European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00067.16T.0726.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu zahlen.
Begründung
Der Kläger, der bei der Beklagten von 1. 9. 2004 bis 29. 8. 2012 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt war, erachtet die ihm wegen seiner Spesenabrechnungen (Kilometergeld, Diäten) ausgesprochene Entlassung als nicht gerechtfertigt. Er habe daher für die Zeit vom 1. 9.‑31. 12. 2012 Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung und eine Urlaubsersatzleistung in Höhe von 15.169,08 EUR brutto. Der von ihm begehrte Ersatz für Spesen und Kilometergeld von zuletzt 3.081,76 EUR netto ist nicht rekursgegenständlich.
Die Beklagte bestritt, beantragte unter Berufung auf die Berechtigung der Entlassung Klagsabweisung und wandte eine Gegenforderung von zumindest 20.098,90 EUR für zu Unrecht ausbezahlte Spesen ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im noch rekursgegenständlichen Umfang ab. Es stellte die vom Kläger für die Monate Mai, Juni und Juli 2012 verzeichneten Kilometer, Kilometergelder und Diäten fest, und weiter:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger die oben wiedergegebenen Kilometer in den Monaten Mai, Juni und Juli (August) 2012 (Beilage E) an den einzelnen Tagen jeweils tatsächlich zurückgelegt hat.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger die in den Spesenabrechnungen der Monate Mai, Juni und Juli (August) 2012 (Beilage E) verzeichneten Besuche in den angegebenen Orten an den einzelnen Tagen jeweils tatsächlich durchgeführt hat.“
Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus:
„Nachträglich durchgeführte Recherchen haben ergeben, dass der Kläger als Person in den Häusern seines Tätigkeitsgebietes weitgehend unbekannt war, sodass für den Senat außer Zweifel steht, dass der Kläger bei weitem nicht alle von ihm verzeichneten Besuche auch tatsächlich wahrgenommen hat.“ Es erachtete die Entlassung als berechtigt.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang der Anfechtung (15.169,08 EUR sA) sowie hinsichtlich der Gegenforderung und der Kostenentscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, weil es in Zusammenschau des festgestellten Sachverhalts und der Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung die entscheidungswesentlichen Feststellungen für unklar hielt und nicht ausschließen konnte, dass das Erstgericht in Wahrheit eine Positivfeststellung des Inhalts treffen wollte, dass der Kläger nicht alle von ihm verzeichneten Besuche in den angegebenen Orten an den einzelnen Tagen jeweils auch tatsächlich durchgeführt hat. Der Rekurs sei zulässig, weil der Frage, welcher Sinn der Formulierung „Es ist nicht feststellbar, dass …“ tatsächlich beizumessen ist, Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.
In seinem dagegen erhobenen Rekurs beantragt der Kläger die Abänderung des Beschlusses im Sinn einer Klagsstattgebung.
Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a ZPO) Zulassungsausspruch nicht zulässig.
Warum – so das Berufungsgericht – eine Aussage des Inhalts „Es ist nicht feststellbar, dass ...“ aus „grammatischer/logischer Sicht“ nicht zweifelsfrei interpretiert werden kann, ist nicht ersichtlich. Es kann nicht fraglich sein, dass dieser Wendung bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts die Bedeutung zukommt, dass die Tatsacheninstanz nach dem maßgeblichen Beweismaß die Richtigkeit des ihr vorgetragenen Sachverhalts nicht erkennen kann, ohne zugleich von seiner Unrichtigkeit überzeugt zu sein („non liquet“; Rechberger in Rechberger, ZPO4 Vor § 266 Rz 8, 11 mwN). Eine solche Negativfeststellung belastet die beweispflichtige Partei. Fraglich kann allenfalls sein, ob die Tatsacheninstanz mit dieser Formulierung tatsächlich eine solche echte Negativfeststellung treffen wollte oder nur sprachlich ungenau zum Ausdruck gebracht hat, dass sich der vorgetragene Sachverhalt gerade nicht verwirklicht hat. Damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd §§ 502, 519 ZPO aufgeworfen.
Die Zuordnung einzelner Teile eines Urteils zu den Feststellungen hängt nicht vom Aufbau des Urteils ab (RIS‑Justiz RS0043110). Auch in der rechtlichen Beurteilung enthaltene, aber eindeutig dem Tatsachenbereich zuzuordnende Ausführungen sind als Tatsachenfeststellungen zu behandeln (dislozierte Feststellungen; RIS‑Justiz RS0043110 [T2]). Für die Beurteilung, ob es sich bei außerhalb der Feststellungen vorzufindenden Urteilsausführungen um Tatsachenfeststellung handelt, kommt es auf die Qualität der Aussage in den Entscheidungsgründen eines Urteils an (7 Ob 148/08b mwN).
Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht im Rahmen der Tatsachenfeststellungen die genannten Negativfeststellungen getroffen – womit es zunächst zum Ausdruck gebracht hat, nicht die Überzeugung gefunden zu haben, dass der Kläger die von ihm wiedergegebenen Kilometer zurückgelegt und die verzeichneten Kundenbesuche durchgeführt hat. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erachtete es seine Entlassung mit dem Argument als gerechtfertigt, dass der Kläger bei weitem nicht alle von ihm verzeichneten Besuche auch tatsächlich wahrgenommen hat – womit das Erstgericht auch davon ausgegangen sein könnte, dass der Kläger die von ihm verzeichneten Fahrten und Kundenbesuche zu einem Gutteil tatsächlich nicht durchgeführt hat. Wenn das Berufungsgericht diese Ausführungen nicht miteinander in Einklang bringen konnte und deshalb eine Präzisierung der Feststellungen für erforderlich erachtete, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179).
Anzumerken bleibt, dass im Hinblick auf die Beweispflicht der Beklagten zu dem von ihr angezogenen Entlassungsgrund eine – positive oder negative – Feststellung zu ihrem Vorbringen, dass der Kläger in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß die von ihm verzeichneten Fahrten und Kundenbesuche nicht durchgeführt habe, erforderlich ist.
Der Rekurs ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO des Berufungsgerichts findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222).
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