OGH 6Ob104/16m

OGH6Ob104/16m24.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E*****, 2. H*****, 3. F*****, alle vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei DI W*****, vertreten durch Mag. Martina Weirer, Rechtsanwältin in Graz, wegen Gesellschafterausschlusses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. April 2016, GZ 4 R 183/15m‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00104.16M.1024.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Ausschließungsklage (§ 140 UGB) statt. Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, sei zu berücksichtigen, dass die Streitteile nicht nur Kapitalgeber, sondern auch Arbeitsgesellschafter seien. Sie hätten sich zum gemeinsamen Betrieb einer Fahrschule zusammengeschlossen, wobei nur der Beklagte über die notwendige Konzession verfügt habe. Daher habe er die gewerberechtliche Geschäftsführung übernommen. Diese Tätigkeit und die Zurverfügungstellung der Konzession seien pauschal abgegolten worden. Für die bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags von allen Gesellschaftern erwarteten und zu erbringenden sonstigen Arbeitsleistungen (zB Fahrstunden, Abhalten von Kursen) sei jeweils ein bestimmtes „Arbeitsstundenentgelt“ vereinbart worden. Ausgehend vom vereinbarten Stundenentgelt des Beklagten von 12,50 EUR und den akonto seiner Arbeitsleistung und Gewinnansprüche zulässigen Entnahmen hätte er außer der gewerberechtlichen Geschäftsführung monatlich zumindest 56 und jährlich 672 Arbeitsstunden leisten müssen. Er habe mit der Übernahme einer anderen Fahrschule nicht nur gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, sondern damit der Gesellschaft auch seine Konzession entzogen. Auch wenn die Kläger dies nicht unverzüglich als Ausschlussgrund geltend machten, könne dieser schwerwiegende Verstoß des Beklagten gegen die gesellschaftliche Treuepflicht bei der Interessenabwägung nicht vernachlässigt werden. Dazu komme, dass er 2012 und 2013 noch weniger für die Gesellschaft gearbeitet habe als zuvor und ab 2014 gar keine Arbeitsleistungen mehr erbracht habe. Überentnahmen seien zwar erst nach Vorliegen der Jahresabrechnung auszugleichen. Im Hinblick darauf, dass die Vorwegentnahmen das für die erbrachten Arbeitsleistungen zustehende Entgelt um ein Vielfaches überstiegen hätten, sei darin in Verbindung mit dem Wettbewerbsverstoß, dem Entzug der Konzession und der mangelnden Mitarbeit die Ursache für den Vertrauensverlust der Kläger zu sehen, der so schwer wiege, dass die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Beklagten unzumutbar erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist unzulässig.

1. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründet der Revisionswerber damit, dass die über den Einzelfall hinausreichenden Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen auf die Geltendmachung von Ausschließungsgründen (schlüssig) von den anderen Gesellschaftern verzichtet werden könne und wie rasch bzw zeitnah Gesellschafter auf einen Ausschlussgrund reagieren müssten, nicht „abgeklärt“ seien.

2. Das Berufungsgericht ist ohnehin davon ausgegangen, dass die Ausschließungsklage unverzüglich einzubringen ist (vgl Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB² § 140 Rz 40; Leupold in U. Torggler , UGB² § 140 Rz 14). Nach der Rechtsprechung der beim Obersten Gerichtshof eingerichteten Obersten Rückstellungskommission können bei neuerlichem Auftreten eines Ausschließungsgrundes frühere, an sich schon verfristete Ausschließungsgründe mit berücksichtigt werden (ORK Rkv 177/51; Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB² § 140 Rz 40). Diese Rechtsprechung stellt der Revisionswerber nicht in Frage.

3.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof ist ein ausdrücklicher oder stillschweigender Verzicht auf das Ausschließungsrecht möglich (4 Ob 503/70; 7 Ob 675/89). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Kläger nicht ausdrücklich auf einen Ausschließungsgrund verzichtet.

3.2. Um auf einen Verzicht auf die Geltendmachung eines wichtigen Grundes als Ausschließungsgrund zu schließen, ist der Zeitverlauf allein nicht ausreichend. Das Schweigen muss außerdem beim Gegner nach Treu und Glauben den Eindruck erwecken, dass der Berechtigte dieses Recht nicht mehr ausüben will (RIS‑Justiz RS0014235). Die Beantwortung der Frage, ob ein schlüssiger Verzicht anzunehmen ist, hängt ganz von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab und entbehrt daher regelmäßig einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung (RIS‑Justiz RS0014420 [T16]). Bei der Beurteilung, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0014420 [T6]).

4.1. Dass das Berufungsgericht nach den Umständen des Falls einen schlüssigen Verzicht auf einen Ausschließungsgrund nicht bejahte, ist jedenfalls vertretbar.

4.2. Der Beklagte hat entgegen den „Wettbewerbsregeln“ des Gesellschaftsvertrags 2011 eine andere Fahrschule übernommen, womit der Verlust der Konzession für die von der Offenen Gesellschaft betriebenen Fahrschule verbunden war. Die Kläger waren damit nicht einverstanden. Dass sie sich mit der vom Beklagten geschaffenen Tatsache vorweg abfanden und an der Erwirkung einer neuen Konzession beteiligten, war für die Fortführung des Unternehmens der Gesellschaft notwendig und kann nicht zweifelsfrei dahin verstanden werden, auf diesen Ausschließungsgrund (vgl RIS‑Justiz RS0062037) verzichten zu wollen. Sie konnten doch hoffen, der Beklagte werde Fahrschultätigkeiten im bisherigen Umfang aufrechterhalten, da der Beklagte nur angekündigt hatte, mittelfristig die Leitung der Fahrschule als gewerblicher Geschäftsführer nicht weiter führen zu können. Den Feststellungen kann entgegen der Meinung des Beklagten nicht entnommen werden, dass die Kläger zustimmten, dass der Beklagte aufgrund seiner neuen geschäftlichen Aktivitäten weniger Zeit für die gemeinsam betriebene Fahrschule verwendet. Die Kläger waren auch nicht mit dem Tanken des Beklagten auf Kosten der Gesellschaft einverstanden. Er wurde mehrfach aufgefordert, dies zu unterlassen, und veranlasste die Aufhebung der von der Erstklägerin erwirkten Sperre der Tankkarte.

5. Die Berechtigung eines Ausschließung‑ sbegehrens gemäß § 140 UGB kann immer nur an den Umständen des Einzelfalls gemessen werden. Mangelnde Mitarbeit eines Gesellschafters im Unternehmen der Gesellschaft und die Übertretung des Konkurrenzverbots bilden Ausschließungsgründe (RIS‑Justiz RS0062037). Dass das Berufungsgericht nach der gebotenen Gesamtabwägung der Umstände des Falls (RIS‑Justiz RS0061919) zum Schluss kam, den Klägern sei die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Beklagten nicht zumutbar, ist jedenfalls vertretbar.

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