OGH 5Ob233/16z

OGH5Ob233/16z23.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Grohmann, Mag. Wurzer, Mag. Malesich und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Dr. G* E*, gegen die Antragsgegnerin B*, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. September 2016, GZ 39 R 156/16d‑11, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. März 2016, GZ 43 Msch 13/15f‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E116961

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragsgegnerin schafft seit 1. 1. 2015 durch die gesonderte Vorschreibung der Betriebskostenposition „Versicherungen“ zwei Verrechnungskreise, weil sie Versicherungsbeträge für die von ihr selbst und ihr nahestehenden Organisationen genutzten Objekte („kirchlicher“ Teil) einerseits und die fremdgenutzten Objekte andererseits („weltlicher“ Teil) gesondert abrechnet. Durch diese Abweichung vom Verteilungsschlüssel des § 17 Abs 1 MRG wurden dem Antragsteller höhere Betriebskosten vorgeschrieben als sich unter Beachtung des gesetzlichen Verteilungsschlüssels ergäben.

Mit dem vom Rekursgericht bestätigten Sachbeschluss stellte das Erstgericht die Höhe der zulässigen monatlichen Pauschalraten für die vom Antragsgegner gemieteten Objekte top 5A/Stiege XI und top 6/Stiege XIII fest und sprach aus, dass der gesetzlich zulässige Mietzins für die Abrechnungsperiode 1. 1. 2015 bis 30. 6. 2015 durch die von der Antragsgegnerin vorgeschriebenen Pauschalraten um monatlich 21,60 EUR zuzüglich USt bzw monatlich 15,56 EUR zuzüglich USt überschritten worden sei.

Das Rekursgericht verwies darauf, dass eine Durchbrechung der Verteilungsgrundsätze des § 17 Abs 1 MRG nach der insoweit berichtigenden Rechtsprechung nur in – hier nicht zutreffenden – Ausnahmefällen und nur gegen nachträgliche Verrechnung des Mehrverbrauchs, nicht aber im Vorhinein durch Festlegung eines veränderten Verteilungsschlüssels zulässig sei, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil eine gefestigte oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob auch eine geringere als die durchschnittliche Nutzung oder niedrigere Versicherungsprämien eine Durchbrechung der Verteilungsgrundsätze des § 17 Abs 1 MRG rechtfertigten, nicht vorliege.

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. § 17 Abs 1 MRG normiert als Grundsatz die gleichförmige Verteilung der Gesamtkosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzflächen (RIS-Justiz RS0107467). Der Gesetzgeber hat hierbei die Einzelfallgerechtigkeit gegenüber der Verrechnungsvereinfachung zurückgesetzt (RIS-Justiz RS0120348). Der Begriff des „Hauses“ ist zwar nicht strikt liegenschaftsbezogen, doch ist aus der mehrfachen synonymen Verwendung von „Haus“ und „Liegenschaft“ abzuleiten, dass grundsätzlich auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abgestellt werden soll (RIS-Justiz RS0069823 [T1]). Die Identität von Haus und Liegenschaft ist also der Regelfall (5 Ob 213/03i; 5 Ob 43/05t; 5 Ob 123/11s; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 17 MRG Rz 2).

2. Richtig ist, wie die Revisionsrekurswerberin unter Verweis auf RIS-Justiz RS0118788 betont, dass Ausnahmen von der dargestellten liegenschaftsbezogenen Betrachtungsweise bei der Aufteilung der Betriebskosten in Betracht kommen können. Das ist etwa der Fall, wenn sich mehrere selbstständige Objekte auf einer Liegenschaft befinden, deren Gleichstellung nach den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu unbilligen Ergebnissen führen würde (5 Ob 593/90; 5 Ob 213/03i; 5 Ob 213/13d je mwN). Eine Trennung von Verrechnungskreisen ist also dort denkbar, wo sich mehrere selbstständige Objekte auf einer Liegenschaft befinden (RIS-Justiz RS0118788 [T1];5 Ob 213/03i). Die Frage, ob tatsächlich und wirtschaftlich voneinander getrennte selbstständige Objekte vorliegen, richtet sich aber nach der Verkehrsauffassung und ist damit eine typische Einzelfallbeurteilung (5 Ob 213/13d). Hinzu kommt, dass der auch hier zu beurteilende Gebäudekomplex in einem zwischen denselben Parteien anhängig gewesenen Verfahren im Lichte des § 17 MRG bereits als „Einheit“ beurteilt wurde (siehe dazu 5 Ob 123/11s).

3.1 Darüber hinaus billigt die Rechtsprechung eine nachträgliche Änderung des Verteilungsschlüssels in berichtigender Auslegung des § 17 MRG aus der Erwägung, dass dem Mieter, der unverhältnismäßig hohe Betriebskosten verursacht, aus Billigkeitsgründen allein das Übermaß unter Abweichung vom allgemeinen Betriebskostenschlüssel auferlegt wird (RIS-Justiz RS0114785; siehe auch Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 17 MRG Rz 8; E.MHausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 17 MRG Rz 6). Einen solchen aus Billigkeitserwägungen anzunehmenden Ausnahmefall sieht die Antragstellerin auch hier verwirklicht, weil – zusammengefasst – die verbrauchsunabhängigen niedrigeren Versicherungsprämien aus der unterschiedlichen Nutzung von Teilen des Gebäudekomplexes („kirchlicher“ Teil) resultierten und diese etwa 40 % der Gesamtfläche ausmachten. Dazu argumentiert sie, dass die Höhe der Versicherungsprämien außerhalb ihres Einflussbereichs liege und die Prämien im Vorhinein vorgeschrieben würden. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass sie selbst betont, die Unterschiede in der Höhe der Prämien resultierten aus der unterschiedlichen Nutzung. Die Art der Nutzung und somit das versicherte Risiko ist aber einzig von ihrer Entscheidung als Eigentümerin abhängig. Darüber hinaus gilt:

3.2 Den Billigkeitserwägungen für die Durchbrechung der Verteilungsgrundsätze des § 17 MRG liegt zugrunde, dass das von einem Mieter verursachte Übermaß an Betriebskosten nicht von allen Mietern, sondern nach dem Verursacherprinzip getragen werden soll. Die Belastung der übrigen Mieter mit dem von einem einzelnen Mieter verursachten unverhältnismäßig hohen Aufwand soll vermieden werden. Demgegenüber dient die nach Vorstellung der Revisionsrekurswerberin vorzunehmende Verteilung der Versicherungsprämien ausschließlich ihrer Entlastung („kirchlicher“ Teil). Für den Fall einer geringeren Nutzung (und damit einhergehend eines geringeren Verbrauchs von Betriebskosten) wurde aber bereits mehrfach ausgesprochen, dass am allgemeinen Betriebskostenschlüssel festzuhalten ist (5 Ob 213/03i mwN). Dem Fall einer geringeren Nutzung ist die aus der unterschiedlichen Art der Nutzung resultierende niedrigere Versicherungsprämie gleichzuhalten, sodass die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage bereits anhand gesicherter Rechtsprechung abschließend geklärt werden kann.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerinnen hingewiesen.

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