European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00190.16V.0926.000
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde 2009 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger, für die beiden älteren Töchter der Parteien jeweils 375 EUR und für die jüngste Tochter 310 EUR an monatlichem Unterhalt zu leisten. Am Tag ihrer Scheidung unterzeichneten die Parteien eine außergerichtliche „Entlastungsvereinbarung“, wonach der Kläger von der Beklagten für die den Betrag von 300 EUR übersteigenden monatlichen Unterhaltsleistungen vollkommen schad- und klaglos gehalten wird.
Der Kläger begehrte den zuletzt geltend gemachten Klagsbetrag als Differenz der von ihm geleisteten Unterhaltsbeträge zu den sich aus der Entlastungsvereinbarung ergebenden Beträgen. Weiters wurde die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihn hinsichtlich des 300 EUR monatlich übersteigenden Unterhaltsanspruchs schad- und klaglos zu halten habe.
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren rechtskräftig ab und gab dem Leistungsbegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 15.377,85 EUR sA verpflichtete und das Mehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte „außerordentliche Revision“, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
Die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. In einem solchen Fall kann eine Partei nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in einem solchen Fall eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS‑Justiz RS0109623).
Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht liegt keine Streitigkeit gemäß § 49 Abs 2 Z 2a und 2b JN vor, sodass hier die Bestimmung des § 502 Abs 5 Z 1 ZPO nicht zur Anwendung kommt.
§ 49 Abs 2 Z 2a JN umfasst nur die dort ausdrücklich genannten streitigen Ehesachen („Streitigkeiten über die Scheidung, Aufhebung oder die Nichtigerklärung einer Ehe oder über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe“), nicht aber vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen geschiedenen Ehegatten (vgl Mayr in Rechberger 4 § 49 JN Rz 6).
Auch § 49 Abs 2 Z 2b JN kommt hier nicht zur Anwendung. Nach neuerer und inzwischen ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fallen Ansprüche, auch wenn sie sich aus einem aus Anlass einer einvernehmlichen Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen ergeben, jedenfalls dann nicht unter Z 2b leg cit, wenn für die Beurteilung der insoweit aufgeworfenen schuldrechtlichen Fragen nicht mehr die dem Eheverhältnis eigentümlichen Rechte und Pflichten maßgebend sind (vgl 5 Ob 134/10g; 9 Ob 22/16z; RIS-Justiz RS0044093). Streitigkeiten aus dem gegenseitigen Verhältnis der Eheleute sind nur solche, die ohne Berücksichtigung der den Ehegatten kraft Gesetzes auferlegten besonderen Rechte und Pflichten nicht zu lösen sind; die Wurzel des konkreten Konflikts muss demnach in einem Meinungsstreit über Rechte und Pflichten liegen, die sich aus dem Eheband der Streitteile ergeben, zumindest muss das Eheverhältnis dafür mitbestimmend sein. Ein auch zwischen anderen Personen denkbares Rechtsverhältnis erzeugt keine Streitigkeiten, die für das gegenseitige Verhältnis von Ehepartner typisch sind (RIS-Justiz RS0044093; RS0121843).
Für die im hier zu beurteilenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen ist das (frühere) Eheband der Streitteile nicht maßgeblich, weil es denkbar ist, dass auch unverheiratete Eltern eine Entlastungsvereinbarung über den Unterhalt der gemeinsamen Kinder abschließen.
Das Erstgericht wird das von der Klägerin erhobene Rechtsmittel daher dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
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