European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00241.16H.1222.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
1. Das Rekursgericht hat seinen über Antrag der Klägerin abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob, sollte die Rechtswidrigkeit einer Namensnennung von einer Interessenabwägung abhängen, eine zulässige (nicht unzulässige) Namensnennung stets ein Interesse des den Namen Nennenden an der Nennung (Veröffentlichung, Information) voraussetzt und nicht erst die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Genannten die Nennung rechtswidrig macht. Darauf kommt es hier aber gar nicht an:
1.1. Der erkennende Senat hat in der – ebenfalls die Klägerin, jedoch eine andere Suchmaschinenbetreiberin betreffenden – Entscheidung 6 Ob 26/16s (jusIT 2016, 107 [Thiele] = ZfRV‑LS 2016/29 [Ofner]) unter Hinweis auf ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgeführt, es bestehe kein allgemeines Recht, dass der Gebrauch des Namens eines anderen, soweit dies durch bloße Namensnennung geschieht, unterlassen werde; die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namensnennung ergebe sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage. Anders als bei der Verletzung des Namensrechts komme es bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Namensnennung nicht entscheidend darauf an, ob der Namensträger die Namensnennung gestattet hat; der Namensträger habe kein uneingeschränktes Recht zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf oder nicht. Der Gebrauch des Namens verstoße jedoch (nur dann) gegen § 16 ABGB, wenn die Namensnennung in einer schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigenden Weise erfolgt. Habe der Betroffene nicht zugestimmt und bestehe weder ein gesetzliches Verbot noch eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, hänge die Frage der Rechtswidrigkeit der Namensnennung deshalb von einer vorzunehmenden Interessenabwägung ab. Eine Verletzung liege regelmäßig vor, wenn über den Namensträger etwas Unrichtiges ausgesagt wird, das sein Ansehen und seinen guten Ruf beeinträchtigt, ihn bloßstellt oder lächerlich macht. Ist die Namensnennung nicht gesetzlich verboten und hat der Namensträger einen sachlichen Anlass zur Nennung seines Namens gegeben, dann wiege das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hingegen regelmäßig schwerer als der Schutz der Privatsphäre.
Wie eine gebotene Interessenabwägung ausfällt, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass dadurch – abgesehen vom Fall einer gravierenden Fehlbeurteilung – regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO berührt werden (siehe bloß 6 Ob 43/08d). Eine solche Fehlbeurteilung ist den Vorinstanzen hier aber nicht unterlaufen. Entscheidungsrelevant in dem der Entscheidung 6 Ob 26/16s zugrunde liegenden Verfahren war zu Lasten der Klägerin der Umstand, dass sie wieder als Zahnärztin arbeiten wollte, weshalb es für den erkennenden Senat nicht ersichtlich war, worin ihr legitimes Interesse an einer Geheimhaltung ihrer früheren Identität liegen sollte. Nach dem hier als bescheinigt angenommenen Sachverhalt bezieht die Klägerin eine geringe Alterspension und eine Ausgleichszulage, weshalb sie ohne Pensionskürzung etwas dazu verdienen könnte. Sie sieht sich angesichts der negativen Interneteinträge ihre Person betreffend „zwar derzeit“ außerstande, wieder als Zahnärztin tätig zu sein; dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage wäre, die Zahnarzttätigkeit wieder auszuüben, ist aber nicht bescheinigt. Ein wesentlicher Unterschied in den Sachverhaltsgrundlagen des Vorverfahrens und des nunmehrigen Verfahrens ist somit nicht erkennbar. Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Revisionsrekurs, es sei „absolut ausgeschlossen, dass [sie] jemals wieder als Zahnärztin tätig wird“, weichen vom als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ab.
Damit haben aber die Vorinstanzen die Begehren I)h) und I)i) (grundsätzliches Verbot der Autocomplete-Funktion der Beklagten hinsichtlich der beiden Namen der Klägerin) jedenfalls durchaus vertretbar abgewiesen.
1.2. Dies gilt auch für die Begehren I)e), I)f) und I)g). Die Autocomplete-Funktion der Beklagten verknüpft nach dem als bescheinigt angenommen Sachverhalt (vgl Seite 18 des erstinstanzlichen Beschlusses) den früheren Namen der Klägerin mit den Begriffen „zwijndrecht“ (jener Ort in den Niederlanden, an dem die Klägerin früher als Zahnärztin tätig war) sowie „tandarts“ (holländisch für Zahnarzt) und den nunmehrigen Namen der Klägerin mit dem Begriff „zahnärztin“. Es ist nicht ersichtlich, weshalb mit diesen Aussagen berechtigte Interessen der Klägerin beeinträchtigt werden sollten. Sie sind wahr, Ansehen und Ruf der Klägerin werden damit weder beeinträchtigt noch wird die Klägerin bloßgestellt oder lächerlich gemacht (6 Ob 26/16s; vgl auch 6 Ob 48/16a jusIT 2016/94 [Thiele]). Wie das Rekursgericht bereits zutreffend erkannt hat, wird durch die Auto-Vervollständigungsfunktionen auch die wahre Identität der Klägerin nicht offen gelegt, sieht die Suchmaschine der Beklagten doch – im Gegensatz zu jener, die Gegenstand der Entscheidung 6 Ob 26/16s war – keine Gleichstellung des früheren und des nunmehrigen Namens (oder umgekehrt) der Klägerin vor.
2. Es gelingt aber der Klägerin auch sonst nicht, in ihrem Revisionsrekurs erhebliche Rechtsfragen aufzuzeigen:
2.1. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 26/16s darauf hingewiesen, dass in diesem Verfahren die Frage, inwieweit der Suchmaschinenbetreiber verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine solche Namenssuche angezeigt wird, bestimmte Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, nicht zu beurteilen war. Zu dieser Frage hat zwar der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits klargestellt (Urteil Google Spain SL, C‑131/12, ECLI:EU:C:2014:317),
dass zur Wahrung bestimmter Rechte der Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist; sowie
dass zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht; da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art 7 und 8 der Charta der Grundrechte verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche; dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.
Für den Standpunkt der Klägerin kann daraus allerdings im Zusammenhang mit ihrem Begehren I)d) nichts gewonnen werden, weil bei Eingabe des früheren Namens der Klägerin in die der Beklagten zuzurechnende (dazu 5.) Suchmaschine unter dem Titel „VERMIST“ lediglich allgemeine Personeninformationen angegeben werden (etwa Name, Bild, Geburtsjahr, Größe udgl und Zwijndrecht, Niederlande) und die Information, dass I***** M***** „seit Dezember 2007 aus Zwijndrecht und aus den Augen verschwunden“ sei (die Klägerin macht insoweit nur geltend, dass ein falsches Geburtsjahr angegeben sei). Folgt man einem auf dieser Seite angeführten Link, gelangt man auf die Website A*****.COM, wo die Klägerin weder unter ihrem früheren noch unter ihrem geänderten Namen aufscheint. Es ist zwar auf Seite 18 von insgesamt 23 Seiten die Rede von einer N***** Ltd, die eine neue Geschäftsführerin habe, nämlich S***** S., wobei „offensichtlich die Berichterstattung über die vielfältigen Verwicklungen der flüchtigen Zahnärztin S***** S. dazu beigetragen [habe], dass sie schon wieder untergetaucht ist“. Da sich allerdings auf der ursprünglichen Seite keinerlei Hinweis auf die Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin findet, lässt sich eine Verbindung zwischen I***** M***** und der „flüchtigen Zahnärztin S***** S.“ nicht herstellen.
Die Klägerin, die im Übrigen (nur) die Löschung der Seite „VERMIST“ und des Links anstrebt, nicht jedoch die Streichung der genannten Seite aus der Ergebnisliste im Sinn der Entscheidung des EuGH, vermag auch im Revisionsrekursverfahren nicht darzustellen, weshalb sie durch die Seite „VERMIST“ in Zusammenhang mit der von ihr behaupteten „Rufmordkampagne“ gebracht und dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt werden soll.
2.2. Nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt werden die Suchdienstleistungen unter der Website https://*****.com nicht von der Beklagten betrieben, sondern von der US-amerikanischen Y***** Inc, die auch Inhaberin der genannten Website ist. Da sich die unter I)a) bis I)c) von der Klägerin inkriminierten Seiten auf der Website der Y***** Inc befinden, haben die Vorinstanzen das Antragsbegehren insoweit und zutreffend mangels Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Die Behauptung der Klägerin im Revisionsrekurs, es handle sich immer um „ein- und dieselbe Suchmaschine“, wurde im Verfahren erster Instanz nicht näher ausgeführt.
Es bedürfte aber einer näheren Darstellung, warum trotz der Feststellung, dass die Suchdienstleistungen nicht von der Beklagten betrieben werden, diese dafür einzustehen hat. Eine Aufhebung zur Erörterung des Vorbringens kommt im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0005452 [T11]).
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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