OGH 4Ob179/16a

OGH4Ob179/16a25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch die Gratl & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in Perg, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Juni 2016, GZ 12 R 13/16t‑13, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. März 2016, GZ 2 Cg 94/15v‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00179.16A.1025.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,16 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 313,86 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Vorinstanzen verboten der Beklagten, zu Zwecken des Wettbewerbs die wahrheitswidrigen Aussagen, die Klägerin sei wirtschaftlich nicht leistungsfähig, mit der Zahlung von Sozialversicherungsabgaben und Steuern säumig, ein Dumping‑Anbieter sowie sinngleiche Aussagen zu behaupten und/oder zu verbreiten. Darüber hinaus verpflichteten sie die Beklagte zum Widerruf dieser Behauptungen gegenüber sämtlichen Empfängern des von der Klägerin beanstandeten Schreibens vom 27. August 2015.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der klägerischen Begehren anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (nachträglichen) Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Bei der Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an; das Gleiche gilt auch für den Bedeutungsinhalt der Äußerung (RIS‑Justiz RS0031883). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (RIS‑Justiz RS0031883 [T6]). Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RIS‑Justiz RS0031883 [T9]). Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS‑Justiz RS0031883 [T28]; vgl auch RS0113943, RS0031832).

Das von den Vorinstanzen ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis der Erklärungsempfänger vom Inhalt der beanstandeten Äußerung im Sinn der Behauptung, nicht wirtschaftlich leistungsfähig zu sein, Steuern und Abgaben nicht zu bezahlen und zu Dumping‑Preisen anzubieten, entspricht diesen Grundsätzen der Rechtsprechung. Der Versuch der Beklagten, den Inhalt des beanstandeten Schreibens am Verständnis „speziell ausgebildeter und mit dem Vergaberecht vertrauter Erklärungsempfänger im öffentlichen Vergabemarkt betreffend Hochwasserschutz“ zu messen, muss scheitern. Das beanstandete Schreiben der Beklagten wurde eine Woche nach Erhalt der Information, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren einem dritten Unternehmen erteilt worden war, verfasst und richtete sich nicht etwa an spezielle zum Vollzug des Vergaberechts berufene Organe, sondern ganz allgemein an eine Reihe bestimmter Gebietskörperschaften (Gemeinden, Bundesland und ein Bundesministerium). Darüber hinaus sind die von der Beklagten in den beanstandeten Schreiben erhobenen Vorwürfe so allgemein gehalten, dass es vertretbar ist, sie nicht bloß auf ein bestimmtes Vergabeverfahren, sondern ganz allgemein auf die wirtschaftliche Gestion der Klägerin zu beziehen. Ebenso naheliegend ist die Auslegung der beanstandeten Schreiben dahin, dass nicht bloß Fragen zu einem bestimmten Vergabeverfahren gestellt, sondern ganz allgemein Behauptungen über im Wettbewerb maßgebliche, die Klägerin betreffende Tatumstände aufgestellt wurden.

Im Hinblick auf die vertretbare Beurteilung des beanstandeten Schreibens der Beklagten, die darin enthaltenen Vorwürfe beträfen nicht bloß ein bestimmtes Vergabeverfahren in der Vergangenheit, sondern ganz allgemein die wirtschaftliche Gestion der Klägerin, gehen auch die Vorwürfe der Beklagten im Zusammenhang mit der Beurteilung der Vorinstanzen ins Leere, die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen und das Urteilsbegehren sei nicht zu weit.

Auch im Zusammenhang mit der von der Beklagten beanstandeten Fassung des Unterlassungsbegehrens vermag sie keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Es kann keine Rede davon sein, dass der Beklagten ganz allgemein untersagt werde, ehrenrührige und/oder kritikschädigende Behauptungen aufzustellen oder dass die Beklagte unzulässigerweise an der allfälligen Wahrnehmung von Verfahrensrechten gehindert würde. Das von den Vorinstanzen erlassene Verbot umfasst ausdrücklich wahrheitswidrige Aussagen konkreten, an den beanstandeten Behauptungen orientierten Inhalts (die Klägerin sei wirtschaftlich nicht leistungsfähig, mit der Zahlung von Sozialversicherungsabgaben und Steuern säumig, ein Dumping‑Anbieter).

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0042828). Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung (Berufung auf eine vertrauliche Mitteilung als unzulässige Neuerung) zugrunde gelegte Auffassung, dem Beklagtenvorbringen in erster Instanz lasse sich eine Bezugnahme auf den Tatbestand des § 7 Abs 2 UWG nicht entnehmen, bildet keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Beklagte der Klägerin, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies, die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (Einheitssatz gemäß § 23 Abs 3 RATG 50 %).

Stichworte