OGH 14Os122/16x

OGH14Os122/16x24.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert T***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/15 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 28. September 2016, GZ 37 Hv 28/16m‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00122.16X.0124.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Begründung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert T***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/15 (1) sowie des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. März 2009 in B*****

(1) seine aufgrund starker Alkoholisierung wehrlose Tochter Manuela S***** unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vollzog, wobei die Tat eine Schwangerschaft der Genannten zur Folge hatte;

(2) durch die zu (1) beschriebene Handlung mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider unterblieb die begehrte „Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im Zeitraum der vorgeworfenen Tat so sehr dem Alkoholismus verfallen war, dass er nicht in der Lage war, die Schuld seiner Tat einzusehen und sich danach zu verhalten, sodass er subjektiv den vorgeworfenen Sachverhalt nicht verwirklichen konnte“ (ON 64 S 7), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Welche im Verfahren hervorgekommenen tatsächlichen Umstände es dem erkennenden Schöffengericht erlauben könnten, mit Hilfe des besonderen Fachwissens eines Sachverständigen zu den für den rechtlichen Schluss auf Zurechnungsunfähigkeit erforderlichen Sachverhaltsannahmen zu gelangen, ließ der Antrag nämlich nicht erkennen (RIS‑Justiz RS0097641, RS0119248; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 347), womit er

auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS‑Justiz RS0118444 [T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 331).

Eine durch regelmäßigen Alkoholabusus bewirkte generelle Aufhebung (oder auch nur Einschränkung) seiner kognitiven Fähigkeiten hatte der Angeklagte gar nicht behauptet (ON 64 S 4). Verfahrensergebnisse zu den konkreten tataktuellen Trinkmengen lagen nicht vor. Auch sonst ergaben sich aus dem Beweisverfahren bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes keine Anhaltspunkte für eine volle Berauschung (also durch den Genuss von Alkohol bedingte Aufhebung der Diskretions‑ oder Dispositionsfähigkeit) zum Tatzeitpunkt (vgl vielmehr US 6 f iVm ON 64 S 6; RIS‑Justiz RS0107445). Daran ändert auch die Verantwortung des Beschwerdeführers nichts, der zwar in der Hauptverhandlung angab, „damals“ grundsätzlich getrunken zu haben, bis er „umfalle“ und auch zum Tatzeitpunkt „sicher betrunken“ gewesen zu sein (ON 64 S 4 und 7), sich aber – nach anfänglich jeglichen sexuellen Kontakt zu seiner Tochter leugnender Verantwortung – bloß allgemein auf eine Erinnerungslücke berief. Die Abweisung des Begehrens erfolgte daher zu Recht.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch 2 auf die – zufolge Ablebens der Mutter des Tatopfers – „unklare Beweislage“ verweist und aus eigenständig interpretierten Passagen aus der Aussage des Angeklagten den Schluss zieht, dieser habe „Zweifel bezüglich der Vaterschaft“ zu Manuela S***** gehabt, dabei aber dessen Eingeständnis ignoriert, nach dem er zum Tatzeitpunkt „schon geglaubt“ habe, dass die Genannte seine Tochter sei (ON 64 S 4), weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu einem darauf bezogenen bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers (RIS‑Justiz RS0099674).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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