OGH 8Ob73/16t

OGH8Ob73/16t17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** W***** GesmbH, *****, vertreten durch Millner Schamesberger Matl, Rechtsanwälte in Graz, und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der klagenden Partei 1) O***** Vertriebs GmbH, *****, vertreten durch Mag. Alexander Gerngross und Mag. Klaus Köck, Rechtsanwälte in Unterpremstätten, und 2) W***** GmbH, *****, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH (vormals C***** GmbH), *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Spitzy und Dr. Esther Lenzinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 104.166,67 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2016, GZ 4 R 56/16h‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00073.16T.0817.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es grundsätzlich Sache des Käufers eines Kraftfahrzeugs, sich durch Einsichtnahme in den Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers bzw bei einem Erwerb in einem gewöhnlichen Unternehmensbetrieb von dessen Verfügungsbefugnis zu überzeugen. Ergibt sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein nicht eindeutig die Berechtigung des Veräußerers, so sind weitere Nachforschungen anzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn besondere Umstände den Verdacht nahelegen, der Vertragspartner könnte unredlich sein. Speziell gilt dies auch im Kraftfahrzeughandel, weil Kraftfahrzeuge häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden. Die Beurteilung, welche Anforderungen an die Sorgfalt des Erwerbs zu stellen sind, hängt letztlich aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Gleiche gilt für die Frage, ob besondere Umstände weitere über die Einsicht in den Typenschein hinausgehende Nachforschungen erforderlich machen (vgl RIS‑Justiz RS0010891).

2. Die Vorinstanzen sind von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Für Fahrzeuge ohne österreichische Typengenehmigung, also mit einer EG‑Betriebserlaubnis, wird der Typenschein durch die EG‑Übereinstimmungsbescheinigung (Certificate of Conformity, kurz COC) im Sinn der Richtlinie 2007/46/EG ersetzt (1000 RV BlgNR 22. GP 8). Allein dadurch, dass zur genannten Übereinstimmungsbescheinigung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, wird bei Anwendbarkeit der anerkannten Rechtsprechungsgrundsätze keine erhebliche Rechtsfrage begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin und beiden Nebenintervenientinnen mit dem COC 1 nur unvollständige Fahrzeugpapiere zur Verfügung gestanden seien, weshalb die Voraussetzungen für einen Gutglaubenserwerb nicht vorliegen würden, stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

Nach den Darlegungen des Erstgerichts ist es bei gewerbsmäßigen Autohändlern, wie es die beiden Nebenintervenientinnen und die Klägerin sind, üblich, dass sie das COC 1 vollständig durchlesen, bei einem „vervollständigten Fahrzeug“ (aufgrund des Hinweises im COC 1) auf die Vorlage des COC 2 bestehen (welches das COC 1 ersetzt) und dieses im Hinblick auf einen darin angemerkten Eigentumsvorbehalt prüfen. Die Vertreter der beiden Nebenintervenientinnen und der Klägerin haben das COC 1 auch tatsächlich durchgesehen. Bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt hätten sie ohne das COC 2 vom Ankauf des Fahrzeugs Abstand nehmen müssen.

3. Weitere Rechtsfragen werden in der außerordentlichen Revision nicht aufgeworfen.

4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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