OGH 25Os2/16f

OGH25Os2/16f7.12.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn LL.M. als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 16. März 2016, AZ D 1/15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0250OS00002.16F.1207.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten gemäß § 28 Abs 3 DSt fest, dass kein Grund zur disziplinären Behandlung des Rechtsanwalts ***** wegen Berufspflichtenverletzung oder Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehens des Standes hinsichtlich des Vorwurfs bestehe, er habe am 22. Dezember 2014 in Klagenfurt in Vertretung des Peter B***** durch eine Sachverhaltsmitteilung an die Landespolizeidirektion Kärnten, in der er anregte, den Prozessgegner seines Mandanten in den Verfahren AZ ***** des Landesgerichts L***** und AZ ***** des Bezirksgerichts V*****, Dr. Helfried K*****, einer amtsärztlichen Untersuchung zur Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeugs zu unterziehen, weil dieser an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, ein sachlich nicht gerechtfertigtes Druckmittel gegen den Genannten und dessen Tatsachenbehauptungen in den bezeichneten Verfahren angewendet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die – die Fassung eines Einleitungsbeschlusses begehrende – Beschwerde des Kammeranwalts; sie schlägt fehl.

Aufgrund des Akteninhalts ist – soweit im Beschwerdeverfahren relevant – von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte war bevollmächtigter Vertreter des Peter B***** in den Verfahren AZ ***** des Landesgerichts L***** und AZ ***** des Bezirksgerichts V*****. Diesen lag eine Auseinandersetzung im Straßenverkehr vom 1. Oktober 2011 zwischen dem Genannten und Dr. Helfried K***** zugrunde, die im Strafverfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung B*****s wegen Nötigung (nicht aber wegen unter einem vorgeworfener Körperverletzung) und zum Zuspruch von 500 Euro Schmerzengeld an Dr. K***** als Privatbeteiligten führte, während der Letztgenannte mit seinem Mehrbegehren von rund 9.700 Euro auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Das deswegen geführte Zivilverfahren ist noch nicht abgeschlossen. In beiden Verfahren behauptete Dr. K***** sinngemäß, durch das Nötigungsverhalten B*****s schwer traumatisiert zu sein und eine posttraumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert erlitten zu haben, die nach wie vor anhalte. Über ausdrücklichen Auftrag B*****s erstattete der Beschuldigte – während Anhängigkeit beider Verfahren – die oben referierte Sachverhaltsmitteilung an die Landespolizeidirektion Kärnten.

Gemäß § 9 Abs 1 RAO ist der Rechtsanwalt befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.

Gemäß § 2 der (mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft getretenen, aber auf bis zu diesem Tag gesetzte Sachverhalte weiterhin anzuwendenden [§ 59 Abs 2 und 3 RL-BA 2015]) Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (RL-BA) 1977 darf der Rechtsanwalt bei der Erfüllung seines Auftrags keine sachlich nicht gerechtfertigten Druckmittel ankündigen oder anwenden. Ein Druckmittel ist sachlich nicht gerechtfertigt, wenn es keinen Sachbezug zum Mandat oder zum angestrebten Erfolg hat (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 2 RL-BA 1977, Rz 15).

Zwar mag die Sachverhaltsmitteilung an die Führerscheinbehörde – aufgrund der unterschiedlichen Interessen Dris. K***** in Bezug auf die Auswirkungen der behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigung – für diesen ein Druckmittel in Bezug auf sein Aussageverhalten dargestellt haben (vgl RIS-Justiz RS0056346 [T6]), zum Mandat und zum angestrebten Erfolg, nämlich der Abwehr geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche, war die (über Auftrag des Mandanten erfolgte) Anregung der Überprüfung des vom Prozessgegner behaupteten Gesundheitszustands in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht ohne Sachbezug, hätte doch dessen Ergebnissen auch Beweisrelevanz in den wegen der zivilrechtlichen Ansprüche geführten Verfahren zukommen können (vgl [zu § 21 RL‑BA 1977] 25 Os 7/15i, AnwBl 2017/8474, 44).

Sie war auch insoweit legitim, als es zum einen jedermann (als an der Sicherheit im Straßenverkehr interessiertem Verkehrsteilnehmer) freisteht, Wahrnehmungen, die für ein Fehlen der gesundheitlichen Eignung eines Führerscheininhabers zum Lenken eines Kraftfahrzeugs (§ 8 FSG) sprechen, der für die Überprüfung der Fahrtauglichkeit zuständigen Behörde (§ 24 FSG) mitzuteilen, und zum anderen der Beschuldigte die Sachverhaltsmitteilung als Rechtsvertreter nach sorgfältiger Prüfung aufgrund einer tragfähigen Sachverhaltsgrundlage (vgl RIS-Justiz RS0056913) erstattet hat.

Weil der Beschuldigte sohin ein sachlich gerechtfertigtes Druckmittel angewendet hat, war der unbegründeten Beschwerde – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.

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