betriebsanlage mit Bruchasphalt staubfrei gehalten werde und sie wurde zur Einhaltung von Bescheidauflagen aufgefordert, nämlich insbesondere die vorgegebenen Betriebszeiten einzuhalten und den Staubaustrag aus der Betriebsanlage durch Bewässerung zu verhindern.

Die Zweitbeklagte erhielt mit rechtskräftigem Bescheid vom 7./8. 9. 2009 die naturschutz-, wasser- und forstrechtliche Bewilligung für die Errichtung, den Bestand und den Betrieb der Wasserkraftanlage M* und der Maßnahmen an der Wasserkraftanlage U*. Dieses Bauvorhaben beinhaltete (ua) die Errichtung eines Speicherbeckens, eines Maschinenhauses am rechten Flussufer sowie einer ca. 1.850 m langen Druckrohrleitung vom Beginn des Entsanders entlang des rechten Flussufers bis zum Maschinenhaus.

Die H* GmbH verfügt generell und speziell für zwei Standorte über die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung einer mobilen Aufbereitunganlage. Nach dem Bewilligungsbescheid darf die mobile Anlage ausschließlich von Montag bis Freitag in der Zeit von 8:00 bis 18:00 Uhr, nicht jedoch an gesetzlichen Feiertagen und pro Standort und Kalenderjahr in Summe maximal 100 Stunden betrieben werden. Nach Punkt 5 bzw 7 der Nebenbestimmungen muss die mobile Anlage zu schützenswerten Nachbarbereichen einen Mindestabstand von 300 m, zu besonders schützenswerten Nachbarbereichen wie Kurzonen, Krankenhäusern und Naturschutzgebieten einen Mindestabstand von 1.100 m aufweisen. Nach Punkt 8 der Nebenbestimmungen sind bei nicht ausreichend befeuchtetem Material bzw bei sichtbarer Staubverfrachtung die Bebrausung bei der Aufgabe und Berieselung zu aktivieren und zur Sicherstellung dieser immissionseffizienten Maßnahmen bei fehlendem Anschluss an ein Wassernetz, ein Wasserbehälter vor Ort bereit zu halten, dessen Inhalt für den eintägigen Betrieb der Behandlungsanlage ausreichend ist.

Auf dem 500 m südlich von der Liegenschaft der Klägerin entfernten GstNr .1/3 der Zweitbeklagten betrieb die H* GmbH ebenfalls eine solche mobile Steinbrechanlage, wobei diese in Abständen von 80 bis 150 m zu den nächstgelegenen Wohnhäusern installiert worden war. Bei dieser Steinbrechanlage wurde der Bodenaushub im Zusammenhang mit den Bauarbeiten des Kraftwerksbaus gebrochen und die Anlage mit einem Bagger beschickt. Das gebrochene Material wurde mit einem Radlader auf LKW verladen und in der Folge wieder abtransportiert.

Für die Betriebsanlage der Klägerin wäre es bei Einhaltung der gesetzlichen Verwendungsdauer aufgrund der Entfernung der Brecheranlage zu keiner deutlichen Anhebung der Staubkonzentration gekommen.

Die Zweitbeklagte beauftragte für sämtliche mit der Errichtung des Kraftwerks verbundenen Bauarbeiten die Nebenintervenientin, die ihrerseits Subunternehmer, und zwar teilweise auf Regiebasis, zur Durchführung dieser Arbeiten beigezogen hat.

Die Nebenintervenientin hat von der Erstbeklagten Transportfahrzeuge (LKW und Bagger) samt Arbeitskräften angemietet. Die Arbeiter der Erstbeklagten sind über Weisung und Auftrag der Nebenintervenientin gefahren. Das im Eigentum der Erstbeklagten stehende GstNr 2/22 im Ausmaß von 5.389 m² wurde dabei als Baustelleneinrichtung zur Errichtung des Kraftwerks verwendet.

Die westlichen Teile der GstNr 2/22 und Nr 2/6 im Ausmaß von 3.000 m² wurden mit Vertrag vom 15. 1. 2011 von der Erstbeklagten an die Nebenintervenientin für die Dauer von 1. 1. 2011 bis 31. 5. 2012 vermietet, die diese Flächen als Baustelleneinrichtung, Manipulationsfläche und Lager für das Baustellenvorhaben der Zweitbeklagten in diesem Zeitraum verwendete. Als ausschließlicher Zweck war im Vertrag die Verwendung als Baustelleneinrichtung, Manipulationsfläche und Lager für das Kraftwerk‑Baustellenvorhaben der Zweitbeklagten vereinbart.

Der Klägerin war es nicht möglich, die Lackierarbeiten während des Kraftwerkbaus auszulagern.

Die Nebenintervenientin begann mit 9. 12. 2010 mit den Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung des Kraftwerks, wobei diese Arbeiten bis einschließlich 30. 5. 2012 andauerten. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum an 268 Tagen Bauarbeiten durchgeführt. Die Verlegung der Druckrohrleitung des Kraftwerks machte insbesondere auch Bauarbeiten auf Grundstücken im Eigentum der Zweitbeklagten erforderlich, die im unmittelbaren Nachbarbereich des Grundstücks der Klägerin gelegen sind.

Im Zuge der Bauarbeiten gingen sowohl von der sehr hohen Anzahl der Fahrbewegungen durch LKW, Bagger und sonstige Baumaschinen der Nebenintervenientin sowie ihrer Subunternehmer, wie auch der Erstbeklagten und von auf Grundstücken der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin ausgeführten Tätigkeiten sowie den dortigen Schutt- bzw Erdablagerungen ganz erhebliche und ungewöhnliche Staubimmissionen aus.

Der Bau eines Wasserkraftwerks stellt eine ungewöhnliche Bauführung dar, mit der in diesem Gewerbegebiet und dessen Umgebung nicht zu rechnen ist. Die Staubimmissionen waren gegenüber den vor und nach dem Kraftwerksbau im Bereich der Liegenschaft der Klägerin bestehenden Staubbelastungen ganz massiv höher. Das genaue Ausmaß dieser Immissionen und welcher Anteil jeweils von welchem der Grundstücke der Beklagten ausgegangen ist, steht nicht fest.

Von der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin wurden sowohl staubvermindernde Maßnahmen gesetzt als auch Reinigungsarbeiten veranlasst, die jedoch nicht geeignet waren, die von ihnen verursachten Staubimmissionen wesentlich zu verringern. Es steht nicht fest, ob der Erst- bzw der Zweitbeklagten bescheidmäßig die Verwendung einer Reifenwaschanlage aufgetragen worden ist; tatsächlich wurde eine solche jedoch nicht verwendet. Die Verwendung einer solchen Reifenwaschanlage entspricht bei einer solchen Großbaustelle jedoch dem Stand der Technik.

Die von den Grundstücken der Beklagten infolge des Kraftwerksbaus ausgehenden ortsunüblichen Staubimmissionen führten zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Betriebs der Klägerin, also der Nutzung der GstNr 2/15. So war etwa im Jahr 2011 ein zusätzliches Service bzw ein Austausch bei der Filteranlage der Lackierkabine der Klägerin notwendig, wodurch Kosten von 3.567,30 EUR anfielen. Weiters waren bei einer großen (nicht exakt feststellbaren) Anzahl von Fahrzeugen zusätzliche Reinigungsarbeiten vor der Lackierung im Ausmaß von einer Arbeitsstunde je Fahrzeug erforderlich. Diese Reinigungsarbeiten, die von sämtlichen Mitarbeitern der Klägerin durchgeführt wurden, sind als Hilfstätigkeiten zu qualifizieren und können auch von einem Leasingarbeiter bei gleichbleibender Qualität verrichtet werden. In einem solchen Fall beträgt der Kostenaufwand ca 35 EUR pro Fahrzeug. Sofern diese Arbeiten von einem gelernten Spengler durchgeführt werden, fallen dafür netto 92 EUR pro Fahrzeug an.

Es kam darüber hinaus auch zu deutlich vermehrten Staubeinschlüssen bei den Lackierarbeiten im Betrieb der Klägerin, die nicht auf ein Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter zurückzuführen waren. Solche Staubeinschlüsse erfordern durchschnittlich einen Mehraufwand (Nacharbeiten) von einer Stunde und dafür fallen netto 92 EUR an. Nicht festgestellt werden kann, bei wie vielen von der Klägerin bearbeiteten Fahrzeugen solche Nacharbeiten bzw zusätzliche Reinigungsarbeiten erforderlich waren.

Die Klägerin verlor eine nicht feststellbare Anzahl an Kunden dadurch, dass der Anfahrtsweg zum Betrieb aufgrund der Baustelle schwer verschmutzt war und es wegen der Verlegung der Druckrohrleitung zur Behinderung der Zufahrt und zu Wartezeiten in der Dauer von 15 bis 30 Minuten für die Kunden kam.

Die Umsätze im Betrieb der Klägerin betrugen in den Jahren

2008: 840.114,13 EUR

2009: 926.463,39 EUR

2010: 1.026.615,26 EUR

Ab dem Jahr 2011 sanken die Umsätze auf

2011: 706.133,51 EUR

2012: 652.339,31 EUR

2013: 636.917,00 EUR

Auch im Jahr 2014 waren die Umsätze der Klägerin weiter rückläufig.

Im Vergleich zu den Geschäftsergebnissen des Jahres 2008 kam es im Betrieb der Klägerin im Jahr 2011 zu einer Umsatzverminderung von 133.980,62 EUR und bei einem durchschnittlichen Wareneinsatz von 48,59 % zu einem Verdienstentgang von 68.879,44 EUR, im Jahr 2012 zu einer Umsatzverminderung von 187.774,82 EUR und zu einem Verdienstentgang von 96.535,03 EUR, gesamt 165.414,47 EUR.

Berechnet man den Verdienstentgang in Bezug auf den Vergleichszeitraum 2008 mit einem durchschnittlichen Wareneinsatz von lediglich 46,65 %, so errechnet sich der Verdienstentgang für die Jahre 2011 und 2012 mit 171.656,53 EUR.

Im Vergleich zu den Geschäftsergebnissen des Jahres 2009 kam es in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu einer Umsatzsteigerung von 96.232,92 EUR und bei einem Wareneinsatz von 48,59 % zu keinem Verdienstentgang, im Jahr 2011 hingegen zu einer Umsatzverminderung von 220.329,88 EUR und zu einem Verdienstentgang von 107.058,29 EUR, im Jahr 2012 zu einer Umsatzverminderung von 274.124,08 EUR und zu einem Verdienstentgang von 133.196,89 EUR, gesamt 254.198,78 EUR.

Berücksichtigt man den Verdienst der Klägerin aus zusätzlichen, außerordentlichen Aufträgen wegen Hagelschäden im Jahr 2010 nicht, so errechnet sich in Bezug auf den Vergleichszeitraum 2009 für die zweite Jahreshälfte 2010 ebenfalls ein Umsatzrückgang von 110.856,42 EUR und bei einem durchschnittlichen Wareneinsatz von 48,59 %, ein Verdienstentgang für diesen Zeitraum von 56.991,29 EUR, gesamt für die Jahre 2011 und 2012 sohin 311.190,07 EUR.

Vergleicht man die Geschäftsergebnisse der Jahre 2010, 2011 und 2012 hingegen mit den Geschäftsergebnissen des Jahres 2013 und zieht man dieses Jahr als Vergleichsmaßstab heran, so waren die Umsätze in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2010 um 309.083,51 EUR höher als im selben Zeitraum des Jahres 2013, sodass sich rechnerisch bei einem Wareneinsatz von 48,59 % kein Verdienstentgang ergibt. Auch im Jahr 2011 waren die Umsätze um 69.216,51 EUR höher als im Jahr 2013, im Jahr 2012 waren die Umsätze um 15.417,31 EUR höher, sodass sich rein rechnerisch bei einem Wareneinsatz von 48,59 % kein Verdienstentgang ergibt. Auch im Jahr 2011 waren die Umsätze um 69.216,51 EUR höher als im Jahr 2013, im Jahr 2012 waren die Umsätze um 15.417,31 EUR höher, sodass sich rein rechnerisch bei einem Wareneinsatz von 48,59 % kein Verdienstentgang ergibt.

Vergleicht man hingegen lediglich die Geschäftsergebnisse des ersten Halbjahres 2012 (1. 1. 2012 –31. 5. 2012) mit demselben Zeitraum im Jahr 2013, so waren die Umsätze in diesem Zeitraum des Jahres 2013 um 21.397,27 EUR höher als im selben Zeitraum des Jahres 2012.

Die Klägerin hat durch die von den Grundstücken der Beklagten ausgegangenen Staubimmissionen vom Dezember 2010 bis zum 31. 12. 2012 einen Verdienstentgang erlitten, wobei weder die genaue Höhe dieses Verdienstentgangs selbst noch jener Anteil, der auf die das ortsübliche Maß übersteigenden Immissionen zurückzuführen ist, genau feststellbar ist.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 350.000 EUR sA an Verdienstentgang, den sie von 1. 8. 2010 bis 31. 12. 2012 durch die Staubimmissionen infolge der Bautätigkeiten im Rahmen des Kraftwerksbaus erlitten habe. Die Beklagten hafteten für die von ihren Grundstücken ausgegangenen Immissionen und den der Klägerin dadurch entstandenen Schaden nach den Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB verschuldensunabhängig. Darüber hinaus sei beiden Beklagten ein erhebliches Organisationsverschulden anzulasten.

Die Erstbeklagte wandte ein, sie habe sich immer vertrags- und gesetzeskonform verhalten. Allfällige Staubimmissionen habe sie nicht zu vertreten. Sollte die Klägerin tatsächlich Umsatzeinbußen erlitten haben, seien diese auf deren Betriebsführung und nicht auf externe Einflüsse zurückzuführen.

Die Zweitbeklagte wandte ein, dass sie sich bewilligungskonform verhalten habe und Staubimmissionen auf das Betriebsgelände der Klägerin schon aufgrund der großen Entfernung unwahrscheinlich seien. Die Kausalität für allfällige Umsatzeinbußen der Klägerin werde bestritten.

Die Nebenintervenientin der Zweitbeklagten wandte ein, die bauausführenden Firmen hätten sämtliche Vorkehrungen getroffen, um Lärm- und Staubentwicklungen hintanzuhalten. Es sei darauf Bedacht genommen worden, die Zufahrtsmöglichkeit zum Betrieb der Klägerin zu wahren. Der Betrieb der Klägerin liege in einem Gewerbe- bzw Industriegebiet, in dem eine gewisse Staubbelastung ortsüblich sei. Durch die Bautätigkeit im Zusammenhang mit der Errichtung des Kraftwerks seien keine Staubimmissionen hervorgerufen worden, die über das ortsübliche Ausmaß hinausgegangen seien.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts zur Zahlung von 75.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 6. 2011 und wies das Mehrbegehren von 275.000 EUR sA ab. Es bejahte rechtlich einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch der Klägerin analog § 364a ABGB und die solidarische Haftung der Beklagten. Von der sehr hohen Anzahl der Fahrbewegungen der LKW, Bagger und sonstige Baumaschinen und den Schutt- und Erdablagerungen auf den Grundstücken der Beklagten seien ganz erhebliche und ungewöhnliche Staubimmissionen ausgegangen, welche gegenüber den vor und nach dem Kraftwerksbau bestehenden Staubbelastungen massiv höher gewesen seien. Diese ortsunüblichen Staubimmissionen hätten zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Betriebs der Klägerin auf dem GstNr 2/15 geführt. Nach § 364a ABGB sei das gesamte subjektive berechtigte Interesse, auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Zu ersetzen sei jener Schade, der gerade durch die über das zu duldende Maß hinausgehende Immission hervorgerufen werde. Dass dieser Nachweis praktisch kaum zu erbringen sei, könne nicht zur Verweigerung berechtigter Ansprüche führen. Vielmehr sei nach § 273 ZPO vorzugehen. Je nach Vergleichsjahr errechne sich ein Verdienstentgang zwischen 0 und ca 250.000 EUR. Setze man nun einen Mittelwert an, berücksichtige man die Berechnungen des lackiertechnischen Sachverständigen, ferner dass der festgestellte Verdienstentgang nur teilweise auf das Bauvorhaben zurückzuführen sei und dass nur jener Verdienstentgang maßgebend sei, der durch die über das zu duldende Maß hinausgehende Immission hervorgerufen wurde, erscheine ein Betrag von 75.000 EUR angemessen. Das Zinsenbegehren sei nicht substanziiert bestritten worden und finde der Höhe nach in § 1000 ABGB Deckung.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Seiten erhobenen Berufungen in der Hauptsache nicht Folge. In seiner rechtlichen Beurteilung begründete das Berufungsgericht – ausführlich – die (solidarische) Haftung der Beklagen nach § 364a ABGB dem Grunde nach für den der Klägerin durch die ortsunüblichen Staubimmissionen entstandenen Schäden. Es sah in der Ausmittlung der Schadenshöhe nach § 273 Abs 1 ZPO keinen Verfahrensmangel. Dessen Anwendung sei nicht auf geringfügige Forderungen beschränkt. Die Festsetzung des Betrags nach § 273 Abs 1 ZPO habe nach freier Überzeugung zu erfolgen. Dabei entschieden richterliche Erfahrung, allgemeine Lebenserfahrung oder auch die Zwischenergebnisse eines teilweise durchgeführten Beweisverfahrens. Bei der Überzeugungsbildung des Richters nach § 273 ZPO handle es sich um keine „Beweiswürdigung“ im engeren Sinn, doch habe das Gericht die Voraussetzungen für die Betragsfestsetzung nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis und anhand der Ergebnisse der gesamten Verhandlung zu würdigen. Die Anforderungen an das Beweismaß seien gegenüber jenen, die bei der freien Beweiswürdigung zu verlangen sind, deutlich herabgesetzt; „Schätzung“ ist von vornherein nur eine ungefähre Annäherung an die wirkliche Sachlage. Die vom Erstgericht zur Höhe des Schadens angestellten Überlegungen seien plausibel, zumal das Erstgericht vertretbar angenommen habe, dass nicht der gesamte, der Klägerin ab Beginn der Bauarbeiten entstandene Verdienstentgang auf den Kraftwerksbau zurückging. Berücksichtige man ferner, dass die Klägerin einen Verdienstentgang für den Zeitraum 1. 8. 2010 bis 31. 12. 2012 geltend mache, die Bauphase sich aber lediglich auf den Zeitraum vom 9. 12. 2010 bis 30. 5. 2012 erstreckt habe, ergebe sich auch bei Berücksichtigung gewisser Nachwirkungen aufgrund eines ziffernmäßig nicht feststellbaren Kundenverlusts, dass keinesfalls der gesamte von der Klägerin geltend gemachte Schaden ersatzfähig sei. Hinzu komme, dass ein Schadenersatzanspruch nicht für den gesamten, auf Staubimmissionen zurückzuführenden Schaden zustehe, sondern lediglich für jenen Teil, der das in einem Gewerbegebiet hinzunehmende und übliche Maß an Immissionen übersteige. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren sei der vom Erstgericht nach freier Überzeugung festgesetzten Betrag von 75.000 EUR nicht korrekturbedürftig.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 364a ABGB habe orientieren können und der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO zur Höhe des der Klägerin zustehenden Ausgleichsbetrags keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten und der Nebenintervenientin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der gänzlichen Klagsabweisung. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin erstattete eine ihr freigestellte Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, aber nur in ihrem Aufhebungsantrag betreffend den Zinsenzuspruch berechtigt.

Die Revisionswerber sind der Ansicht, die Klägerin habe weder einen Schaden schlüssig behauptet noch dessen Vorliegen und gegebenenfalls die Kausalität von überdies ortsüblichen Staubimmissionen bewiesen. § 273 Abs 1 ZPO dürfe aber nur angewendet werden, wenn ein Schaden dem Grunde nach feststehe. Selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 273 Abs 1 ZPO sei die Ermessensübung unrichtig erfolgt, sei doch unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin bereits für 2010 Verdienstentgang geltend gemacht habe, obwohl die Arbeiten erst im Dezember 2010 begonnen hätten. Unbedacht sei überdies geblieben, dass sich die Betriebsergebnisse der Klägerin auch 2013 und 2014 verschlechtert hätten, obwohl damals die Arbeiten längst abgeschlossen gewesen seien.

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Die Klägerin hat – zusammengefasst und gestützt auf bestimmte Urkunden – vorgebracht, dass ihr Betriebsergebnis bis zum Jahr 2010 positiv gewesen sei und sie in den Jahren 2011 und 2012 durch die von den Beklagten zu vertretenden, das ortsübliche Maß übersteigenden Staubimmissionen das Klagebegehren rechtfertigende Verluste erlitten habe. Dieses Vorbringen ist für einen Anspruch nach § 364a ABGB ausreichend und schlüssig.

2. Die Anwendbarkeit des § 364a ABGB und die in diesem Fall solidarische Haftung der Beklagten wird in der Revision nicht mehr grundsätzlich bezweifelt.

3. Das Erstgericht hat festgestellt, dass im Zuge der Bauarbeiten von der sehr hohen Anzahl der Fahrbewegungen durch LKW, Bagger und sonstige Baumaschinen insbesondere der Nebenintervenientin sowie der Erstbeklagten und den von diesen ausgeführten Tätigkeiten sowie den Schutt- und Erdablagerungen ganz erhebliche und ungewöhnliche Staubimmissionen ausgingen. Der Bau des Wasserkraftwerks stellte eine ungewöhnliche Bauführung dar, mit der in diesem Gewerbegebiet und dessen Umgebung nicht zu rechnen ist. Die Staubimmissionen waren gegenüber den vor und nach dem Kraftwerksbau im Bereich der Liegenschaft der Klägerin bestehenden Staubbelastungen ganz massiv höher. Dem zufolge ist erwiesen, dass von den inkriminierten Tätigkeiten der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin ortsunübliche Belastungen ausgegangen sind.

4. Das Erstgericht hat festgestellt, dass die von den Grundstücken der Beklagten infolge des Kraftwerksbaus ausgegangenen ortsunüblichen Staubimmissionen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Betriebs der Klägerin, also der Nutzung des GstNr 2/15, führten. So war etwa im Jahr 2011 ein zusätzliches Service bzw ein Austausch bei der Filteranlage der Lackierkabine der Klägerin notwendig. Weiters war bei einer großen Anzahl von Fahrzeugen zusätzliche Reinigungsarbeiten vor der Lackierung erforderlich. Es kam darüber hinaus auch zu deutlich vermehrten Staubeinschlüssen bei den Lackierarbeiten, die dann ein Nacharbeiten erforderten. Nach all dem steht fest, dass die Immissionen aufgrund der Tätigkeiten der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin ursächlich Schäden der Klägerin herbeiführten. Die gegenteiligen Behauptungen der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin gehen daher nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Insoweit ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt.

5. Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Frage. Das Berufungsgericht hat insoweit eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens verneint, womit diese Frage nicht revisibel ist (RIS‑Justiz RS0040364 [T3, T7], RS0040282 [insb T6]).

6. Mit Rechtsrüge ist nur überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (RIS‑Justiz RS0111576, RS0040341 [T13]). Gegen das von den Vorinstanzen im gegebenen Fall erzielte Anwendungsergebnis können die Revisionswerber keine überzeugenden Argumente ins Treffen führen:

6.1. Nach welchen Grundsätzen bei der Anwendung des § 273 ZPO vorzugehen ist, hat das Berufungsgericht ausführlich und zutreffend dargestellt. Auf diese Ausführungen wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

6.2. Die Revisionswerber behaupten, dass die Ursachen für ein schlechteres Betriebsergebnis im „Feldzug“ des Geschäftsführers der Klägerin gegen das Kraftwerksprojekt zu sehen seien, weil es dadurch zu einer Vernachlässigung des Betriebs der Klägerin durch deren Geschäftsführer gekommen sei. Dieser Behauptung fehlt jede Tatsachengrundlage.

6.3. Dass sich die Betriebsergebnisse in den Jahren 2013 und 2014 verschlechtert haben, trifft zwar zu, doch musste die Geschäftstätigkeit dieser Zeit gerade auch auf den hier zu beurteilenden Zeitraum betrieblicher Erschwernisse durch den Kraftwerkbau aufbauen. Es ist daher durchaus plausibel, dass die Vorinstanzen davor erzielte Betriebsergebnisse als Vergleichsgrundlage heranzogen, aus denen sich dann für die Jahre 2011 und 2012 erhebliche Verdienstrückgänge zeigen. Auch diese haben die Vorinstanzen nur teilweise berücksichtigt, um lediglich die aus ortsunüblichen Belastungen resultierenden Nachteile zu erfassen. Ein unrichtiges Ergebnis bei der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO zeigen daher die Revisionswerber in der Hauptsache nicht auf.

7. Den Revisionswerbern ist allerdings dahin beizupflichten, dass für den vom Berufungsgericht bestätigten Zinsenzuspruch ab 15. 6. 2011 keine taugliche Grundlage vorliegt:

7.1. Die Bestreitung des Klagebegehrens in erster Instanz wegen Unschlüssigkeit schließt auch die Bestreitung des Beginns des Zinsenlaufs mit ein (vgl RIS-Justiz RS0032066). Einer zusätzlichen und gesonderten Bestreitung durch die Beklagten bedurfte es daher – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – nicht.

7.2. Die Nebenintervenientin hat in ihrer Berufung den Zinsenzuspruch ausdrücklich bekämpft, doch hat sich das Berufungsgericht mit diesem Thema nicht befasst. Diese Frage ist also – entgegen der Meinung der Klägerin in der Revisionsbeantwortung – nicht aus dem Prüfungsrahmen ausgeschieden.

7.3. Nach den Feststellungen des Erstgericht dauerten die die Staubimmissionen auslösenden Bautätigkeiten von 9. 12. 2010 bis einschließlich 30. 5. 2012. Warum dann alle Schäden vor Beginn des Zinsenlaufes am 15. 6. 2011 entstanden sein sollen, ist nicht nachvollziehbar und die Vorinstanzen haben dies auch nicht begründet. Nur im Umfang des Zinsenzuspruchs ist demnach die Revision in ihrem Aufhebungsantrag berechtigt. Das Erstgericht wird sich bei seiner neuerlichen Entscheidung mit der Frage des Beginns des Zinsenlaufes inhaltlich zu befassen haben. Ob hiefür eine neuerliche Verhandlung erforderlich ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts überlassen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 43 Abs 2 ZPO. Die Aufhebung allein betreffend den Zinsenzuspruch ändert bei der im Übrigen erfolglosen Revision nichts an der Kostenersatzpflicht der Beklagten.

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