European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00063.15K.0913.000
Spruch:
Der Rekurs der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerinnen sind Verbraucherinnen und kauften von der beklagten Partei, einer österreichischen Bank-Aktiengesellschaft, im Dezember 2006 „Dragon FX Garant“-Wertpapiere um 21.000 EUR.
Emittentin dieser Schuldverschreibungen war die niederländische L***** B.V. („L‑BV“). Als Garantin der Rückzahlungsverpflichtung fungierte deren Muttergesellschaft L***** Inc („L‑Inc“).
Der Prospekt für die gegenständlichen Wertpapiere wurde von der L‑BV, der L‑Inc und der weiteren Konzerngesellschaft L***** AG („L‑AG“) gemeinsam herausgegeben. Dies geschah in Form eines Basisprospekts vom 9. August 2006 und Prospektnachträgen, die von der Irish Financial Services Regulatory Authority gebilligt wurden. Einschlägig ist im vorliegenden Fall der zweite Prospektnachtrag vom 6. September 2006. Später, am 4. Dezember 2006, kam es zur Herausgabe der „endgültigen Bedingungen“ für die Schuldverschreibung.
Die Klägerinnen begehren von der beklagten Partei die Rückzahlung von 21.000 EUR sA. Sie stützen ihr Begehren auf das Rücktrittsrecht wegen nicht ordnungsgemäßer Veröffentlichung der Emissionsprospekte. Wesentliche Informationen seien lediglich in die endgültigen Bedingungen, nicht jedoch in einen nach § 6 KMG zwingend vorgesehenen Prospektnachtrag aufgenommen worden. Die endgültigen Bedingungen vom 4. Dezember 2006 seien nicht veröffentlicht worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Weder dem Basisprospekt noch dem zweiten Prospektnachtrag sei zu entnehmen,
– welche der drei zur Auswahl stehenden L‑Gesellschaften Emittentin der Schuldverschreibungen sei,
– welche Gesellschaft als Garantin fungiere,
– welche, wie viele und wie gewichtete Referenzwährungen im Verhältnis zu welcher Basiswährung der Berechnung des „Währungskorbs“ zu Grunde lägen,
– ob und mit welcher Zahl dieser „Währungskorb“ zur Berechnung des Rückzahlungswerts multipliziert werde („Leverage“),
– ob mit der Schuldverschreibung Coupons verbunden seien und
– ob jedenfalls das eingezahlte Nominale zurückgezahlt werde (Kapitalsicherungsniveau).
Da alle diese Informationen in einem Prospektnachtrag aufzunehmen gewesen wären, was aber nicht geschehen sei, könnten die Klägerinnen als Verbraucherinnen gemäß § 5 Abs 1 und § 6 Abs 2 KMG vom Vertrag mit der beklagten Partei zurücktreten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass der Basisprospekt und der zweite Nachtrag sämtliche vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalte aufgewiesen hätten. Insbesondere gelte dies auch für die dem Basisprospekt vorbehaltenen Angaben zu Emittent und Garant, sei doch bereits im Basisprospekt klargestellt worden, wer als Emittent auftreten werde – nämlich eine der darin genannten und ausführlich dargestellten Konzerngesellschaften der L‑Gruppe – sowie den Voraussetzungen dafür. Hinsichtlich der L‑Gruppe seien im Jahr 2006 sehr gute Bonitätsbewertungen vorgelegen; die Insolvenz im Jahr 2008 sei selbst für Fachkreise überraschend gewesen.
Der zweite Prospektnachtrag wiederum erläutere ausführlich die Struktur der Schuldverschreibung. Die im Basisprospekt und im zweiten Prospektnachtrag enthaltenen Angaben seien ausreichend, um die Anleger vor einer Zeichnung in die Lage zu versetzen, eine fundierte Bewertung der mit dem gegenständlichen Wertpapier verbundenen Risiken vorzunehmen. Gerade die wertpapierspezifischen und für die konkrete Transaktion notwendigen Informationen, die von den im Basisprospekt und im Prospektnachtrag enthaltenen allgemeinen Angaben zu unterscheiden seien, hätten im Einklang mit Art 22 und 26 der Prospekt‑VO den endgültigen Bedingungen vorbehalten bleiben dürfen. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts habe keine Verpflichtung bestanden, diese in die endgültigen Bedingungen aufgenommenen Informationen in einem eigenen Prospektnachtrag zu veröffentlichen. Der in Art 22 Abs 5 Nr 1 der Prospekt‑VO geregelten Verpflichtung, im Basisprospekt die Informationen anzugeben, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen seien, sei ebenfalls entsprochen worden.
Mangels Verpflichtung zur Veröffentlichung der in den endgültigen Bedingungen enthaltenen Informationen in einem Nachtrag zum Prospekt könnten die Klägerinnen ihr Rücktrittsrecht nicht auf eine Verletzung der Prospektnachtragspflicht stützen. Die Nichtveröffentlichung endgültiger Bedingungen löse kein Rücktrittsrecht des Verbrauchers gemäß § 5 KMG aus (8 Ob 38/11p, 6 Ob 138/11d).
Die Klägerinnen stützten ihr Rücktrittsrecht auch auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Prospekt-veröffentlichung. Ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht habe das Erstgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Basisprospekt und der zweite Nachtrag ordnungsgemäß veröffentlicht worden seien. Solange kein Prospekt veröffentlicht worden sei, stehe dem Verbraucher-Anleger das jederzeitige – unbefristete – Rücktrittsrecht zu. Um ein Rücktrittsrecht bejahen zu können, müssten demnach ein Verbrauchergeschäft und ein die Prospektpflicht auslösendes öffentliches Angebot vorliegen; weiters müsse die Prospektpflicht verletzt worden sein, die beklagte Bank müsse Verkäuferin der Wertpapiere gewesen sein und das Rücktrittsrecht dürfe nicht nach § 5 Abs 4 KMG erloschen sein.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob die in Rede stehenden Angaben zum gegenständlichen Wertpapier den endgültigen Bedingungen vorbehalten bleiben durften oder in einen Prospektnachtrag aufzunehmen gewesen wären und ob die im Basisprospekt genannten Angaben zu Emittent und Garantiegeber den kapitalmarktrechtlichen Anforderungen genügten, noch nicht befasst habe. Aufgrund der Vielzahl betroffener Anleger seien diese Fragen auch von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung.
In ihrem Rekurs machen die Klägerinnen geltend, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts überraschend sei und nicht ohne vorherige Erörterung mit ihnen der Berufungsentscheidung hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Inhaltlich bekräftigen die Klägerinnen ihren Standpunkt, dass für eine Anlageentscheidung wesentliche Informationen in einen Prospektnachtrag aufzunehmen gewesen wären. So sei dem Basisprospekt nicht die zwingend notwendige Information zu entnehmen, welche der drei L‑Gesellschaften Emittentin der Schuldverschreibungen sei und welche Gesellschaft als Garantin fungiere. Eine Publikation erst in den endgültigen Bedingungen sei nicht ausreichend. Auch die weiteren vom Erstgericht aufgegriffenen Punkte würden die Beurteilung eines Wertpapiers massiv beeinflussen, weshalb sie in einen Prospekt (und nicht nur in die endgültigen Bedingungen) zu integrieren seien. Schließlich seien nach den unionsrechtlichen Vorgaben auch endgültige Bedingungen– entgegen der Entscheidung 8 Ob 38/11p – zwingend zu veröffentlichen. Da alle diese Bedingungen nicht erfüllt seien, stehe den Klägerinnen ein Rücktrittsrecht zu. Im Übrigen treffe nicht den Verbraucher die Beweislast dafür, dass ein Kapitalmarktprospekt nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei; vielmehr sei aus Gründen des Anlegerschutzes und der Beweisnähe der beklagte Emittent oder Intermediär bzw Anbieter zum Nachweis der ordnungsgemäßen Publikation verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Antworten auf die zu entscheidenden Rechtsfragen sind aus der zu Art 22 und 29 der Verordnung (EG) 809/2004 der Kommission (Prospekt‑VO) ergangenen Entscheidung des EuGH vom 15. Mai 2014, C‑359/12, Timmel, ÖBA 2015/60, 73 (Zib, ÖBA 2015, 333) = EuZW 2014, 581 (Russ) = EwiR 2014, 703 (Eufinger) = LMK 2014, 359156 (Buck‑Heeb/Dieckmann), den Schlussanträgen der Generalanwältin in dieser Rechtssache sowie der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzuleiten.
1. Zur Prospektnachtragspflicht hinsichtlich der Informationen über die Schuldverschreibung (wertpapierbezogene Informationen)
1.1. Die Klägerinnen stehen auf dem Standpunkt, dass die wertpapierbezogenen Informationen, die bloß in die endgültigen Bedingungen aufgenommen wurden, tatsächlich in einen Prospektnachtrag hätten aufgenommen werden müssen.
1.2. Gemäß § 5 KMG kann ein Verbraucher vom Vertrag zurücktreten, wenn eine Publikation des Prospekts unterblieben ist. Entsprechendes gilt auch für Nachträge zum Prospekt: § 6 Abs 1 KMG bestimmt, wann solche notwendig sind: „Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Bewertung der Wertpapiere oder Veranlagungen beeinflussen könnten und die zwischen der Billigung des Prospekts und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder, wenn diese früher eintritt, der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt auftreten bzw. festgestellt werden, müssen in einem Nachtrag (ändernde oder ergänzende Angaben) zum Prospekt genannt werden“. Haben Verbraucher bereits davor Wertpapiere erworben, können sie bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen gemäß § 6 Abs 2 iVm § 5 KMG zurücktreten.
1.3. Werden Wertpapiere von Daueremittenten mittels eines sogenannten „Angebotsprogramms“ iSd § 1 Abs 1 Z 10 KMG emittiert, gelten erleichterte Voraussetzungen für den dabei notwendigen Prospekt: So ist es möglich, zunächst einen – im Vergleich zu „normalen“ Stand alone-Prospekten – weniger detaillierten Basisprospekt iSd § 1 Abs 1 Z 17 KMG zu veröffentlichen und die sonstigen Informationen erst in den so genannten „endgültigen Bedingungen“ zu publizieren. Dabei muss zwar der Basisprospekt von der Finanzmarktaufsicht genehmigt werden, nicht aber die erwähnten endgültigen Bedingungen (Schlussanträge der Generalanwältin in der Rs C‑359/12, Timmel [Rz 48]; Kalss, Das Rücktrittsrecht nach dem Kapitalmarktgesetz, in FS Fenyves [2013] 167 [184]). Trotz des hohen Informationsgehalts und der Bedeutung als Grundlage der Anlageentscheidung des Anlegers ist eine mangelnde Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen nicht mit der Sanktion des Rücktrittsrechts belegt (RIS‑Justiz RS0125646 [T1] und [T2]).
1.4. Weder dem Wortlaut des KMG noch der hier einschlägigen Prospekt‑RL und der Verordnung zur Umsetzung der RL (Prospekt‑VO) kann genau entnommen werden, welche Informationen dem Basisprospekt vor-behalten sind und welche in die nicht genehmigungsbedürftigen endgültigen Bedingungen aufgenommen werden können (siehe etwa Russ in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 1 Rz 136; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ [ESME] zur Richtlinie 2003/71/EG [„Prospektrichtlinie“], WM 2008, 1292 [1296]). Nach Erwägungsgrund 24 der hier noch in der ursprünglichen Fassung anzuwendenden Richtlinie 2003/71/EG (Prospekt‑RL) sollte „der Inhalt des Basisprospekts … insbesondere der Flexibilität Rechnung tragen, die in Bezug auf die Angaben zu den Wertpapieren erforderlich ist“.
1.5. Wie bereits unter 1.3. dargelegt, unterliegt nicht jede wichtige Information der Publikationspflicht in einem Prospekt, wäre doch sonst die Differenzierung zwischen Basisprospekt und endgültigen Bedingungen beim Angebotsprogramm gemäß § 1 Abs 1 Z 10 KMG überflüssig. Ausgehend von der Definition in § 1 Abs 1 Z 17 KMG müssen im Basisprospekt neben den Emittentenangaben soweit wie möglich allgemeine Informationen zu den verschiedenen Wertpapierarten und „Underlyings“ (zB allgemeine Wertpapierbedingungen) enthalten sein (Russ in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 1 Rz 140). Die endgültigen Bedingungen hingegen sind ergänzende Angaben zum Basisprospekt, die sich auf Angaben des Wertpapiers, nicht des Emittenten beziehen (in diesem Sinn auch Russ in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 1 Rz 136 aE). Gegenstand endgültiger Bedingungen können demnach nur bestimmte emissionsspezifische Angaben zu den Wertpapieren, nicht jedoch etwa Angaben zum Emittenten (zB allgemeine, auf diesen bezogene Risikofaktoren) sein.
1.6. Die Verpflichtung, Informationen, die zwar grundsätzlich in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden dürfen, ausnahmsweise bereits in den Basisprospekt einzufügen (EuGH C‑359/12 [Rz 34]), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil es keine Hinweise gibt, dass die hier strittigen wertpapierbezogenen Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts und des zweiten Nachtrags schon bekannt waren.
2. Zur Prospektnachtragspflicht
2.1. Nach dem EuGH sind nur solche Informationen nachtragspflichtig, die auch zwingend im Basisprospekt angeführt werden müssen (EuGH C‑359/12, Rz 32). Informationen, die den endgültigen Bedingungen vorbehalten werden dürfen, sind daher auch nicht prospektnachtragspflichtig.
2.2. Informationen, die den endgültigen Bedingungen vorbehalten werden dürfen (etwa weil sie das Wertpapier selbst und nicht den Emittenten betreffen), sind nicht „zwingend“ in einen Prospektnachtrag aufzunehmen. Dies ergibt sich insoweit aus der Entscheidung des EuGH zu C‑359/12 (Rz 33 ff), als der Gerichtshof auf „zwingend aufzunehmende Informationen“ gemäß Art 22 Abs 1 Prospekt‑VO verweist. Dafür spricht auch das schon erwähnte System der Trennung von Basisprospekt einerseits und endgültigen Bedingungen andererseits; auch in die endgültigen Bedingungen aufgenommene Informationen sind „wesentliche“ (siehe auch Russ, EuZW 2014, 585, Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 11 Rz 82, Zivny, KMG-Kurzkommentar § 7 Rz 47: „Bei den endgültigen Bedingungen handelt es sich jedenfalls nicht um nachtragspflichtige Informationen“).
2.3. In diesem Sinne ist die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die vom Erstgericht und von den Rekurswerberinnen vermisste wertpapierbezogene Information in den endgültigen Bedingungen veröffentlicht werden kann, nicht zu beanstanden.
2.4. Auf dieser Grundlage erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Kläger darauf gestützte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht bei der Behandlung der sekundären Feststellungsrüge der beklagten Partei missverständliche Ausführungen zur Frage der Kenntnis bestimmter (in die endgültigen Bedingungen aufgenommener) Informationen zu den Zeitpunkten der Erstellung des Basisprospekts und des zweiten Nachtrags gemacht habe. Auf diese Kenntnis kommt es nicht an, wenn die wertpapierspezifischen und für die konkrete Transaktion des Klägers notwendigen Informationen zulässigerweise in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden konnten.
3. Zu den Emittentenangaben
3.1. Nach Ansicht der Klägerinnen wäre im Basisprospekt bzw in dessen Nachträgen zu spezifizieren gewesen, welche der drei genannten Gesellschaften Emittentin der Wertpapiere war. Wie bereits dargestellt, dürfen Angaben zur Emittentin nicht den endgültigen Bedingungen vorbehalten werden (Russ in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 1 Rz 136).
3.2. Das Berufungsgericht vertritt den Standpunkt, dass bereits im Basisprospekt klargestellt war, wer als Emittent auftreten wird – nämlich eine der darin genannten und ausführlich dargestellten Konzern-gesellschaften der L‑Gruppe.
3.3. Die Ansicht der Klägerinnen läuft darauf hinaus, dass ein Prospektnachtrag in dem Zeitpunkt erforderlich gewesen wäre, in dem bekannt war, welche der Gesellschaften Emittentin der fraglichen Schuld-verschreibungen ist. Dies setzt wiederum voraus, dass es sich um eine wesentliche Anlegerinformation handelt. Angesichts der unabhängig von der Emittentin bestehenden Garantie der Muttergesellschaft L‑Inc ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass diesbezüglich keine Prospekt-nachtragspflicht bestehe, durchaus vertretbar.
4. Umfang der Genehmigungs- und Veröffentlichungspflicht für endgültige Bedingungen
Dass die endgültigen Bedingungen nicht genehmigungspflichtig sind, hat der EuGH bereits ausgesprochen (EuGH C‑359/12 [Rz 48]; siehe auch Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 7 Rz 47; § 11 Rz 37). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die fehlende Publikation der endgültigen Bedingungen kein Rücktrittsrecht auslöst, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 38/11p) und wird auch in der Literatur geteilt (anstatt vieler Kalss in FS Fenyves 184).
5. Beweislast
5.1. Die Klägerinnen räumen ein, dass bei verbraucherschutzrechtlichen Rücktrittsrechten grundsätzlich der Verbraucher beweisen muss, dass die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht vorliegen (RIS‑Justiz RS0065220), möchten aber – mit Hinweis auf Beweisschwierigkeiten – bei Geltendmachung des Rücktrittsrechts gemäß §§ 5, 6 KMG ausnahmsweise eine andere Beweislastverteilung; ihres Erachtens solle der Rücktrittsgegner die Beweislast dafür tragen, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht gegeben sind.
5.2. Diese Ansicht widerspricht offensichtlich der Rechtsprechung (8 Ob 38/11p) und der herrschenden Lehre (Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 5 Rz 24).
Die herrschende Ansicht begegnet keinen Bedenken: Das gänzliche Ausbleiben einer Prospektveröffentlichung, das allein das Rücktrittsrecht gewährt, ist nicht schwer beweisbar. Auch der Beweis, dass ein Wertpapier vor einer Nachtragsveröffentlichung erworben wurde (§ 6 KMG) bzw keine solche stattgefunden hat, ist nicht übermäßig schwer zu führen (siehe Zib in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 5 Rz 24).
6. Auch wenn die Entscheidung des EuGH zu C‑359/12 gewisse Unschärfen aufweist, ist die Deutung der Entscheidung durch das Berufungsgericht von Stimmen in der Literatur getragen und führt auch zu einem sachgerechten Ergebnis, das sich friktionslos in die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Fragen einordnen lässt.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Es liegt zwar ein Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO vor (vgl RIS‑Justiz RS0123222). Dennoch findet ein Kostenersatz nicht statt, weil die beklagte Partei auf den konkret vorliegenden Grund der Unzulässigkeit des Rekurses der Klägerinnen nicht hingewiesen hat (vgl 10 Ob 37/13h).
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