OGH 23Os1/16v

OGH23Os1/16v4.11.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 4. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Mag. Brunar und Dr. Konzett sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Vergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg vom 25. Februar 2016, AZ D 21/13, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte der Vorsitzende des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg die Gebühren einer in der Disziplinarverhandlung am 25. Februar 2016 erschienenen und vernommenen Zeugin mit insgesamt 224 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde kommt – im Ergebnis – Berechtigung zu.

Grundsätzlich steht gegen alle Beschlüsse des Disziplinarrats bzw seines Vorsitzenden, welche das Gesetz nicht ausdrücklich als unanfechtbar bezeichnet oder die nur prozessleitender Natur sind, eine Beschwerde offen (vgl RIS‑Justiz RS0055849). Gemäß § 46 zweiter Satz DSt ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über solche Beschwerden berufen.

Nach § 77 Abs 3 DSt iVm § 89 Abs 2a Z 1 StPO kann das Rechtsmittelgericht einen Beschluss aufheben, den ein sachlich unzuständiger Disziplinarsenat oder sein Vorsitzender gefasst hat.

Das Disziplinarstatut enthält keine eigenen Bestimmungen über die Zuerkennung von Zeugengebühren. Diese sind ausschließlich im Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG) enthalten. Da dieses auch im Strafverfahren Anwendung findet und somit die Strafprozessordnung insoweit ergänzt, wird es auch von der Verweisungsnorm des § 77 Abs 3

DSt erfasst. Die gebotene sinngemäße Anwendung des GebAG auf die Bestimmung der Gebühren von vom Disziplinarrat vernommenen Zeugen schließt es aus, dass der

Vorsitzende des erkennenden Senats selbst die Gebühren bestimmt. Im gerichtlichen Strafverfahren sind solche Gebühren nämlich im Justizverwaltungsweg vom „Leiter des Gerichts“ zu bestimmen, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden soll (§ 20 Abs 1 erster Satz GebAG). Das ist im hier zu beurteilenden Fall einer Beweisaufnahme vor dem Disziplinarrat gemäß § 5 Abs 2 DSt sein Präsident und nicht der Vorsitzende des erkennenden Senats (vgl auch RIS‑Justiz RS0123048).

Eine Kompetenz des Vorsitzenden des Disziplinarrats zur Bestimmung der Zeugengebühren besteht demnach nicht und war sein Beschluss daher ersatzlos zu kassieren.

Eine Verweisung der Sache an den Präsidenten des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer kommt dem Obersten Gerichtshof im Übrigen nicht zu.

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