OGH 13Os10/17w

OGH13Os10/17w25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Chawarz A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Chawarz A***** und Adam K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Dezember 2015, GZ 53 Hv 74/15m‑120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00010.17W.0125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Chawarz A***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Chawarz A***** der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB (A/I) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (A/II), Adam K***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach §§ 12 zweiter Fall, 107 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben in W*****

(A) Chawarz A*****

I) vom 12. Februar 2015 bis zum 14. März 2015 gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den Lokalinhaber Ramiz S***** durch gefährliche Drohung zu monatlichen Schutzgeldzahlungen von 1.000 Euro zu nötigen versucht, indem er ihm wiederholt physische Repressalien gegen seine Person sowie sein Lokal androhte und dies letztlich wiederholt (US 6) durch mehrere Schüsse gegen die Fensterscheibe des Lokals unterstrich, sowie

II) am 17. März 2015 und am 19. März 2015 im Rahmen seiner Vernehmungen als Beschuldigter vor dem Bundeskriminalamt sowie dem Haft‑ und Rechtsschutzrichter Ramiz S***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung, nämlich des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG, wissentlich falsch verdächtigte,

(B) Adam K***** am 14. März 2015 Chawarz A***** dazu bestimmt, Ramiz S***** mittels Schussabgabe auf dessen Lokal gefährlich zu bedrohen, wobei der Vorsatz, konkret die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB), des Adam K***** bloß darauf gerichtet war, den Genannten hiedurch in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Chawarz A***** aus Z 4, 5, 5a, 9 (richtig) lit a, 9 (richtig) lit b und 10, von Adam K***** aus Z 10a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Chawarz A*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag, zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen einen Sachverständigen „aus der Rhetorik und Körpersprache beizuziehen“ (ON 113 S 25), zu Recht ab (ON 119 S 3), weil die Glaubwürdigkeit von Beweismitteln gemäß § 258 Abs 2 erster Satz StPO vom erkennenden Gericht zu beurteilen ist.

Die Hilfestellung durch einen Sachverständigen kommt dabei nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, in Betracht (15 Os 8/06z, SSt 2006/25; RIS‑Justiz RS0120634). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls wurde hier nicht behauptet.

Die Begründung, mit der das Erstgericht einen Beweisantrag abweist, ist als solche nicht Gegenstand der Verfahrensrüge (13 Os 104/06b, SSt 2006/86; RIS‑Justiz RS0116749 und RS0121628).

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider geht aus den Entscheidungsgründen deutlich (Z 5 erster Fall) hervor, auf welche Beweismittel das Erstgericht seine Feststellungen zur objektiven Tatseite stützt (US 8).

Mit dem weitwendigen Vorbringen zur Rolle eines hier eingesetzten verdeckten Ermittlers richtet sich die Beschwerde nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit dem Verweis auf das Vorbringen zur Mängelrüge nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0115902).

Die darüber hinausgehenden Ausführungen erschöpfen sich darin, der erstgerichtlichen Beweiswürdigung eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen, und verlassen solcherart ebenfalls den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (12 Os 38/04, SSt 2005/18; RIS‑Justiz RS0119583).

Rechtsrüge (Z 9 lit a und Z 9 lit b) sowie Subsumtionsrüge (Z 10) argumentieren nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts und entziehen sich solcherart einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0099810):

So setzt sich der Einwand fehlender Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der gefährlichen Drohung (Z 9 lit a) darüber hinweg, dass das Erstgericht insoweit ein über mehrere Wochen aufgebautes Drohungsszenario feststellt, das sich vom verbalen Androhen physischer Repressalien über diverse Drohgebärden bis hin zur Abgabe von Schüssen steigerte (US 4 bis 7).

Die Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Grundtatbestands des § 144 Abs 1 StGB (Z 9 lit a) und der Qualifikationsnorm des § 145 Abs 2 Z 1 StGB (Z 10) übergeht die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 6 f) nahezu gänzlich.

Entsprechendes gilt für den Einwand unzulässiger Tatprovokation (Z 9 lit b), welcher die gegenteiligen Feststellungen (US 6) bestreitet.

Zur „Anregung“ mehrfacher Antragstellung iSd Art 89 Abs 2 B‑VG genügt der Hinweis, dass der Gesetzgeber mit der seit 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage (BGBl I 2013/114 iVm BGBl I 2014/92) ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte ausdrücklich verneint hat (RIS‑Justiz RS0130514, jüngst 13 Os 148/15m; vgl auch Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 597 und § 285j; Rz 4–6).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Adam K*****:

Die Diversionsrüge (Z 10a) erschöpft sich in der Bestreitung der Sachverhaltsannahmen, die das Erstgericht der Ablehnung diversionellen Vorgehens zugrunde legte (US 23), und verlässt solcherart den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

Ein Urteil ist nämlich nur dann nichtig aus Z 10a des § 281 Abs 1 StPO, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 659).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung des Angeklagten Chawarz A***** wegen des Ausspruchs über die Schuld – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen gegen den Strafausspruch kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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