European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00094.16D.1129.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu (richtig:) I/A und B als erwiesen angenommenen Tatsachen als (mehrere) Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (im Schuldspruch [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] verfehlt als „1“ bezeichnet), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung unter teilweiser Neufassung des Schuldspruchs zu Recht erkannt:
David I***** hat durch die zu (richtig:) I/A und B genannten Taten in zahlreichen Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und dadurch mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG begangen.
Er wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegenden Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (richtig: II) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Strafe von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Ihrer Berufung gegen die Verfallsentscheidung wird Folge gegeben und gemäß § 20 Abs 1 StGB der sichergestellte Bargeldbetrag von 820 Euro für verfallen erklärt.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde David I***** – insoweit abweichend von der auf das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG gerichteten Anklage – jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (richtig: zu I/A und B) sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (richtig: zu II) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein zwölfmonatiger Strafteil für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Gemäß § 26 StGB iVm § 34 SMG wurde „auf Einziehung des sichergestellten Suchtgifts“ erkannt und „gemäß § 20a Abs 3 StGB … vom Ausspruch des Verfalls abgesehen“.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat David I***** in W*****
(I) von Anfang 2015 bis zum 31. März 2016 gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar
A) insgesamt 2.129 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 1,54 % Heroin, sohin etwa 30 Gramm reines Heroin, und zwar Bruttomengen von
1) ca 1.100 Gramm an Dennis L*****
2) ca 84 Gramm an Jennifer H*****,
3) ca 10 Gramm an Daniel A*****,
4) 585 Gramm an Denise Lo*****,
5) 100 Gramm an Heinz D*****,
6) 250 Gramm an Harald Ha*****,
(B) insgesamt 408 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 18,47 % Cocain, sohin ca 70 Gramm reines Kokain, und zwar Bruttomengen von
1) ca 280 Gramm an Dennis L*****,
2) ca 64 Gramm an Daniel M*****,
3) 64 Gramm an Ahmed Ib*****;
(II) am 31. März 2016 38,9 Gramm Heroin, 4,4 Gramm Kokain und 1,1 Gramm Cannabiskraut erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Sie weist zutreffend darauf hin, dass das Schöffengericht in Betreff des Schuldspruchs (richtig:) I/A und B sämtliche für die Subsumtion als (mehrere, nämlich etwa 14) Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG in objektiver und subjektiver Hinsicht erforderlichen Feststellungen getroffen, das Verhalten jedoch – wie schon in der schriftlichen Urteilsausfertigung klargestellt (US 9) – rechtsirrig bloß § 27 Abs 1 achter Fall, Abs 3 SMG unterstellt hat, und macht damit zu Recht einen Subsumtionsfehler geltend (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 610).
Nach den erstgerichtlichen Konstatierungen hatte David I***** nämlich – soweit hier wesentlich – von Anfang 2015 bis 31. März 2016 den bestehenden Vorschriften zuwider insgesamt 2.129 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 1,54 % Heroin und 408 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 18,47 % Cocain, sohin 30 Gramm reines Heroin und 70 Gramm reines Kokain, in zahlreichen Angriffen durch gewinnbringenden Verkauf den im Urteil namentlich genannten Abnehmern überlassen. Zur subjektiven Tatseite trafen die Tatrichter die – für die Zusammenrechnung von Einzelmengen aus verschiedenen Tathandlungen entscheidende – Feststellung, dass der Angeklagte die Einzelakte (A/1 bis 6 und B/1 bis 3) im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung kontinuierlich gesetzt und sein diesbezüglicher Vorsatz jeweils (also von vornherein) die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst hat (US 5 f; RIS‑Justiz RS0124018, RS0117463, RS0088096).
Dem Angeklagten, der keine Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft eingebracht hat, wurde vor dem Gerichtstag eine Frist für das deutliche und bestimmte Vorbringen von Einwänden gegen die in Rede stehenden Feststellungen im Sinn der Z 2 bis 5a des § 281 Abs 1 StPO eingeräumt (vgl zur Vorgangsweise für viele: 13 Os 100/09v). Derartige Mängel oder erhebliche Bedenken wurden weder in der vom Angeklagten erstatteten Äußerung aufgezeigt, noch haben sie sich aus der amtswegigen Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ergeben (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 415). Daher war die Grundlage für die – im Spruch ersichtliche – abschließende rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts gegeben (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).
Bei der Neubemessung der Strafe war als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen sowie der lange Tatzeitraum von etwa fünfzehn Monaten zu werten, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und sein teilweises reumütiges Geständnis.
Davon ausgehend entspricht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.
Mit Blick auf die aufgezeigten Strafzumessungsgründe kam zwar eine gänzliche bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht, der bedingten Nachsicht eines Strafteils von sechzehn Monaten standen aber weder spezial- noch generalpräventive Erwägungen entgegen.
Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Ihrer (irrig als Beschwerde bezeichneten) Berufung gegen das Unterbleiben der Anordnung des Verfalls (§ 443 Abs 3 StPO) kommt Berechtigung zu.
Sie zeigt zutreffend auf, dass das Erstgericht rechtsirrig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 20a Abs 3 StGB ausging, obwohl nach dem – in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 46 S 18) – Bericht des Landeskriminalamts Niederösterreich anlässlich einer am 31. März 2016 durchgeführten Persons‑ und Hausdurchsuchung Bargeld in Höhe von 820 Euro beim Angeklagten sichergestellt wurde (ON 10 S 43, ON 19) und der Erlös aus Suchtgifthandel (in Höhe von etwa 5 Euro pro Gramm) nach seiner Verantwortung seine einzige Einkommensquelle darstellte (ON 46 S 4 ff; vgl auch ON 46 S 17). Unter Zugrundelegung dieser Verfahrensergebnisse war auf Basis der oben zitierten Urteilsannahmen zu den für die Lösung der Schuld‑ und der Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen die Feststellung zu treffen, dass es sich bei diesen Vermögenswerten um solche handelt, die David I***** durch die dem Schuldspruch I/A und B zugrundeliegenden strafbaren Handlungen erlangt hat ( Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 14). Damit lagen die Voraussetzungen für einen – obligatorischen – Ausspruch über einen Verfall nach § 20 Abs 1 StGB betreffend einen Geldbetrag in der genannten Höhe vor, der – mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe für das Unterbleiben des Verfalls – anzuordnen war (zum Ganzen Ratz, WK‑StPO § 295 Rz 2 ff, 15 ff; vgl auch 14 Os 147/14w).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.
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