OGH 8ObA3/16y

OGH8ObA3/16y25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat ***** der M*****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. November 2015, GZ 15 Ra 51/15k‑19, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 2. März 2015, GZ 42 Cga 83/14y‑15, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00003.16Y.1025.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der Kläger begehrt als parteifähiges Organ der Arbeitnehmerschaft nach § 50 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass hinsichtlich jener Mitarbeiter, die als medizinisch wissenschaftliche Projektmitarbeiter im klinischen PhD beschäftigt waren und im Anschluss daran einen Ausbildungsvertrag (Facharztausbildung) mit der Beklagten abgeschlossen haben, jene Zeiten, die sie als medizinisch wissenschaftliche Projektmitarbeiter bei der Beklagten zurückgelegt haben, betreffend der dreijährigen Tätigkeit im Sinn des § 49 Abs 3 lit a des Kollektivvertrags für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten als tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen angerechnet werden. In eventu wird beantragt festzustellen, dass die Zeiten als Projektmitarbeiter im klinischen PhD als tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen im Sinn des § 49 Abs 3 lit a des Kollektivvertrags für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten gelten.

Er brachte vor, mindestens drei Arbeitnehmer seien vom Feststellungsbegehren betroffen. Es handle sich um Ärzte in Facharztausbildung, die einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten hätten. Anwendbar sei der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten (KV). Nach der dort enthaltenen Gehaltsordnung seien Ärzte in Facharztausbildung nach § 49 Abs 3 KV in die Gehaltsgruppe B1 einzustufen. Nach dreijähriger Tätigkeit erhöhe sich der monatliche Bruttobezug. Diese Dreijahresfrist verkürze sich um Zeiträume, für die tätigkeitsbezogene Vorerfahrung nachgewiesen würden.

Die von der Feststellungsklage betroffenen Mitarbeiter seien vor ihrer Fachausbildung bei der Beklagten als Projektmitarbeiter beschäftigt gewesen, insbesondere in jenem Bereich, in dem sie nunmehr als Fachärzte ausgebildet würden. Diese Zeiten seien daher als tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen anzurechnen. Die von den Mitarbeitern geleistete wissenschaftliche Tätigkeit stünde in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer jetzigen Ausbildung. Diese diene auch der Vorbereitung auf eine allfällige universitäre Karriere. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit hätten sie sich Kenntnisse und Wissen aneignen können, das dafür von Vorteil und Relevanz sei. Bei einer entsprechenden Anrechnung wären die Mitarbeiter in eine höhere Entlohnungsstufe einzustufen gewesen. Da dies von der Beklagten verweigert werde, bestehe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Weiters erstattete der Kläger Vorbringen zu den beruflichen Lebensläufen von vier Arbeitnehmern.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, dass von der klagsweise geltend gemachten Problematik keine drei Arbeitnehmer der Beklagten betroffen seien. Es fehle daher ein Feststellungsinteresse und auch die Aktivlegitimation des Klägers. Die Tätigkeit der Projektmitarbeiter sei für die Facharzttätigkeit nicht facheinschlägig. Die bloße Identität der Organisationseinheit, in der die wissenschaftliche Tätigkeit erbracht worden sei und nun eine Facharztausbildung stattfinde, sei dafür nicht aussagekräftig. Nicht jede Tätigkeit, die im Rahmen der PhD‑Ausbildung verrichtet werde, sei bei der Gehaltseinstufung zu berücksichtigen. Der Erwerb eines PhD‑Grads sei nur im Rahmen eines weiterführenden mindestens dreijährigen Studiums möglich, von dem zwei Jahre berufsbegleitend, die wissenschaftliche Tätigkeit aber im dritten Jahr nicht berufsbegleitend, also auch außerhalb der Facharztausbildung stattfinden müsse. Dass die wissenschaftliche Projektmitarbeit nicht auf die eine praktische ärztliche Berufsausbildung darstellende Facharztausbildung anrechenbar sei, sei somit geradezu systemimmament.

Der „Tätigkeitsbegriff“ des Kollektivvertrags sei kollektivvertragsautonom auszulegen. Anrechenbare Zeiten bestimmten sich ausschließlich nach dem Berufsausbildungsrecht. Daraus ergebe sich auch die tätigkeitsbezogene Einschlägigkeit. Der gesetzlich zwingend ausgestaltete Tätigkeitsbereich von Ärzten in Facharztausbildung sei im Gesetz abschließend geregelt und lasse in tätigkeitsbezogener Hinsicht keinen privatautonomen Gestaltungsspielraum zu. Er diene dem Erwerb der Berufsbefähigung und solle nicht durch artfremde, auf die Facharztausbildung nicht anrechenbare und damit die Ausbildungszeit verlängernde Tätigkeiten reduziert werden. Ein Projektmitarbeiter erbringe keine einem Arzt in Ausbildung zum Facharzt vergleichbare oder einschlägige Tätigkeit, weil er nicht als Facharzt in Ausbildung eingesetzt werde. Eine Dienstverwendung in Forschung und Lehre sei ebenfalls nur insoweit zulässig, als die Facharztausbildung dadurch nicht beeinträchtigt werde. Ausbildungsärzten seien nur Ausbildungszeiten, nicht Zeiten anderweitiger, insbesondere wissenschaftlicher Betätigung anzurechnen.

Tätigkeitsspezifische Vorerfahrungen seien bei der Einstufung zudem nur dann berücksichtigbar, wenn der Arbeitnehmer diese nachweise. Keine der vom Kläger genannten Personen habe jedoch der Beklagten Zeiten im Sinn des Kollektivvertrags nachgewiesen. Auch aus diesem Grund scheide eine Anrechnung aus.

Das Erstgericht gab der Klage statt, wobei es konkretisierte, dass nur Zeiten einer facheinschlägigen Tätigkeit anzurechnen seien. Es traf detaillierte Feststellungen zum beruflichen Werdegang der vier vom Kläger namentlich genannten Arbeitnehmer. Weiters stellte es fest, dass keine dieser Personen innerhalb von zwei Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses der Beklagten gegenüber ihre Vorerfahrungen durch Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Arbeitspapieren im Sinn des § 50 Abs 6 KV ausdrücklich nachgewiesen hat.

Rechtlich ging es davon aus, dass dem Kläger der Nachweis gelungen sei, dass mindestens drei Arbeitnehmer von einer möglichen höheren Einstufung aufgrund der begehrten Feststellung betroffen seien.

Richtig sei, dass nach § 50 Abs 6 KV Vorerfahrungen spätestens zwei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses durch entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere nachzuweisen seien. Ein solcher Nachweis sei in den festgestellten Anlassfällen nicht erfolgt. Bei drei der Mitarbeiter seien jedoch sämtliche Tätigkeiten, aus denen eine Anrechnung abgeleitet werde, im Rahmen von Arbeitsverhältnissen bei der Beklagten zurückgelegt worden. Damit seien sämtliche Unterlagen der Beklagten ohnehin zur Verfügung gestanden, wodurch eine Vorlage entbehrlich sei.

Bei der Frage der Anrechnung der als Projektmitarbeiter zurückgelegten Zeiten gehe es nicht um eine Verkürzung der Ausbildungszeiten zum Facharzt, sondern um eine Anrechnung für eine monetäre Höhereinstufung. Aus dem Wortlaut des KV sei abzuleiten, dass Zeiten, in denen artverwandte oder dem selben Fachbereich zuordenbare Tätigkeiten ausgeführt worden seien, anzurechnen seien. In drei der festgestellten Anlassfälle seien die Mitarbeiter jeweils in dem Fachbereich als wissenschaftliche Projektmitarbeiter tätig gewesen, in dem sie nunmehr die Facharztausbildung absolvierten. Auch wenn es sich um eine primär wissenschaftsbezogene Tätigkeit gehandelt habe, seien dadurch Kenntnisse erworben worden, die im Rahmen der beruflichen Ausbildung und Tätigkeit als Facharzt verwendet und weiter entwickelt werden könnten. Es handle sich daher um tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen.

Wesentlich sei, dass die wissenschaftliche Tätigkeit in jenem Fachgebiet absolviert worden sei, in dem die spätere Facharztausbildung erfolge. Davon gehe offensichtlich auch der Kläger aus. Das Klagebegehren sei daher insoweit zu konkretisieren.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Klagebegehren und das Eventualbegehren ab. Es führte aus, dass ein rechtliches Interesse an einer Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen zu bejahen sei, wenn mindestens drei Arbeitnehmer eines Betriebs oder Unternehmens betroffen seien.

Nach der bis zum 13. 1. 2015 in Geltung stehenden Fassung des § 94 UG zählten Ärzte in Facharztausbildung zum allgemeinen Universitätspersonal. Seit der ab 14. 1. 2015 in Kraft getretenen Novellierung ordne § 94 Abs 2 Z 3 UG neue Ärzte in Facharztausbildung dem wissenschaftlichen und künstlerischen Universitätspersonal zu. Gemäß der unveränderten Regelung des § 67 KV hätten für ArbeitnehmerInnen nach § 44 KV (Ärzte und Ärztinnen in Facharztausbildung) die §§ 49 und 68 KV mit der Maßgabe zu gelten, dass diese ArbeitnehmerInnen in der Verwendungsgruppe B1 und, soweit mit ihnen eine Qualifizierungsvereinbarung (§ 46 KV) getroffen wurde, in die Gehaltsgruppe A2 einzureihen seien. Ärzte und Ärztinnen in Facharztausbildung, die über keine Qualifizierungsvereinbarung verfügten, seien gemäß § 44 Abs 1 KV als Turnusärzte und Turnusärztinnen tätig. ArbeitnehmerInnen in Facharztausbildung seien dagegen als Assistenzarzt/Assistenzärztin tätig.

Aus den festgestellten Lebensläufen ergebe sich, dass drei der vier Arbeitnehmer ihre jeweilige Facharztausbildung bereits als (offensichtlich über Qualifizierungsvereinbarungen verfügende) Assistenz‑ ärztInnen angetreten hätten und daher in die Gehaltsgruppe A2 einzustufen seien. Damit seien aber diese ArbeitnehmerInnen von der vorliegenden Feststellungsklage, die eine Höherreihung in der Gehaltsgruppe B1 anstrebe, nicht betroffen.

Darüber hinaus hätten die Arbeitnehmer aber auch die behaupteten tätigkeitsbezogenen Vorerfahrungen der Beklagten nicht nachgewiesen. Dass diese Zeiten der Beklagten allenfalls bekannt seien, ändere nichts an der Nachweispflicht, die sich aus § 50 Abs 6 KV sowie anderen Bestimmungen des Kollektivvertrags ergebe. Aufgrund fehlenden rechtlichen Interesses sei die Klage daher abzuweisen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu. Da sich die Abweisung nicht nur aus einer Auslegung des Kollektivvertrags ergebe, liege keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Gegenstand der besonderen Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG ist eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens betreffen, gerichtete Klage im Sinn des § 228 ZPO. Voraussetzung des Feststellungsanspruchs ist daher, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines näher bezeichneten Rechts oder Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung hat (RIS‑Justiz RS0085572). Dabei genügt es für die Klage nach § 54 Abs 1 ASGG nicht, dass mindestens drei Arbeitnehmer betroffen sein könnten. Es muss vielmehr wenigstens drei Arbeitnehmern ein unmittelbarer Anlass zur Klagsführung gegeben sein (RIS‑Justiz RS0085568). Dieser ist dann anzunehmen, wenn unter Zugrundelegung der Richtigkeit der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht aus ihr unmittelbare rechtliche Wirkungen auf die Rechtsstellung des Arbeitnehmers resultieren. Ob das geltend gemachte Recht, wie vom Kläger behauptet, besteht, ist dagegen erst im Rahmen der materiellen Prüfung des Anspruchs zu beurteilen.

Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen und führt bei Nichtvorliegen zur Klagsabweisung. Ist ein bestimmter Sachverhalt hinsichtlich der Dienstverhältnisse der (angeblich) betroffenen Dienstnehmer nicht unstrittig, ist ein entsprechender Sachverhalt in Bezug auf jeden der berechtigten Dienstnehmer, deren Recht oder Rechtsverhältnis den Gegenstand des Prozesses bilden, zu treffen und diese Feststellungen rechtlich zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0085579). In diesem Sinn haben die Vorinstanzen richtig geprüft, inwieweit es dem Kläger gelungen ist, die Betroffenheit von zumindest drei Arbeitnehmern nachzuweisen.

2. Nach § 5 Abs 2 KV gliedern sich die Arbeitnehmer der Universitäten in Angehörige des wissenschaftlichen/künstlerischen Universitätspersonals (§ 94 Abs 2 UG) und Angehörige des allgemeinen Universitätspersonals (§ 94 Abs 3 UG).

Nach dem dritten Teil des Kollektivvertrags „Gehaltsordnung“ wird auch hinsichtlich der Entlohnung zwischen wissenschaftlichem/künstlerischem Universitäts‑ personal, für das die §§ 47–49 KV gelten, und allgemeinem Universitätspersonal, für das die §§ 50 ff KV gelten, unterschieden.

Ärzte/Ärztinnen in Facharztausbildung waren bis 31. 1. 2015 nach § 94 Abs 3 Z 6 UG dem allgemeinen Universitätspersonal zuzurechnen. Seit der Novelle BGBl I 21/2015 gelten sie als zum wissenschaftlichen künstlerischen Universitätspersonal gehörig.

Unabhängig davon enthält § 67 KV eine Sondervorschrift für die Entlohnung von Ärzten/Ärztinnen in Facharztausbildung. Für diese ArbeitnehmerInnen nach § 44 KV gelten §§ 49 und 68 mit der Maßgabe, dass sie in die Verwendungsgruppe B1 und, soweit mit ihnen eine Qualifizierungsvereinbarung (§ 46) getroffen wurde, in die Gehaltsgruppe A2 einzureihen sind.

Nach § 49 Abs 3 KV beträgt der monatliche Bruttobezug in der Gehaltsgruppe B1 2.615,80 EUR. Dieser Betrag erhöht sich nach dreijähriger Tätigkeit auf 3.107,50 EUR. Die Dreijahresfrist verkürzt sich um Zeiträume, für die tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen nachgewiesen werden.

3. Das Berufungsgericht hat das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung zum einen deshalb verneint, weil die Arbeitnehmer unstrittig ihre (behaupteten) tätigkeitsbezogenen Vorerfahrungen nicht nach § 50 Abs 6 KV spätestens zwei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses durch entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere nachgewiesen haben. § 50 Abs 6 KV enthält Regelungen zur Einstufung des allgemeinen Universitätspersonals. § 50 Abs 6 KV bezieht sich auf die Anrechnung tätigkeitspezifischer Vorerfahrungen bei der Einreihung in die Qualifikationsstufe der jeweiligen Verwendungsgruppe, die aufgrund der Sonderregelung des § 67 KV für Ärzte und Ärztinnen in Facharztausbildung nicht relevant ist.

§ 44 Abs 5 KV wiederum, auf den sich die Beklagte bezieht, regelt nur den Nachweis von Ausbildungszeiten im Sinn des Ärztegesetzes 1998. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie von der Beklagten gefordert, aus einer Gesamtschau der Regelungen des KV auch tätigkeitsspezifische Vorerfahrungen iSd § 49 Abs 3 KV binnen zwei Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nachzuweisen sind. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zu vergleichbaren Klauseln in anderen Kollektivverträgen Stellung genommen. Dabei wurde darauf verwiesen, dass der Zweck der Bekanntgabepflicht darin besteht, dass der Arbeitgeber schon anlässlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses in der Lage sein muss, die Fähigkeit des Arbeitnehmers und das Ausmaß der Gehaltsbezüge zu überblicken. Er muss sich Kenntnis über die Berufserfahrung des einzustellenden Arbeitnehmers und die dadurch auftretenden Lohnkosten verschaffen können (9 ObA 11/93). Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Bekanntgabe (allenfalls) anrechenbarer Vordienstzeiten ist ihrem Wesen nach eine im Kollektivvertrag positivierte vorvertragliche Aufklärungspflicht, die aus der Rücksichtnahme auf die Interessen des potentiellen Vertragspartners entspringt. Hat der Arbeitnehmer seiner Bekanntgabepflicht (voll) entsprochen und schließt der Arbeitgeber daraufhin mit ihm sofort den Arbeitsvertrag ab, so gibt er damit mangels eines entsprechenden Vorbehalts in der Regel zu erkennen, dass er zur Anrechnung der bekannt gegebenen Vordienstzeiten in den im Kollektivvertrag vorgesehenen Ausmaß bereit ist, da er damit rechnen muss, dass es dem Arbeitnehmer in der Regel gelingen wird, die bereits bekannt gegebenen Vordienstzeiten durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. In dieser Situation trifft auch den Arbeitgeber eine korrespondierende Aufklärungspflicht bzw (nach Vertragsabschluss) eine entsprechende Fürsorgepflicht. Er hat den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass die Anrechnung der im Bewerbungsschreiben bzw bei den Vertragsverhandlungen erwähnten Verwendungsgruppen noch eines zusätzlichen Nachweises durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere bedürfen, falls er darauf noch einen Wert legt (RIS‑Justiz RS0065016). So wurde zu vergleichbaren kollektivvertraglichen Regelungen eine Verpflichtung des Arbeitgebers angenommen, den Arbeitnehmer zu befragen und ihn zur Vorlage von Nachweisen aufzufordern, wenn dieser in einem Vorstellungsgespräch auf Vordienstzeiten im Ausland hingewiesen hatte (vgl 8 ObA 190/07t) oder in seinem Lebenslauf eine einschlägige Tätigkeit erwähnte (8 ObA 19/08i). Diese Fürsorgepflicht besteht ungeachtet der im Kollektivvertrag normierten Nachweispflicht des Arbeitnehmers (vgl 9 ObA 11/93). Erfolgt eine derartige Aufforderung nicht, darf der Arbeitnehmer im Zweifel davon ausgehen, dass seine Vordienstzeiten in der konkreten Gehaltsvereinbarung bereits berücksichtigt wurden bzw falls die Parteien zur Frage der Gehaltshöhe auf den Kollektivvertrag Bezug genommen haben, mit einer vorzunehmenden Einstufung berücksichtigt werden (RIS‑Justiz RS0065016).

Im vorliegenden Fall haben drei der vom Kläger genannten Arbeitnehmer ihre Tätigkeit als Projektmitarbeiter, deren Anrechnung angestrebt wird, bei der Beklagten absolviert und zwar zeitlich unmittelbar vor ihrer Tätigkeit für die Beklagte als Ärztin/Arzt in Facharztausbildung. Ausgehend von dem zuvor dargestellten Zweck der Nachweispflicht, der auch für den hier zu beurteilenden Kollektivvertrag anzunehmen ist, konnten auch ohne konkreten Hinweis auf diese Tätigkeit die Arbeitnehmer davon ausgehen, dass diese dem Arbeitgeber sowohl dem Umfang als auch dem Inhalt nach hinlänglich bekannt sind. Es wäre daher an der Beklagten gelegen gewesen, sollte sie tatsächlich zusätzlichen Nachweis für erforderlich halten, die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen.

4. Das Berufungsgericht verneinte das rechtliche Interesse weiters deshalb, weil in den Feststellungen drei der vier genannten Arbeitnehmer als Assistenzärztinnen bezeichnet würden, eine Bezeichnung, die nach § 46 Z 4 KV für Ärzte/Ärztinnen in Facharztausbildung, mit denen eine Qualifizierungsvereinbarung geschlossen wurde, verwendet werde. Diese seien daher von einer Anrechnung in der Gehaltsgruppe B1 nicht betroffen.

Zu Recht macht der Kläger geltend, dass diese Rechtsansicht mit ihm im Sinn des § 182a ZPO erörtert hätte werden müssen. Diese Bestimmung normiert die Pflicht des Gerichts, das Sach‑ und Rechtsvorbringen der Parteien mit ihnen zu erörtern und schreibt das von der Rechtsprechung zuvor aus § 182 ZPO abgeleitete „Verbot von Überraschungsentscheidungen“ fest. Danach darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RIS‑Justiz RS0108816 [T3]).

In erster Instanz wurde von keiner der Parteien vorgebracht, dass mit den namentlich genannten Arbeitnehmern eine Qualifizierungsvereinbarung besteht. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass nach § 46 Z 4 KV die Bezeichnung „Assistenzarzt“ für Ärzte in Facharztausbildung mit Qualifizierungsvereinbarung zu verwenden ist. Aus dem bisherigen Verfahren ergibt sich jedoch nicht, dass die in den Lebensläufen enthaltene Bezeichnung „Assistenzarzt“, die in die Feststellungen übernommen wurde, im Sinn des Kollektivvertrags gemeint war. Es lässt sich nicht ausschließen, dass diese Bezeichnung nur einer spitalsinternen Usance unabhängig von der kollektivvertraglichen Terminologie entspricht. Insbesondere ergibt sich auch aus dem Ersturteil nicht, dass die Feststellung über die Tätigkeit als „Assistenzarzt“ im Sinn des Kollektivvertrags gemeint war, was, worauf der Kläger ebenfalls richtig hinweist, den vorgelegten Arbeitsverträgen, aus denen sich eindeutig die Einstufung in B1 ergibt, widersprechen würde.

Die Entscheidung ist daher aufzuheben, damit mit dem Kläger erörtert werden kann, ob die genannten Arbeitnehmer nach ihrem Arbeitsvertrag als Ärzte in Facharztausbildung oder als Ärzte in Facharztausbildung mit Qualifizierungsvereinbarung tätig sind. Dabei werden die Parteien auch gegebenenfalls zu entsprechenden Beweisanträgen anzuleiten und entsprechende Feststellungen zu treffen sein, weshalb die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen ist. Erst auf Basis derartiger Feststellungen kann die Beurteilung, inwieweit die genannten Arbeitnehmer durch das gestellte Feststellungsbegehren konkret betroffen sind, erfolgen.

5. Die Frage inwieweit die nach den Feststellungen von den namentlich genannten Arbeitnehmern geleistete Tätigkeit als medizinisch-wissenschaftlicher Projektmitarbeiter überhaupt eine „tätigkeitsbezogene“ Vorerfahrung für die Tätigkeit als Arzt in Facharztausbildung darstellt, ist entgegen der Ansicht der Beklagten keine der Betroffenheit der konkreten Arbeitnehmer und des rechtlichen Interesses, sondern eine solche der materiellen Berechtigung des Anspruchs und daher erst in diesem Rahmen zu prüfen.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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