European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00077.16G.1011.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil wurde die Angeklagte Miroslava N***** „des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG idF BGBl I 2009/122“ schuldig erkannt.
Danach hat sie im November und Dezember 2014 in N***** und andernorts gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung rund um Salih K***** und weitere namentlich genannte sowie unbekannte Personen in sieben im Urteil näher bezeichneten Angriffen die rechtswidrige Ein‑ und Durchreise „in Bezug auf eine größere Anzahl von Fremden“, nämlich kosovarische Staatsangehörige, die keine Papiere zur Einreise oder zum Aufenthalt im Schengenraum hatten, in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich von Serbien über Ungarn nach Österreich, weiter nach Deutschland und in andere Länder Westeuropas, mit dem Vorsatz gefördert, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem sie im Auftrag des K***** die unmittelbaren Schlepperfahrzeuge unter Mitnahme von jeweils einer bis zu fünf Personen lenkte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die undifferenziert (vgl hiezu RIS‑Justiz RS0115902, RS0099108) auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Als unbegründet (inhaltlich Z 5 vierter Fall) bezeichnet die Beschwerdeführerin die Feststellungen zu ihrer Mitgliedschaft an einer kriminellen „Organisation“ (gemeint offensichtlich: Vereinigung), nimmt dabei aber nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0116504, RS0119370; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394), hat das Gericht diese Konstatierungen doch – unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden – auf die Telefonüberwachungsprotokolle, die Kontakte der Beschwerdeführerin und deren Wissen um die arbeitsteilige Vorgehensweise und Organisation gestützt (US 15, 17). Welche und wie viele Personen der Vereinigung sie konkret kannte, ist unerheblich.
Die Schleppung vom 6. Dezember 2014 blieb– entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin – nicht unerwähnt (US 15), der angestrebte Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue ist im Zusammenhang mit § 114 FPG vom Gesetz nicht vorgesehen. Darüber hinaus wurde eine freiwillige Beendigung der Schleppung vom Gericht gerade nicht angenommen, sondern die darauf gerichtete Verantwortung als unglaubwürdig erachtet (vgl neuerlich US 15).
Eine unrechtmäßige Bereicherung von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung bestreitet die Beschwerdeführerin zu Recht nicht, zumal sie einen Schuldspruch nach § 114 Abs 1 FPG anstrebt (vgl Beschwerdeschrift S 5).
Im Ergebnis bekämpft die Rechtsmittelwerberin mit ihrem einer Mängelrüge zuordenbaren Vorbringen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Erhebliche Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit der Annahme der Mitgliedschaft bei einer kriminellen Vereinigung sowie der Gewerbsmäßigkeit vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) mit Zweifeln an den vom Gericht aus den Telefonüberwachungsprotokollen abgeleiteten Schlüssen unter Hinweis auf die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin sowie darauf, dass sie „gutmütig und blind“ und aus „Gefälligkeit“ gehandelt hätte und sich aus dem von ihr lukrierten Schlepperlohn eine „wesentliche Einnahmequelle“ nicht ergäbe, nicht zu erwecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Mit Blick auf das von der Generalprokuratur angeregte Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) verbleibt anzumerken:
Das Erstgericht stellte zusammengefasst eine Vielzahl von Schlepperfahrten fest, wobei pro Fahrt maximal fünf bzw (Mitangeklagte betreffend) sechs Fremde und nur zusammengerechnet insgesamt eine größere Zahl, nämlich weit über zehn Personen transportiert wurden (US 13 f iVm US 3 ff).
Die vom Erstgericht vorgenommene „Zusammenrechnung“ von Mehrpersonentransporten sieht das Gesetz nicht vor (RIS‑Justiz RS0130603), weswegen die Annahme (auch) der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG idF vor BGBl I 2015/121 – übrigens fallkonkret die Anwendbarkeit des Tatzeitrechts (§§ 1, 61 StGB) begründend – ebenso zu Unrecht erfolgte wie die (den Angeklagten jedoch zum Vorteil gereichende) jeweilige Zusammenfassung getrennter Taten zu bloß einem einzigen Verbrechen (vgl US 9).
Der in der Annahme (auch) der genannten Qualifikation gelegene Subsumtionsfehler, der neben der Nichtigkeitswerberin auch Adem P*****, Tarsim R*****, Ramazan S***** und Agim Z***** betrifft, stellt per se keinen Nachteil für diese dar, weil er sich angesichts der weiteren Qualifikationen (§ 114 Abs 3 Z 1, insbesondere § 114 Abs 4 erster Fall FPG) nicht auf die Strafdrohung auswirkte. Da die rechtsfehlerhaft angenommene Qualifikation bei der Strafbemessung nicht erschwerend gewertet wurde (vgl US 20), liegt auch keine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 StPO vor (zum Ganzen: RIS‑Justiz RS0113957, vgl auch RS0114927; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff).
Insoweit ist das Erstgericht bei der Ausstellung der Endverfügung und der Strafkarte nicht an seinen eigenen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden und wird daher bei der Mitteilung der Verurteilung an die Strafregisterbehörde (hinsichtlich der Angeklagten N***** und der Verurteilten Adem P*****, Tarsim R*****, Ramazan S***** und Agim Z*****) von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs auszugehen haben (RIS‑Justiz RS0129614).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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