OGH 15Os119/16p

OGH15Os119/16p14.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich V***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 21. April 2016, GZ 41 Hv 8/15i‑58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00119.16P.1214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich V***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II) sowie des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** von Anfang Mai 2010 bis Ende Juni 2011 mit der am 10. November 2001 geborenen, somit unmündigen Adriana S*****

I) den Beischlaf sowie dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in ihre Vagina

1. mit seinem Glied eindrang und einen Finger einführte,

2. einen Finger einführte;

II) die zu I) beschriebenen geschlechtlichen Handlungen an seiner minderjährigen Enkeltochter vorgenommen;

III) durch die zu Punkt I) genannte Tat mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner leiblichen Enkeltochter den Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den Antrag des Angeklagten auf Ladung und Vernehmung der Alina‑Liljana L***** als Zeugin „zum Beweis des Tatzeitraumes und der Anwesenheit der Zeugin in der Wohnung des Angeklagten“ (ON 56 S 12). Durch dessen Abweisung wurden entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, dass er einen für die Schuld‑ oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft (RIS‑Justiz RS0116503 [T2, T5]), zumal der Beschwerdeführer darin nicht einmal behauptete, dass die Genannte, die zur Tatzeit mit ihm gemeinsam lebte, sich durchgehend in seiner Nähe aufgehalten hätte.

Die Aussage der Zeugin Simona‑Carmen V*****, der Angeklagte wäre nie mit seiner Enkelin allein gewesen, war entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht erörterungsbedürftig, weil Gegenstand einer Zeugenaussage nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen sind (RIS‑Justiz RS0097545). Die vom Beschwerdeführer angesprochene Äußerung betrifft hingegen eine Schlussfolgerung, weil die Zeugin, die sich von Mai 2010 bis Ende Juli 2011 in Rumänien in Haft befand, zu dieser Annahme lediglich aufgrund des Umstands kam, dass während dieser Zeit L***** beim Angeklagten gewohnt hatte.

Soweit die Tatrichter erwogen, dass die verfahrensgegenständlichen Vorwürfe mit dem gewalttätigen und rücksichtslosen Verhalten des Angeklagten gegenüber seiner Familie in Einklang stünden, stützten sie sich– entgegen dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) – auf die Aussagen mehrerer Zeugen (US 6).

Die weitere Argumentation der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) verkennt, dass die Tatzeit in der Regel – wie auch hier, weil weder Verjährung noch das Schutzalter des Opfers fraglich sind – keine entscheidende Tatsache ist (RIS‑Justiz RS0098557 [T14]). Im Übrigen haben sich die Tatrichter – wie der Nichtigkeitswerber ohnedies zugesteht – betreffend den Tatzeitraum auf die Angaben der Zeugin Adriana S***** gestützt.

Unter Z 5a kritisiert der Angeklagte, dass in der Hauptverhandlung Jasmine und Daniel S***** nicht als Zeugen vernommen und dort auch ein Schreiben der Erstgenannten vom 8. April 2016 (ON 54) nicht erörtert wurde, in welchem sie als Mutter des Opfers ausgeführt habe, dieses habe schon des öfteren seine Eltern belogen und sie (die Mutter) wisse, dass „auch dieser Fall eine Lüge“ wäre. Aus dem angeführten Nichtigkeitsgrund können Mängel der Sachverhaltsermittlung nur mit der Behauptung gerügt werden, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823). Indem der Angeklagte ausführt, das Schöffengericht hätte ihn im gesamten Beweisverfahren nicht auf das bezeichnete Schreiben hingewiesen, wird nicht klar, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, vor der Hauptverhandlung in die Strafakten Einsicht zu nehmen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) beruft sich auf den Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB. Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (Z 10) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580). Dem wird die Rechtsrüge jedoch nicht gerecht, weil sowohl die Aussage der Zeugin Adriana S*****, der Angeklagte habe während ihrer Besuche „nebenbei immer Alkohol getrunken“, als auch die Angabe der Rebecca V*****, der Angeklagte sei Alkoholiker und müsse zusätzlich noch die Medikamente einnehmen, nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmendes Indiz für dessen Zurechnungsunfähigkeit während der Tatzeit von vornherein ausscheiden (vgl Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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