European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00128.16H.1122.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung:
Die Liegenschaft EZ ***** GB ***** P***** stand zum Zeitpunkt der Antragstellung im Miteigentum der W***** T***** (ein Drittel, B-LNr 1) und des Ing. A***** N***** (zwei Drittel, B-LNr 2 und B-LNr 3). Der Grundbuchskörper umfasst neun Grundstücke der KG ***** P***** und zehn Grundstücke der KG ***** K*****, darunter auch das Grundstück 223/3.
Mit Notariatsakt vom 6. 6. 2014 schenkte W***** T***** ihren 1/3-Anteil an dem Grundstück 223/3 der Antragstellerin.
Am 7. 8. 2014 beantragte die Antragstellerin aufgrund dieses Schenkungsvertrags in der KG ***** K***** die Eröffnung der neuen EZ *****, in der EZ ***** KG ***** P***** die Abschreibung des Gst 223/3 KG ***** K***** und dessen Zuschreibung zur neu eröffneten EZ ***** KG ***** K***** unter Mitübertragung der Eintragungen B‑LNr 2, B‑LNr 3 und C‑LNr 15 (Pfandrecht) zur neuen EZ ***** sowie die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin zu 1/3 (hinsichtlich der Liegenschaft).
Mit Beschluss vom 26. 8. 2014 bewilligte das Erstgericht dieses Grundbuchsgesuch.
Mit Beschluss vom 30. 1. 2015 stellte das Erstgericht als Pflegschaftsgericht der Geschenkgeberin W***** T***** einen Sachwalter zur Regelung der finanziellen Angelegenheiten und der Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden bei.
Der zum Zeitpunkt der Antragstellung im Grundbuch eingetragene Miteigentümer Ing. A***** N***** verstarb am 7. 7. 2013. Am 11. 5. 2015 wurde der Einschreiterin R***** J***** dessen Nachlass zur Gänze eingeantwortet. Am 2. 6. 2015 erlangte sie durch Akteneinsicht ihres bevollmächtigten Vertreters Kenntnis von dem Beschluss des Erstgerichts vom 26. 8. 2014. Gegen diesen erhob sie Rekurs.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Einschreiterin Folge und wies das Grundbuchsgesuch ab. Das Grundbuchsgericht habe die Verbücherung des Schenkungsvertrags vom 6. 6. 2014 gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG zu verweigern, weil wegen der Bestellung eines Sachwalters Bedenken an der Verfügungsfähigkeit der Geschenkgeberin bestünden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es geboten, die Indizwirkung einer notwendig gewordenen Sachwalterbestellung für eine anzunehmende Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Betroffenen auf maximal ein Jahr vor den Bestellungsakt auszudehnen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag diese dahin abzuändern, dass die begehrten Eintragungen bewilligt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Wahrnehmung eines weiteren Abweisungsgrundes zulässig; er ist daher auch nicht berechtigt.
1. Nach § 3 Abs 1 LiegTeilG ist zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers die Zustimmung der Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind (Buchberechtigte), nicht erforderlich, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese, und zwar die Pfandrechte als Simultanhypotheken, eingetragen werden.
2. In den Entscheidungen 5 Ob 99/65 und 5 Ob 108/66 hat der erkennende Senat die Bestimmung des § 3 Abs 1 LiegTeilG auch auf den Fall angewandt, dass für das abgeschriebene Grundstück eine neue Einlage eröffnet und das Miteigentumsrecht eines Teilhabers mitübertragen wird. Zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers sei nicht die Zustimmung aller Miteigentümer notwendig, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Miteigentümer in diese neue Einlage übertragen werden (vgl RIS-Justiz RS0066239).
3. In seiner Entscheidung 5 Ob 96/95 wies der Senat darauf hin, dass gemäß § 828 zweiter Satz ABGB [idF vor BGBl I 2002/71] kein Teilhaber eine Änderung der gemeinschaftlichen Sache vornehmen darf, durch die über den Anteil des anderen verfügt würde. Mit der dort zu beurteilenden lastenfreien Übereignung eines Grundstücksteils an einen Dritten durch die Abschreibung des Trennstücks sei eine solche Verfügung über den Miteigentumsanteil zweifellos verbunden, sodass auf die Zustimmung der anderen Teilhaber (oder eine diese Zustimmung ersetzende gerichtliche Entscheidung) nicht verzichtet werden könne. Der von der Judikatur dem § 3 Abs 1 LiegTeilG unterstellte Fall, dass für das abgeschriebene Grundstück eine neue Einlage eröffnet und das Miteigentumsrecht des (ansonsten zustimmungsberechtigten) anderen Teilhabers mitübertragen werde, liege eben nicht vor.
4. Hoyer (Glosse zu 5 Ob 96/95, NZ 1996/362) sieht in der Entscheidung 5 Ob 96/95 ein „vorsichtiges Distanzieren“ von der Vorjudikatur, die § 3 Abs 1 LiegTeilG auch dann angewandt habe, wenn für das abgeschriebene Grundstück eine neue Einlage eröffnet und das Miteigentumsrecht des Teilhabers mitübertragen werde, der seine Zustimmung nicht erklärt habe. Offenbar bahne sich hier eine Änderung der Rechtsprechung an, die nur begrüßt werden könnte: Reale Teilung von Liegenschaften könne auch bei gleichbleibender Eigentümerstruktur Nachteile hervorrufen, man denke nur an Mindestgrößen von Bauparzellen. Unter Berufung auf diese Ausführungen Hoyers (aaO) vertritt auch Kodek (in Kodek, Grundbuchsrecht § 80 GBG Rz 3) die Auffassung, dass ein Miteigentümer die Abschreibung eines Grundstücks, die Eröffnung einer neuen Einlage hierfür und die Eintragung eines Rechts auf seinem Miteigentumsanteil nicht allein beantragen darf. Mahrer (in Kodek, Grundbuchsrecht § 3 LiegTeilG Rz 4) folgt hingegen der älteren Judikatur. Zum Antrag auf Abschreibung eines Grundstücks von einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft seien zwar grundsätzlich nur alle Miteigentümer gemeinsam berechtigt, es sei denn, die Zustimmung der übrigen Miteigentümer werde urkundlich nachgewiesen oder es werde gleichzeitig eine neue Einlage eröffnet, in die mit dem Grundstück sämtliche Rechte der Buchberechtigten mitübertragen werden. Auch nach Feil/Marent/Preisl (Grundbuchsrecht § 80 Rz 1) bedarf ein Miteigentümer, der um die Abschreibung eines Grundstücks, die Eröffnung einer neuen Einlagezahl hiefür und um Eintragung eines Rechts auf seinem Miteigentumsanteil in dieser neuen Einlage einschreitet, nicht der Zustimmung der übrigen Miteigentümer.
5.1 Die in § 3 Abs 1 LiegTeilG normierte Befreiung von der Zustimmungspflicht bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf alle Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind; diese Personen werden in einem nachgestellten Klammerausdruck auch als „Buchberechtigte“ bezeichnet. Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben (RIS-Justiz RS0008788 [T3]). Bleiben im Rahmen des möglichen Wortsinns Unklarheiten über die konkrete Bedeutung eines Wortes oder Rechtssatzes bestehen, muss der Rechtsanwender vielmehr versuchen, aus dem Bedeutungszusammenhang (systematisch-logische Auslegung; vgl 10 ObS 50/12v) und dem Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung (objektiv-teleologische Interpretation; vgl RIS-Justiz RS0008790) ein eindeutiges Auslegungsergebnis zu erzielen.
5.2 Die Befreiung von der Zustimmungspflicht basiert auf der Erwägung, dass durch die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers im Grundbuch eingetragene Rechte nicht verletzt werden können, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und diese Rechte in diese eingetragen werden. Für das bücherliche Recht des Miteigentums gilt dies jedoch insofern nicht, als schon die zustimmungslose Abschreibung als solche eine Verletzung der Eigentümerrechte darstellt. Nach § 828 Abs 1 zweiter Satz ABGB darf nämlich kein Miteigentümer gegen den Willen der übrigen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen, wodurch über den Anteil der anderen verfügt würde (RIS-Justiz RS0013205 [T10]). Die Verfügung über die gemeinschaftliche Sache (Sachverfügung) steht nur allen Teilhabern gemeinsam zu, für diese verlangt § 828 Abs 1 ABGB die Zustimmung sämtlicher Teilhaber (Sailer in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger,ABGB³ § 828 Rz 1; H. Böhm in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 828 Rz 5; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 828 ABGB Rz 4; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 828 Rz 1; Terlitza, Zur Abgrenzung von Verwaltung und Verfügung - eine dogmatische Frage von eminenter praktischer Bedeutung, wobl 2011, 185 [187]). Verfügungsmaßnahmen iSd § 828 ABGB, also Maßnahmen, die solche Auswirkungen auf die gemeinsame Sache haben, dass sie sich im gemeinsamen Recht und/oder den Anteilsrechten der Teilhaber niederschlagen (Terlitza aaO, wobl 2011, 185 [187]), können tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein. Beispiele rechtlicher Verfügungen sind die Veräußerung der gemeinsamen Sache, deren Belastung oder auch der Erwerb dinglicher Rechte (5 Ob 116/01x, 5 Ob 214/01h; vgl RIS-Justiz RS0109188 [T5, T6]; H. Böhm aaO § 828 Rz 5; Tanczos/Eliskases aaO § 828 Rz 1).
5.3 Die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ist eine Sachverfügung iSd § 828 Abs 1 ABGB (vgl 5 Ob 96/95) und bedarf daher der Zustimmung sämtlicher Teilhaber. § 3 Abs 1 LiegTeilG, der sich seinem Wortlaut nach auf alle Personen bezieht, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind, ist daher teleologisch zu reduzieren. Es ist zwischen Miteigentümern und sonstigen Buchberechtigten zu differenzieren; für Miteigentümer gilt die darin normierte, der materiell-rechtlichen Regelung des Miteigentums widersprechende Befreiung von der Zustimmungspflicht nicht.
5.4 Zusammenfassend hält der erkennende Senat daher die in seiner älteren Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0066239) vertretene Auffassung nicht weiter aufrecht. Zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ist vielmehr die Zustimmung aller Miteigentümer auch dann notwendig, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Eigentumsrechte der Miteigentümer in diese neue Einlage übertragen werden.
Die Zustimmung des früheren Miteigentümers hat die Antragstellerin nicht in grundbuchsfähiger Form nachgewiesen.
Dem Revisionsrekurs kommt somit auch aus diesem Grund keine Berechtigung zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats findet im Grundbuchsverfahren kein Kostenersatz statt (RIS-Justiz RS0035961).
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