OGH 7Ob162/16y

OGH7Ob162/16y9.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 378,23 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2016, GZ 60 R 11/16x‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 20. November 2015, GZ 14 C 521/14s‑11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00162.16Y.1109.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Zuspruchs lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 378,23 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 9. 2013 zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 580,49 EUR (darin enthalten 89,97 EUR an USt und 40,67 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 719,32 EUR (darin enthalten 108,72 EUR an USt und 67 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 705,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR an USt und 204 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

M***** Z***** schloss mit der Beklagten einen klassischen Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit vom 1. 11. 2010 bis 1. 11. 2051 ab, der das Er‑ und Ablebensrisiko beinhaltete. Die monatliche Prämie betrug (ohne Wertanpassung) in den ersten fünf Jahren 50 EUR, in weiterer Folge bis zum Vertragsende 100 EUR. Im Versicherungsantrag wurde die Prämiensumme inklusive Versicherungssteuer mit 46.200 EUR sowie die garantierte Er- und Ablebensleistung mit jeweils 55.538,74 EUR festgehalten.

Dem Versicherungsvertrag wurden die Versicherungsbedingungen zur Lebensversicherung, Stand 05/2010 (in der Folge: AVB), zugrunde gelegt. Diese lauten auszugsweise:

Artikel 15

Wie werden Kosten und Gebühren verrechnet?

15.1 Die Versicherungssteuer wird entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen von Ihren Versicherungsprämien in Abzug gebracht. Weiters ziehen wir von Ihren Versicherungsprämien Abschlusskosten (Artikel 15.2), Verwaltungskosten (Artikel 15.3) und Kosten zur Deckung des Ablebensrisikos (Risikoprämie/Risikokosten) (Artikel 15.4) entsprechend dem vereinbarten Tarif ab. Wird der Vertrag vor Ende der Laufzeit aufgelöst (rückgekauft), wird zusätzlich der Stornoabschlag in Abzug gebracht. Im Rückkaufsfall sind daher die Gesamtkosten die Differenz zwischen Rückkaufswert und einbezahlter Prämie (Bruttoprämiensumme). […]

15.2 Die Abschlusskosten werden zu Beginn Ihres Versicherungsvertrages, bei Erhöhung der laufenden Prämie, bei einmaligen Zuzahlungen sowie bei Vertragsverlängerungen fällig. Diese werden nach dem so genannten Zillmerverfahren verrechnet.

Das Zillmerverfahren hat wirtschaftlich zur Folge, dass in der Anfangszeit Ihres Vertrages die Deckungsrückstellung und damit auch der Rückkaufswert oder die prämienfreie Versicherungsleistung – mit Ausnahme von Versicherungsverträgen gegen Einmalprämie – gering ist. Die für Ihren Vertrag geltenden Rückkaufswerte und prämienfreien Versicherungssummen/Werte entnehmen Sie den entsprechenden Tabellen in Ihrer Polizze bzw. den entsprechenden Spalten in der Tabelle Ihres Antrages, Punkt 4., bzw. der Tabelle 'Rückkaufswerte'/'Prämienfreie Werte'.

Bei Rückkauf bzw. Prämienfreistellung innerhalb der ersten 5 Jahre wird § 176 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz berücksichtigt (...).

Der für die Abschlusskosten zu tilgende Betrag ist auf 5 % der von Ihnen während der Laufzeit Ihres Versicherungsvertrages zu zahlenden Nettoprämiensumme beschränkt.

[…]

Artikel 16

Welche Regelungen gelten bezüglich Kündigung und Rückkaufswert?

[...]

16.2 Im Falle der Kündigung Ihres Versicherungsvertrages erhalten Sie den Rückkaufswert zuzüglich der erworbenen Gewinnbeteiligung.

[…] Der Rückkaufswert ist der jeweils aktuelle Wert der Deckungsrückstellung Ihres Versicherungsvertrages vermindert um einen Abzug (= Stornoabschlag). […]

Bei Rückkauf innerhalb der ersten 5 Jahre wird § 176 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz berücksichtigt (...).

[…]

Die Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Begriffsdefinitionen:

Bruttoprämie (= Prämie): ist die zu zahlende Jahresprämie inklusive Versicherungssteuer.

Bruttoprämiensumme: ist die Summe der über die gesamte vereinbarte Prämienzahlungsdauer zu zahlenden Prämien inklusive Versicherungssteuer.

Deckungsrückstellung: Die Deckungsrückstellung ergibt sich aus der Summe der einbezahlten Prämien abzüglich der Versicherungssteuer sowie der einmaligen Abschlusskosten und der Prämienanteile für Verwaltungskosten und Übernahme des Ablebensrisikos zuzüglich der Verzinsung mit dem garantierten Rechnungszinssatz. Der Versicherer bildet mit diesem Wert eine Rückstellung in seiner Bilanz zur Deckung des entsprechenden Anspruchs des Begünstigten, daher der Name Deckungsrückstellung.

[...]

Nettoprämie: ist die zu zahlende Jahresprämie ohne Versicherungssteuer und allfälliger Unterjährigkeitszuschläge.

Nettoprämiensumme: ist die Summe der über die gesamte vereinbarte Prämienzahlungsdauer zu zahlenden Prämien ohne Versicherungssteuer und allfälliger Unterjährigkeitszuschläge.

Rückkaufswert: ist die Leistung des Versicherers, wenn der Vertrag vorzeitig gekündigt (rückgekauft) wird.

[...]

Die Versicherungsnehmerin kündigte den Lebensversicherungsvertrag zum 1. 9. 2013. Die Beklagte erstattete ihr einen Rückkaufswert von 312,51 EUR. Dieser setzte sich aus den bezahlten Prämien von insgesamt 1.764,80 EUR abzüglich 67,88 EUR an Versicherungssteuer, 216,79 EUR an Verwaltungskosten, 64,45 EUR an Unterjährigkeitszuschlägen, 54,75 EUR an Risikoprämie, 992,94 EUR an Abschlusskosten und 55,48 EUR an „technischen Zinsen“ (Stornoabzug) zusammen.

Die Versicherungsnehmerin hat die ihr gegenüber der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag zustehenden Forderungen dem Kläger – einen Verein nach § 29 Abs 1 KSchG – abgetreten.

Der Kläger begehrte von der Beklagten eine ergänzende Zahlung aus der Abrechnung infolge Kündigung der Lebensversicherung von 378,23 EUR sA, darin enthalten ein im Rechtsmittelverfahren allein strittiger Betrag von 322,71 EUR an Abschlusskosten. Dazu brachte der Kläger vor, dass die Monatsprämie bis zur Kündigung nur 50 EUR betragen habe, weshalb Abschlusskosten nur auf dieser Basis berechnet hätten werden dürfen. Die Berücksichtigung der ab dem sechsten Versicherungsjahr vereinbarten Prämienerhöhung durch den Versicherer widerspreche schon der Regelung über die Fälligkeit in Art 15.2 der Bedingungen. Die von ihm gewählte Auslegung dieser Bestimmung stelle zudem eine Umgehung des § 176 Abs 5 VersVG dar, der bei Kündigungen in den ersten fünf Jahren die Auszahlung eines im Verhältnis zu den bereits bezahlten Prämien angemessenen Rückkaufswerts gewährleisten solle, und sei gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die für die gesamte Vertragslaufzeit zu zahlenden Monatsprämien seien bereits bei Vertragsabschluss vereinbart worden. Dabei sei für die ersten fünf Versicherungsjahre eine Prämienreduktion vorgesehen worden. Die ab dem sechsten Versicherungsjahr geschuldete Monatsprämie stelle demnach keine Prämienerhöhung im Sinn des Art 15.2 der Bedingungen dar; die Abschlusskosten seien daher zur Gänze bei Vertragsbeginn fällig. Nach der Vertrags- und Gesetzeslage sei bei der Ermittlung der Abschlusskosten das gesamte Nettoprämienvolumen zu berücksichtigen. Dieses sei entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 176 Abs 5 VersVG abgerechnet worden. Damit liege aber auch keine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB vor.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren betreffend die Abschlusskosten ab. Die Nettoprämiensumme setze sich nach der im Vertrag enthaltenen Begriffsdefinition aus sämtlichen nach dem Vertragsinhalt über die gesamte Vertragsdauer zu zahlenden Prämien zusammen; dies schließe die Prämienänderung ab dem sechsten Versicherungsjahr mit ein. Die Zugrundelegung einer Monatsprämie von 50 EUR über den gesamten Vertragszeitraum würde einen alternativen Vertragsinhalt fingieren, wofür weder Gesetz noch Versicherungsbedingungen eine Grundlage bieten würden. Insbesondere sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die „garantierte Ablebensleistung“ auf Basis der im Vertrag vereinbarten Prämienentwicklung berechnet worden sei und im Fall des Ablebens der versicherten Person sofort und damit auch innerhalb der ersten fünf Versicherungsjahre fällig werden würde. Daher sei die vom Versicherer gewählte Berechnung der Abschlusskosten auch nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Die im Vertrag vorgesehene Prämienänderung nach Ablauf von fünf Jahren stelle keine „Prämienerhöhung“ im Sinn des Art 15.2 der Bedingungen dar, ziele dieser doch klar auf nach Vertragsabschluss vereinbarte Prämienerhöhungen und in diesem Zusammenhang anfallende weitere Abschlusskosten ab. § 176 Abs 5 VersVG sehe nur die – von der Beklagten ohnehin durchgeführte – Aliquotierung der Abschlusskosten in den ersten fünf Jahren vor, diese Bestimmung enthalte jedoch keine Bemessungsgrundlage für die Abschlusskosten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verwies ergänzend darauf, dass Art 15.2 der Bedingungen keine Berechnungsbasis enthalte und nur Aussagen über die Fälligkeit der Abschlusskosten treffe. Daraus könne keinesfalls abgeleitet werden, dass die von der Versicherungsnehmerin in den ersten fünf Versicherungsjahren zu zahlende Monatsprämie für die gesamte Vertragslaufzeit als Berechnungsgrundlage für die Abschlusskosten heranzuziehen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die zu beurteilende Rechtsfrage für eine Mehrzahl gleichartiger Verträge von Bedeutung sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Im Revisionsverfahren ist allein die Frage strittig, ob im Zusammenhang mit der Berechnung des Rückkaufswerts die Prämienänderung ab dem 6. Versicherungsjahr bei der Ermittlung der höchstzulässigen Abschlusskosten zu berücksichtigen ist oder nicht.

2.1. Der Kläger will aus der Bestimmung des Art 15.2 Abs 1 AVB über die Fälligkeit der Abschlusskosten bei Prämienerhöhung ableiten, dass die Abschlusskosten bloß ausgehend von einer Prämie von 50 EUR zu berechnen seien, weil die Prämienerhöhung erst nach der Kündigung hätte erfolgen sollen und die Abschlusskosten damit noch nicht fällig gewesen seien.

2.2. Art 15.2 letzter Absatz AVB beschränkt die zu tragenden Abschlusskosten mit 5 % der während der Laufzeit des Versicherungsvertrags zu zahlenden Nettoprämiensumme. Die Definition der Nettoprämiensumme in den Begriffsbestimmungen der AVB stellt auf die über die gesamte vereinbarte Prämienzahlungsdauer zu zahlenden Prämien ab. Damit sind bei der Berechnung der Abschlusskosten grundsätzlich alle Prämien zu berücksichtigen, deren Zahlung bereits bei Vertragsbeginn vereinbart ist. Dementsprechend tritt die Fälligkeit der Abschlusskosten bei Vertragsabschluss ein. Nur infolge abweichend vereinbarter Prämienerhöhung nach Vertragsabschluss fallen zusätzliche Abschlusskosten an, die erst zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Erhöhung fällig werden. Bedarf die Erhöhung der Prämien – wie hier – also keiner weiteren Vereinbarung, ist die Fälligkeit der Abschlusskosten bereits mit Vertragsabschluss gegeben.

3. Im Versicherungsvertrag ist eine Prämie von 50 EUR monatlich während der ersten fünf Jahre des Versicherungsvertrags und ab dem sechsten Jahr eine Prämienerhöhung auf 100 EUR monatlich während der verbleibenden 36 Jahre vereinbart. Zu prüfen ist nun, ob dies § 176 Abs 5 VersVG widerspricht.

3.1. Nach § 176 Abs 5 VersVG dürfen für den Fall, dass eine kapitalbildende Lebensversicherung vor dem Ablauf von fünf Jahren oder einer vereinbarten kürzeren Laufzeit beendet wird, bei der Berechnung des Rückkaufswerts die rechnungsmäßig einmaligen Abschlusskosten höchstens mit jenem Anteil berücksichtigt werden, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit und dem Zeitraum von fünf Jahren oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit entspricht.

3.2. In den Gesetzesmaterialien zu § 176 Abs 5 VersVG (ErläutRV 1428 BlgNR 22. GP  3 ff) wird das Ziel des Gesetzes klargestellt, dass die Probleme mit der Verrechnung der einmaligen Verwaltungs- und Vertriebskosten für Neuverträge durch eine gesetzliche Regelung entschärft werden sollten. Damit solle das Vertrauen der Verbraucher in diese praktisch bedeutsame Form der privaten Alterssicherung gefördert und gestärkt werden. Die Kündigung des Vertrags solle nicht durch allzu geringe Rückkaufswerte in den ersten Jahren seiner Laufzeit allzu sehr erschwert werden. Die einmaligen Verwaltungs‑ und Vertriebskosten sollten künftig nicht mehr zur Gänze am Beginn der Laufzeit verrechnet werden können. Sofern sich ein Versicherer nicht dazu entschließe, die Kosten überhaupt selbst zu tragen oder auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen, sollten sie auf zumindest fünf Jahre verteilt werden. Diese Regelung verhindere es, dass der Rückkaufswert in diesem Zeitraum durch die Abschlusskosten unangemessen vermindert werde. Es werde eine Mittellösung vorgeschlagen, die sich als Kompromiss zwischen den Interessen der Versicherungsnehmer, der Versicherer und der Vermittler verstehe. Die Verbrauchervertreter hätten vorgeschlagen, die Mindesthöhe des Rückkaufswerts gesetzlich mit der Hälfte des – „ungezillmerten“ – Deckungskapitals festzulegen. Dies entspreche einem Vorschlag der deutschen Kommission zur Neugestaltung des Versicherungsrechts und der vom deutschen Bundesgerichtshof mittlerweile judizierten Verrechnungsmethode. Die Einziehung einer solchen Untergrenze sei aber nicht geboten, zumal sie in Kombination mit der vorgesehenen fünfjährigen Verrechnung der Abschlusskosten nur mehr in sehr wenigen Einzelfällen zum Tragen käme.

3.3. Die gesetzliche Bestimmung verfolgt demnach das erklärte Ziel, dem Versicherungsnehmer einen angemessenen Rückkaufswert zu sichern, wenn er seine Lebensversicherung innerhalb von fünf Jahren nach Vertragsabschluss kündigt oder prämienfrei stellt. Er soll darauf vertrauen können, in diesen Fällen nicht ohne nennenswerten Rückkaufswert auszusteigen, weil die Vermittlerprovision sofort zur Gänze abgezogen wird (Fenyves, Analoge Anwendung des § 176 Abs 5 und 6 VersVG auf die Vermittlerprovision im System der „Nettopolizze“?, VR 2008, H 10, 22).

3.4. Die Beklagte folgte zwar der Vorgabe des § 176 Abs 5 VersVG insoweit, als sie die errechneten Abschlusskosten aufteilte, sie wählte aber eine im Hinblick auf § 176 Abs 5 VersVG auffällige Vertragsgestaltung, nach der die Prämien zunächst fünf Jahre niedrig und ab dem sechsten Jahr ohne ersichtlichen Grund verdoppelt sein sollten. Dies bewirkt, dass in den ersten fünfJahren, in denen die Abschlusskosten aufzuteilen sind, die geringeren Anfangsprämien stärker reduziert werden als bei gleichbleibenden Prämien. Durch die entsprechende Wahl der Relation der Prämien könnte es im Extremfall sogar dazu kommen, dass hohe Folgeprämien so hohe Abschlusskosten verursachen, dass die geringen Anfangsprämien aufgezehrt würden. Dies umgeht den Zweck des Gesetzes. Außerdem kann die Vertragsgestaltung dazu führen, dass der Versicherungsnehmer aus wirtschaftlichen Gründen motiviert wird, von der gesetzlich vorgesehenen begünstigten Beendigung des Vertrags Abstand zu nehmen, weil er so seine Prämien im Fall des Rückkaufs im höheren Ausmaß verliert als bei gleichbleibenden Prämien über die gesamte Vertragsdauer. Auch das widerspricht den Intentionen des Gesetzes.

3.5. Die Vertragsgestaltung, in den ersten fünf Jahren ab Vertragsabschluss eine geringe Prämie zu zahlen und sie ab dem sechsten Jahr massiv anzuheben, erweist sich als gesetzwidrig, weil sie den Zweck des § 176 Abs 5 VersVG umgeht und der Rückkaufswert willkürlich unangemessen vermindert wird. Es liegt Nichtigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB vor.

4. Die Nichtigkeit eines Vertrages tritt nur in jenem Umfang ein, den der Zweck des Verbotsgesetzes erfordert (RIS‑Justiz RS0016417), hier soweit er zur Umgehung des Zwecks des § 176 Abs 5 VersVG führt. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die vereinbarte Anhebung der Prämien ab dem sechsten Vertragsjahr dann nicht für die Berechnung der Abschlusskosten bei Rückkauf zu berücksichtigen ist, wenn die Beendigung des Vertrags innerhalb der ersten fünf Jahre gemäß § 176 Abs 5 VersVG erfolgt. Im Ergebnis erweist sich daher die Revision als berechtigt. Die Berechnung des Rückkaufswerts ausgehend von einer gleichbleibenden Prämie von 50 EUR durch den Kläger ist unstrittig.

5. Die Kostenentscheidung beruht im erstinstanzlichen Verfahren auf den §§ 41 und 43 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41 und 50 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren ist der Kläger bis zur Klagsausdehnung in der Verhandlung vom 12. 11. 2014 mit gerundet 2/3 seines Begehrens durchgedrungen, sodass ihm 1/3 seiner Vertretungskosten und 2/3 seiner für diesen Abschnitt verzeichneten Pauschalgebühr zu ersetzen sind. In der Verhandlung vom 12. 11. 2014 war der Kläger mit knapp über der Hälfte seines Begehrens erfolgreich, sodass die Vertretungskosten gegeneinander aufzuheben sind. In der abschließenden Verhandlung und im Rechtsmittelverfahren hat der Kläger zur Gänze obsiegt.

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