European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00037.16D.1116.000
Spruch:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Klaus K***** gegen die Antragsgegnerin A***** GmbH wegen §§ 9 ff MedienG, AZ 91 Hv 49/15i des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. März 2016, AZ 18 Bs 318/15v, im Unterbleiben des Ausspruchs der Aufhebung der Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2015, GZ 91 Hv 40/15s‑10 und GZ 113 Hv 49/15a‑11, § 16 Abs 2 MedienG.
Die beiden letztgenannten Urteile werden ersatzlos aufgehoben.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Der Erneuerungsantrag wird abgewiesen.
Gründe:
In den beiden – aufgrund von seperat eingebrachten Anträgen des Klaus K***** eingeleiteten – Medienrechtssachen gegen die Antragsgegnerin A***** GmbH, AZ 91 Hv 40/15s (in dem die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der Tageszeitung „H*****“ involviert ist) und AZ 113 Hv 49/15a (in dem die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der unter www.h *****.at abrufbaren Online‑Ausgabe der Tageszeitung „H*****“ belangt wird), trug das Landesgericht für Strafsachen Wien mit den – im befristeten Verfahren gemäß §§ 14 f MedienG ergangenen, unangefochten in Rechtskraft erwachsenen – Urteilen vom 3. August 2015, GZ 91 Hv 40/15s‑10 und GZ 113 Hv 49/15a‑11, ua der Antragsgegnerin jeweils die Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf, erklärte das fortgesetzte Verfahren für zulässig und behielt gemäß § 18 Abs 2 MedienG die Entscheidung über die begehrte Geldbuße dem Urteil im allenfalls fortgesetzten Verfahren vor.
Aufgrund der von der Antragsgegnerin fristgerecht eingebrachten Anträge gemäß § 16 Abs 1 MedienG wurden die Verfahren – nach Einbeziehung gemäß § 37 Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG – gemeinsam unter dem AZ 91 Hv 49/15i fortgesetzt (ON 1 S 1). Ein Antrag („Verlangen“) iSd § 16 Abs 2 erster Satz MedienG auf Urteilsveröffentlichung wurde von der Antragsgegnerin bis Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht gestellt.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2015 (ON 9) wurde (soweit hier von Relevanz) den Anträgen des Antragstellers stattgegeben und demgemäß die Antragsgegnerin (nach § 18 Abs 1 MedienG) zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet. Damit wurden – zumindest implizit – die in den befristeten Verfahren ergangenen Urteile „bestätigt“ bzw dem (der Sache nach erhobenen) Begehren der Antragsgegnerin, den Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung abzuweisen, nicht Folge gegeben (vgl Rami in WK² MedienG § 16 Rz 11).
Gegen dieses Urteil erhob die Antragsgegnerin Berufung (wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe); sie stellte dabei an das Berufungsgericht – soweit hier von Relevanz – den (Rechtsmittel‑)Antrag (vgl ON 13 S 5 f), das Urteil dahingehend abzuändern, dass
‑ die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien im befristeten Verfahren für aufgehoben erklärt werden (§ 16 Abs 2 MedienG),
‑ die Antragsgegnerin ermächtigt wird, binnen einer angemessenen Frist jene Teile des Urteils in einer dem § 13 MedienG entsprechenden Form zu veröffentlichen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist (§ 16 Abs 2 MedienG),
‑ dem Antragsteller die Zahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für diese Urteilsveröffentlichungen auferlegt werde (§ 16 Abs 3 MedienG) und
‑ dem Antragsteller die Zahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für die aufgrund der im befristeten Verfahren ergangenen Urteile erfolgten Veröffentlichungen der Gegendarstellungen auferlegt werde (§ 16 Abs 3 MedienG).
Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. März 2016, AZ 18 Bs 318/15v (ON 23), wurde der Berufung wegen Schuld Folge gegeben, (nur) das angefochtene (im fortgesetzten Verfahren ergangene) Urteil aufgehoben und die beiden verfahrenseinleitenden Anträge des Antragstellers auf Anordnung der Veröffentlichung einer Gegendarstellung und Verhängung einer Geldbuße abgewiesen; gemäß § 16 Abs 3 MedienG wurde der Antragsteller zur Zahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für die zu Unrecht erwirkten Veröffentlichungen der Gegendarstellungen und zum Rückersatz der Verfahrenskosten des befristeten Verfahrens verurteilt.
Hingegen wurden die Anträge der Antragsgegnerin, sie zu ermächtigen, binnen einer angemessenen Frist jene Teile des Urteils in einer dem § 13 MedienG entsprechenden Form zu veröffentlichen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist, und dem Antragsteller die Zahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für diese Urteilsveröffentlichung aufzuerlegen, abgewiesen.
Ein Ausspruch, die in den befristeten Verfahren ergangenen Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien aufzuheben, ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.
Zur Begründung der Abweisung der Anträge der Antragsgegnerin führte das Berufungsgericht aus, dass nach § 16 Abs 2 MedienG der Inhalt des Berufungsurteils nur auf Verlangen des Medieninhabers zu veröffentlichen sei; da fallbezogen die Antragsgegnerin „im Verfahren erster Instanz“ nur einen Antrag nach § 16 Abs 1 MedienG, nicht aber auch einen solchen nach Abs 2 leg cit gestellt habe, seien die erst in der Berufungsausführung gestellten Anträge nach § 16 Abs 2 und Abs 3 MedienG abzuweisen gewesen (US 12 f).
Gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien richten sich der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO per analogiam) der Antragsgegnerin, die eine Verletzung von Art 1 des 1. ZPMRK reklamiert, und die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. März 2016 steht – wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt – mit dem Gesetz (zum Teil) nicht im Einklang:
Ergibt das fortgesetzte Verfahren (§ 16 Abs 1 MedienG) – wenn auch erst (wie hier) im Berufungsverfahren –, dass das Begehren auf Veröffentlichung der Gegendarstellung abzuweisen gewesen wäre, so ist gemäß § 16 Abs 2 MedienG das frühere (im befristeten Verfahren ergangene) Urteil – vom Amts wegen – für aufgehoben zu erklären (vgl Rami in WK² MedienG § 16 Rz 13 f; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll MedienG³ § 16 Rz 5; Frohner/Haller MedienG6 § 16 Rz 8).
Da dem Berufungsurteil ein Ausspruch, die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom (jeweils) 3. August 2015, GZ 91 Hv 40/15s‑10 und GZ 113 Hv 49/15a‑11, aufzuheben, nicht zu entnehmen ist, verletzt es § 16 Abs 2 MedienG.
Die beiden im befristeten Verfahren ergangenen Urteile waren zur Klarstellung zu beseitigen.
Des weiteren führt die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde aus:
Auch in Ansehung der Abweisung der Anträge der Antragsgegnerin, sie zu ermächtigen, jene Teile des Urteils zu veröffentlichen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist, und den Antragsteller zur Zahlung eines Einschaltungsentgelts für diese Urteilsveröffentlichung zu verpflichten, verkennt das Berufungsgericht den Regelungsinhalt der Abs 2 und 3 des § 16 MedienG.
Das Gesetz bietet nämlich keine Anhaltspunkte für die vom Berufungsgericht postulierte Einschränkung, wonach sowohl die in Rede stehende Veröffentlichungsermächtigung als auch der Zuspruch eines angemessenen Einschaltungsentgelts dafür von der Stellung eines entsprechenden Antrags „ im Verfahren erster Instanz “ abhänge. Vielmehr wird nur verlangt, dass die Medieninhaberin vor der Fällung des Urteils, mit dem das frühere Urteil für aufgehoben erklärt wird – und welches demnach durchaus auch ein (wie hier) vom Berufungsgericht gefälltes Urteil sein kann –, entsprechende Anträge gestellt hat (vgl in diesem Zusammenhang auch 15 Os 151/08g). Für diese Rechtsansicht streitet im Übrigen zudem die Überlegung, dass es eine Fallkonstellation gibt, in der die Stellung der in Rede stehende Anträge nach § 16 Abs 2 und 3 MedienG im Verfahren erster Instanz grundsätzlich nicht möglich ist, und zwar dann, wenn der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung zunächst im befristeten Verfahren (§§ 14 f MedienG) abgewiesen und dem Antrag sodann erstmals im fortgesetzten Verfahren erster Instanz (§ 16 Abs 1 MedienG) stattgegeben wurde; diesfalls hatte die belangte Medieninhaberin im (fortgesetzten) Verfahren erster Instanz zu keiner Zeit die Möglichkeit, Anträge gemäß § 16 Abs 2 und 3 MedienG zu stellen.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
Hat der Antragsgegner eine im befristeten Verfahren aufgetragene Gegendarstellung veröffentlicht und ergibt das fortgesetzte Verfahren deren Unwahrheit, so ist er auf sein Verlangen in dieser Entscheidung zugleich zu ermächtigen, jene Teile des Urteils zu veröffentlichen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist (§ 16 Abs 2 MedienG).
Normiert der Gesetzgeber Antragstellung als Prozessvoraussetzung für die Entscheidung über einen Anspruch, mangelt es bei Fehlen eines Antrags an einem Prozessgegenstand, über den entschieden werden kann. Würde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren über eine Urteilsveröffentlichung iSd § 16 Abs 2 MedienG ohne darauf gerichteten Antrag erkennen, läge Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO vor (vgl RIS‑Justiz RS0072284; Rami in WK2 MedienG § 34 Rz 21.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – sofern nicht im Einzelfall anderes normiert ist (vgl § 17 Abs 4 MedienG) – nur das Ersturteil (vgl Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 30) im Umfang der Anfechtungsbegehren und der damit im Zusammenhang stehenden Pflichten zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1, § 295 Abs 1 iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO). Eine Erweiterung des erstinstanzlichen Prozessgegenstands im Berufungsverfahren ist daher nur im Fall gesetzlicher Anordnung möglich.
Demgemäß sind beispielsweise Änderungen des Antrags auf Gegendarstellung (durch Verbesserung deren Textes) im Stadium des Berufungsverfahrens nicht mehr zulässig (15 Os 19/08w; Rami in WK² MedienG § 17 Rz 16; Ratz, MR 1994, 223). Ebenso ist im Verfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts ein Antrag auf Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 1 MedienG nur bis Schluss der Verhandlung erster Instanz gestattet (15 Os 81/10s; Rami in WK² MedienG § 34 Rz 2 f; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Praxiskommentar MedienG³ § 34 Rz 10). Im Strafprozess ist zB eine Erweiterung der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche durch den Privatbeteiligten im Berufungsverfahren unzulässig (Spenling, WK‑StPO § 366 Rz 27).
Diese Sicht steht auch nicht im Wertungswiderspruch zur gesetzlichen Regelung der Urteilsveröffentlichung nach § 17 Abs 4 MedienG, geht es doch dort (anders als im Fall des § 16 Abs 2 MedienG) um einen – nur im Berufungsverfahren möglichen – Ausgleich einer durch das erstinstanzliche Urteil bewirkten Beeinträchtigung des Antragsgegners.
Die von der Generalprokuratur behauptete Konstellation, in der die Stellung eines Antrags nach § 16 Abs 2 MedienG im Verfahren erster Instanz „grundsätzlich nicht möglich“ sei, existiert nicht. Denn die Besonderheit des Gegendarstellungsverfahrens, dass eine Veröffentlichung noch vor Rechtskraft des Urteils erfolgen muss, gilt – infolge Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung – nur für das befristete Verfahren (§ 15 Abs 5 letzter Satz MedienG), infolge §§ 466 Abs 4, 489 Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG aber nicht für das fortgesetzte Verfahren (Rami in WK² MedienG § 16 Rz 8a; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll Praxiskommentar MedienG³ § 16 Rz 9). Daher ist eine (nicht im befristeten Verfahren, sondern) erstmals in erster Instanz des fortgesetzten Verfahrens aufgetragene Veröffentlichung der Gegendarstellung nicht vor Rechtskraft dieses Urteils durchzuführen. Ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung iSd § 16 Abs 2 MedienG entsteht daher diesfalls nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang zu verwerfen.
Demgemäß schlägt auch der im Wesentlichen wie die Generalprokuratur argumentierende Erneuerungsantrag fehl. Abgesehen davon legt er nicht prozessförmig aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS‑Justiz RS0128393), warum der Erneuerungswerberin ungeachtet dessen, dass über ihren im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Urteilsveröffentlichung abschlägig erkannt worden ist, durch den Nichtzuspruch eines Entgelts für eine solche ein finanzieller Nachteil entstanden und damit ihr „Eigentum entzogen“ (Art 1 1. ZPMRK) worden sei.
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