OGH 15Os122/16d

OGH15Os122/16d18.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Danil B***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 29. September 2016, GZ 608 Hv 3/16b‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00122.16D.0118.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Danil B***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 29. Mai 2016 in W***** Sajpuddin M***** zu töten versucht, indem er ihn mit der linken Hand über die Schulter am Brustkorb packte, zu sich drückte, ihm mit einem Klappmesser mit ca 7,5 cm Klingenlänge von hinten in den Rücken und in den Hals sowie – als M***** sich aus der Umklammerung lösen und sich zu B***** umdrehen konnte – in den linken Oberarm stach, wodurch dieser „eine an sich schwere Körperverletzung sowie eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung erlitt, nämlich Stich‑/Schnittverletzungen an der Halsvorderseite mit Beschädigung der rechten Unterkieferspeicheldrüse und des rechten Schulter‑Zungenbein‑Muskels, in der rechten mittleren Rückenregion auf Höhe der neunten Rippe, wobei aufgrund einer Flüssigkeitsansammlung in der Brusthöhle eine Blutung in der rechten Brustkorbhälfte diagnostiziert wurde, eine Durchschnittsverletzung an der Streckseite des linken Oberarmes mit Ein‑ und Ausstich und Beschädigung des darunterliegenden Muskels sowie streck‑ und daumenseitig und ca sieben cm oberhalb des Ellenhakens“.

Die Geschworenen bejahten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB) und verneinten die Zusatzfrage nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) oder Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB). Demgemäß blieben die Eventualfragen nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) und der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB) sowie nach dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 3 und Abs 4 zweiter Fall StGB) unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Soweit sich die Fragenrüge (Z 6), die eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§§ 15, 76 StGB) vermisst, auf die Verantwortung des Angeklagten, es habe einen jahrelangen Streit zwischen ihm und seiner Ex-Frau und deren neuem Mann gegeben, und auf die Aussage des Zeugen D*****, der andere [M*****] habe den Angeklagten gestoßen und geschlagen, stützt und dazu vorbringt, der Angeklagte habe aus Angst und Panik und Sorge um sein Leben gehandelt, ist sie zunächst darauf zu verweisen, dass eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) oder Notwehrüberschreitung aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken (§ 3 Abs 2 StGB) ohnehin gestellt wurde.

Ein Verfahrensergebnis der Hauptverhandlung, das darüber hinaus einen allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekt zur Tatzeit, der Anlass für die Tathandlung war (vgl hiezu RIS‑Justiz RS0092271), indizieren würde, bezeichnet die Rüge nicht und verfehlt so die gebotene Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS‑Justiz RS0117447; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23).

Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert eine Passage der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage, wonach die Geschworenen bei Annahme, der Angeklagte habe sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen, die Hauptfrage zu verneinen hätten und „dies in der Beantwortung der [tatsächlich nicht gestellten] Eventualfrage 1 zu klären“ sei. Soweit sich das Vorbringen der Rüge auf die Eventualfrage bezieht, ist der Rechtsmittelwerber darauf zu verweisen, dass die Rechtsbelehrung – wie die Beschwerde selbst zugesteht – nur insofern angefochten werden kann, als sie tatsächlich gestellte Fragen betrifft (RIS‑Justiz RS0101085). Dass sich die als undeutlich kritisierte Belehrung auf die Beantwortung der (bejahten) Hauptfrage ausgewirkt haben sollte, wird vom Beschwerdeführer – prozessordnungswidrig – nicht dargelegt, sondern lediglich behauptet (RIS‑Justiz RS0111311).

Aus welchem Grund die den Geschworenen zu Teil gewordene Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) eine Information über den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) hätte enthalten müssen, legt die Instruktionsrüge nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (vgl § 323 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0098508). Weshalb der Grundsatz „in dubio pro reo“ das „Verhältnis der Fragen zueinander“ betreffen sollte, macht die Beschwerde gleichfalls nicht klar.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich – so sei der Vollständigkeit halber angemerkt – auch unter Berücksichtigung der Einführung des § 14 StPO durch das Strafprozessreformgesetz nicht veranlasst, von seiner bisherigen Judikatur (vgl neuerlich RIS‑Justiz RS0098508) abzugehen, zumal die Darlegung von Beweisgrundsätzen ihren Platz in der mündlichen Besprechung gemäß § 323 Abs 2 StPO hat (zuletzt 15 Os 78/16h; vgl Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 15).

Mit dem neuerlichen Hinweis auf das „Fehlen“ einer Belehrung über den Zweifelsgrundsatz und Spekulationen über das Abstimmungsverhalten der Geschworenen zur Zusatzfrage gelingt es der ohne Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial argumentierenden (vgl aber RIS‑Justiz RS0117961) Tatsachenrüge (Z 10a) nicht, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Dass die Geschworenen tatsächlich nicht über den Zweifelsgrundsatz belehrt worden wären, behauptet die Rüge im Übrigen nicht einmal („Es wäre … unbefriedigend, wenn eine unterlassene Belehrung … nicht … geltend gemacht werden könnte“).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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